Freiburg im Breisgau: Leisnerstraße

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Im Mai 1979 beschloss der Rat der Stadt Freiburg i. Br. eine im Westen der Stadt liegende Straße nach Karl Leisner zu benennen. Begründet wurde dieser Beschluss damit, dass Karl Leisner vom 9. November 1939 bis 15. Februar 1940 im Freiburger Gefängnis inhaftiert war.

 

 

 

Vorausgegangen war der Einsatz des IKLK für die Benennung einer Straße in Freiburg nach Karl Leisner und die Anbringung einer Gedenktafel. Eine Gedenktafel wurde bis heute nicht angebracht.

Badische Zeitung vom 28. Dezember 1978
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KNA Nr. 125 vom 31. Mai 1979
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Die Leisnerstraße ist eine Stichstraße. Sie zweigt von der Hofackerstraße in östlicher Richtung in das Baugebiet Spittelacker ab und grenzt an das Seeparkgelände. Neben Einfamilienhäusern und zahlreichen Parkplätzen für den Seepark wurde dort großflächig ein Heilpädagogischer Hort errichtet.

Altes Universitätsgebäude, Freiburg

Altes Universitätsgebäude, Freiburg

 

 

Karl Leisner hatte zu Freiburg eine besondere Beziehung. Er lernte die Stadt 1936/1937 während seiner Außensemester kennen und wurde am 1. April 1936 an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg aufgenommen. Am 1. März 1937 meldete er sich ab.

Hansjakobstraße 43

Hansjakobstraße 43

Karl Leisner aus Freiburg/Br. am 3. April 1936, an Walter Vinnenberg[1]:
Seit 31.3. hab’ ich also nun mein Wigwam hier im schönen Badener Ländle aufgeschlagen. Bin mit Jupp Köckemann zusammen heruntergefahren per D[-Zug]. Und jetzt sind wir hier. Der nötige „Papierkrieg“ an der Uni ist ausgefochten, und so fahrten wir unruhigen Geister im Südschwarzwald rum. Tolle Pläne schwirren in unsern Köpfen rum. […] Anfang Mai kommt mein Schwesterlein Maria hierhin als Haustochter, und da freu’ ich mich doppelt. Sonntags bekommt sie auch ab und zu ganz frei, das hab’ ich grad’ eben bei ihrer zukünftigen Hausfrau [Else Schaal] erspäht […]
Meine Bude [bei Familie Köbele][2] auf der Hansjakobstraße 43 liegt fein: Prächtige Sicht auf den Bergwald [? Schloßberg]. Davor blühende Gärten. Es blüht und grünt in allen Schattierungen – rosa, rot-weiß, weiß. In solcher Gegend läßt sich’s schon aushalten. […]

[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen v. 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
[2] Luise Köbele (* ?, † im Alter von 63 Jahren) mit den Töchtern Antonie Fischer, geb. Köbele (* 1919, † ?) und Elisabeth (* ?, † ?) – Hansjakobstr. 43 (Errichtung des Hauses 1925).
Antonie Fischer aus Freiburg am 9.8.1999 an Hans-Karl Seeger:
Meine Mutter war eine richtige Studentenmutter. Bei ihr lebten immer zwei bis drei Studenten unter dem Dach. Karl Leisner ist bei uns zweimal von der Gestapo abgeholt worden. Es gab auch Durchsuchungen in unserem Haus, was gar nicht unproblematisch war, da mein Vater Beamter war. Meine Schwester [Elisabeth] und ich, 1919 geboren, hatten als junge Mädchen wohl ein Auge für die Jungen, die gelegentlich mit uns Ball spielten.

freiburger-muensterSonst gibt’s hier noch viel zu schaun. Das „Mintschter“ [Münster][1] hab’ ich mir „erscht amaol“ [erst einmal] von außen in allen möglichen Blicken angesehn. Es gefällt mir jedesmal besser. Der Turm in seiner Gestalt und Tönung des Steins paßt [sich] so recht hier in die Stadt und die Gegend ein.

[1] Freiburger Münster (Münster Unserer Lieben Frau): Baubeginn um 1200 – Vollendung des gotischen 116m hohen Turmes 1330/1340 – An der Stelle des ersten romanischen Chors wurde 1510 der gotische Chor vollendet (architektonisches Meisterwerk der Gotik) – seit 1827 Bischofssitz

 

In der Karwoche 1936 lernte Karl Leisner Pater Constantin Noppel SJ[1] kennen, der ihm und seinen Studienkollegen zu Pfingsten 1936 eine Privataudienz bei Papst Pius XI. in Rom ermöglichte.

[1] Pater Constantin Noppel SJ (* 2.8.1883 in Radolfzell, † 2.7.1945 in Stuttgart) – Priesterweihe 28.10.1908 in Rom – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 30.9.1909 in Tisis bei Feldkirch/Vorarlberg/A – Letzte Gelübde 2.2.1920 – Caritasdirektor u. Landespräses des Katholischen Jungmännerverbandes in München – anschließend Rektor des Collegium Germanicum in Rom 1932–1935 – 1936/1937 war er in Freiburg/Br. in einer Universitätsgruppe pastoral tätig und widmete sich nach Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten der „Gruppe des Jungmännervereines“.

Karl Leisner aus Freiburg/Br. am 11. Mai 1936 an Walter Vinnenberg:
P. [Constantin] Noppel [SJ] will uns die Möglichkeit einer Audienz [bei Papst Pius XI.] beschaffen. (Wir lernten ihn hier zu Ostern bei einem Einkehrtag der Jungführer der Erzdiözese Freiburg kennen.)

Aufgrund einer Rippenfellentzündung kehrte Karl Leisner nach den Semesterferien erst am 28. November nach Freiburg zurück.

Freiburg/Br., Sonntag, 29. November 1936, 1. Adventssonntag
Maria hatte Freude, als ich ihr als Gesunder wieder brüderlich die Hand drücke. Heute mittag, da heißt’s dann erzählen von Haus und Heimat. Und dann heute morgen der Beginn des [Kirchen-]Jahres des Heils 1937. Direktor [Alois] Eckert hält die Gemeinschaftsmesse um 8.00 Uhr [in St. Carolus[1]].

[1] Gründung der Gemeinde St. Carolus unter Beteiligung des Caritas­direktors Prälat Dr. theol. h. c. Alois Eckert in der durch Pfarrer Karl Hausch der Gemeinde Maria Hilf in Frei­burg/Br. 1926 erworbenen Villa eines Schokoladenfabrikanten – Errichtung eines Kinder­gartens – Die Altargemeinde St. Carolus bestand von 1926–1954 und ging in der neuen Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit auf.
Gewöhnlich feierte Karl Leinser hier täglich die hl. Messe mit.

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Freiburg/Br., Mittwoch, 2. Dezember 1936
Morgens 6.15 Uhr Roratemesse in St. Carolus. Eigene feine Stimmung. – Abends (17.00 Uhr) in St. Carolus Nikolaus gespielt. Fein! Für die 7- bis 12jährigen Buben und Mädel. […] Abends ein rauher, aber herzlicher „Teeistenkreis“ auf meinem Bau [bei Familie Köbele in der Hansjakobstraße 43].

1290_Neumattenstr_aWeihnachten 1936 war Karl Leisner zu Gast bei Familie Ruby[1] in der Neumatten­straße 18.

[1] Eheleute Dr. rer. pol. Joseph Ruby (* 1885) (Versicherungskaufmann) u. Ruby, Elisa­beth geb. Poensgen (* 25.12.1884) – Heirat 2.2.1912 in Berlin – 12 Kinder: 8 Jungen u. 4 Mädchen – 6 der Jungen studierten Theologie.

Familie Ruby kannte Familie Köbele, seine erste Gastfamilie, aus Begegnungen in der Gemeinde Maria Hilf und vom gemeinsamen Anliegen her, vorwiegend Theologiestudenten eine Heimat zu geben.
Rubys hatten spätestens im November 1936 erfahren, daß Josef Kuhne, der Hauslehrer für die jüngeren Kinder Heribert, Peter und Rudolf, nicht zurückkam. Insofern hat Mutter Elisa­beth Ruby vermutlich frühzeitig nach einem Ersatz gesucht und Karl Leis­ner, der ihr als täglicher Besucher des Morgengottesdienstes in St. Caro­lus aufge­fallen war, nach einem solchen angesprochen. Karl Leisner sagte zu.
Elisabeth Maria Ruby jun. (* 24.3.1914 in Berlin, getauft 25.3.1914, † 25.12.1993) – Elisabeth wurde Seelsorgehelferin und Haushälterin bei ihrem Bruder Karl in Radolfzell, war vorwiegend in der Jugendarbeit tätig und gab Religionsunterricht. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat sie 1981 als Zeugin ausgesagt.

Vermutlich am 6. Januar 1937 zog Karl Leisner zu Familie Ruby und blieb dort bis zum 14. Februar 1937. Am 20. Januar erkrankte er an einer Mittelohrentzündung, die ihn bis zum 1. Februar ans Bett fesselte. Während dieser Zeit pflegte Elisabeth Ruby ihn liebevoll und beide verliebten sich ineinander, entschieden sich aber nach inneren Kämpfen bewusst für einen anderen Lebensweg.

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Freiburg, Neumattenstraße 18 damals und heute

Familie Joseph Ruby vor ihrem Haus in Freiburg/Br., Neumattenstaße 18

Familie Joseph Ruby vor ihrem Haus in Freiburg/Br., Neumattenstaße 18

Freiburg/Br., Samstag, 26. Dezember 1936, Heiliger Stephanus
Muß mal wieder stille werden und in mich hineinhorchen und -rufen. Nach diesem wunderfeinen Advent diese feine, feine Freiburger Weihnacht mit der lieben Maria und bei der prächtigen Familie Ruby. Ich bin noch ganz voll von all dem Singen und Freuen mit diesen rassigen Buben, in dieser katholischen Familie – ich wollt’ eigentlich sagen „von jeglichen katholischen Minderwertigkeitskomplexen freien“ Familie. So ein Leben! Die ganze tiefe Freude von Kinderglück und Familiengemeinschaft ging mir auf wie nie.

Karl Leisner aus Freiburg/Br. am 5. Februar 1937 an Walter Vinnenberg:
Nach langem sollst Du auch wieder mal von mir hören. Zunächst bin ich (wie Du oben siehst) umgezogen. Habe in der Familie Dr. [Joseph] Ruby für einen sehr schwer kranken Kursgenossen [Josef Kuhne] die zwei letzten Semestermonde [Januar und Februar 1937] eine Stelle als „Jungenbändiger“ übernommen. Es ist wirklich fein dort. Weißt Du, 12 Kinder (9 Buben und 3 Mädchen). Das gibt „Betrieb“. Das macht mir Freud! Schade nur, ich wurde gleich am 20.1. wieder einmal krank. Diesmal war’s das rechte Mittelohr, was sich entzündete. Bis 1.2. hab’ ich liegen müssen. Weihnachten war ich zu Gast dort [bei Familie Ruby]. Am Heiligabend war’s sehr fein. Die Buben sangen aus dem Dezember-„Scheidewege“ die Weihnachtsfrohbotschaft, zwischenhinein Lieder und Musik nach unserer Art. Ich hab’ nie so tief Weihnachten als Familienfest erlebt – objektiv gesehen. (Subjektiv kann’s natürlich nirgends schöner sein als daheim.) – Nachher ging’s dann in die Mitternachtsmesse in St. Carolus, wo das erste heilige Opfer im Umbau gefeiert wurde (eine Kapelle eines Caritaskindergartens hier in der Waldseesiedlung). Auch meine Schwester Maria war da, und nachher sind wir zwei auf meine Bude (Hansjakobstraße [43]) gestiegen. […] Ein selten Glück, daß ich grad’ vorher [vor der Erkrankung] in diese gute Familie [Joseph Ruby] kam. […] Morgens kann ich ganz still für mich studieren. Einige Stunden am Nachmittag und den Abend widme ich dann den Buben. So ist’s fein zu leben. – Jetzt geht das erlebnisreiche Jahr in Freiburg/Br. seinem Ende zu.

Elisabeth Ruby mit Karl Leisner 1937 im Schwarzwald. Foto: Maria Leisner

Elisabeth Ruby mit Karl Leisner 1937 im Schwarzwald. Foto: Maria Leisner

Am Sonntag, 28. Februar 1937, Karl Leisners Geburtstag, machte er vermutlich mit Elisabeth Ruby einen Spaziergang im Schwarzwald.
Im Rückblick am 7. Juli 1938 auf den 28. Februar 1937 schreibt er dazu:
Unvergeßlich. Eine wunderbare Mischung von selbstloser, göttlicher und – noch nicht restlos niedergerungener menschlicher Liebe. Tief dunkel sinkt der Abend über den Vogesen nieder.

 

Karl Leisner und auch seine Familie pflegten weiterhin einen intensiven Kontakt zur Familie Ruby. Im Frühjahr 1938 fuhr Karl Leisner erneut nach Freiburg.

Kleve, Donnerstag, 17. März 1938
Am 17.3. nach Tisch geh’ ich zu Vater aufs Chaiselongue. Donnerstag ist’s. – Mich zieht’s mit Urgewalt nach Freiburg/Br.

Bingen, Samstag, 19. März 1938, Heiliger Josef
Abends um 17.00 Uhr bin ich bereits in Freiburg/Br. Um 19.00 Uhr sitzen wir beim Festmahl im Kreis der lieben großen Familie [Joseph Ruby].

Freiburg/Br., Sonntag, 20. März 1938
Am Sonntag ziehn wir zusammen zur Vesper ins [Freiburger] Münster: Gertrud und Elisabeth, Sepp, Hans [Ruby] und ich. – Es ist ein warmer Sonnentag im Frühling. – Mit Elisabeth [Ruby] besuch’ ich dann noch im Seminar [für Seelsorgehilfe] Fräulein Köster aus Kleve. – Auf dem Heimweg, da wird mir’s so weh ums Herz. – „Was soll ich jetzt machen?“ Diese Frage gibt mir einen Stich ins Herz. – […] Schon möcht’ ich’s übers Knie brechen, die Entscheidung erzwingen, aber: der Mensch denkt, Gott lenkt. Er führt mich zu P. C. N. [Pater Constantin Noppel SJ] – Ihm lege ich meine Charakterschwierig­keiten dar. Er meint, ein halbes Jahr ruhig sich klären im festen Hinschreiten auf Christus hin.

Am 29. März 1938 trug Karl Leisner in das Gästebuch der Familie Joseph Ruby ein:
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Nach dem Introitus [Abschlußexamen] hier 10 Tage Frühling. – Jetzt geht’s p. A. [per Anhalter] ins [Priester-]Seminar [in Münster]. Vergelt’s Gott! Karl L. Ordo fratr[um] traempo­rum [Orden der trampenden Brüder] (alias: Bleyle[1]).

[1]     Da Karl Leisner häufig einen Bleyle-Anzug trug, hatte er in der Familie Joseph Ruby den Spitznamen Bleyle.

Ende Mai 1939 wurde bei Karl Leisner eine offene Lungentuberkulose festgestellt und er kam zur Heilung in das Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien. Er fuhr am 4. Juni 1939 von Kleve und machte Station in Freiburg, um die Familie Ruby zu besuchen.

Elisabeth Ruby war damals bei Verwandten in Lückerath in der Eifel:
Auf dem Weg dahin [nach St. Blasien] sprach er in meinem Elternhaus vor, nachdem er Station in Schönstatt gemacht hatte. Ich war damals bei Verwandten in der Eifel. Meine Schwester [Gertrud] hat Karl die Tür geöffnet und mir später berichtet, dass er in seinem üblichen Bleyleanzug mit der Klampfe unter dem Arm und mit fröhlichem Gesicht vor der Tür stand. Er begrüßte sie etwa mit folgenden Worten: So, ich bin mal wieder auf Fahrt geschickt. Er war voller Hoffnung, dass er in St. Blasien baldige und vollständige Heilung finden würde.[1]

[1] Elisabeth Ruby im Seligsprechungsprozess: 911

* * * * *

Gefängnis in Freiburg

Gefängnis in Freiburg

Aufgrund einer unbedachten Äußerung zum Attentat auf Hitler am 8. November 1939 gegenüber einem vertrauten Mitpatienten wurde Karl Leisner am 9. November im Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien verhaftet und kam in das Gefängnis Freiburg. Da er keine Schreibutensilien hatte, nutzte er für Tagebucheinträge die freien Seiten seines Breviers und seines Missales, die man ihm gelassen hatte.

 

Freiburg/Br., Dienstag, 14. November 1939
Sogenannte Vorführung. (Engelgasse über dem Einwohnermeldeamt[1]). Ich bin vollkommen ruhig, ja froh; denn ich bin mir meines reinen Gewissens und [meiner] sauberen Gesinnung bewußt. Und wenn ich vor Gottes klarem Richterblick bestehen kann, was können Menschen mir dann schon antun!
Gott, ich danke Dir für alle Wohltaten, die Du so reichlich über mich ausge­gossen. Ja, ich danke Dir für die Tage der schweren Krank­heit, und jetzt wiederum für die Tage der Un­freiheit und Gefan­genschaft. Alles hat seinen Sinn, Du meinst es überaus gut mit mir.

[1] Die Geheime Staatspolizei und das Einwohnermeldeamt in Freiburg hatten ihre Diensträume im Gebäude der Polizeidirektion, dem sogenannten Basler Hof, Adolf-Hitler-Straße 167 (heute Kaiser-Joseph-Straße 167). Für das Einwohnermeldeamt galt der Seiteneingang in der Engelstraße. Nach Zerstörung und Wiederaufbau ist das Gebäude heute Sitz des Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Freiburg.

Freiburg/Br., Donnerstag, 16. November 1939
Abfassung der Denkschrift an die Gestapo. O heiliges Gut der Wahrheit!

Freiburg/Br., Dienstag, 21. November 1939
Wurde nachgefüllt[1] und durchleuchtet in der Klinik (Albertstraße). Stelle für Lungenfürsorge.[2] Deo gratias!

[1] Karl Leisners Pneumothorax musste alle acht Tage mit Luft nachgefüllt werden.
Bei einer Tuberkulosebehandlung wurde bis in die 1950er Jahre ein therapeutischer Pneu­mothorax an­gewen­det. Zwischen den inneren und äußeren Lappen des Brustfells wird Luft eingeführt. Dadurch wird ein befal­lener Lungenflügel ruhiggestellt. Die Lunge atmet weniger, der gesunde Lungenflügel wird vor Infektion ge­schützt, und der Krankheitsherd kann ab­heilen. Nach der Be­handlung wird der Pneumothorax wieder ent­fernt.
[2] Die Lungenfürsorgestelle des Staatlichen Gesundheitsamtes befand sich in Freiburg/Br., Albertstraße 4. Vermutlich erfolgte dort auch die Durchleuchtung und Pneumothorax-Behandlung.

Karl Leisner am 28. November 1939 aus dem Gefängnis in Freiburg/Br. an seine Familie in Kleve:
Inzwischen rundet sich morgen die dritte Woche meiner Schutzhaft. Am vergangen Freitag war nochmals ein Herr [Schäfer] der Gestapo hier und hat mich vernommen. Scheinbar war infolge der Aufregung des 9.11.[, dem Tag der Verhaftung,] manches noch nicht klar genug geworden. Es handelt sich um eine Äußerung bezüglich des Attentats am Vorabend, diese wird mir von meinen Beschuldigern zur Last gelegt. – Die Vernehmung war in jeder Hinsicht sachlich und vornehm, und so hoffe ich auf baldige Klärung und Entscheidung der Sache. Ich trage diese mir zuverordnete Haft in größter Ruhe und Geduld. Denn ich bin mir nach ernster Gewissenserforschung keiner Gesinnungslumperei bewußt. Und wer vor Gott bestehen kann, der darf mit Ruhe dem Spruch des irdischen Richters entgegensehen. […] Jetzt zum allgemeinen: Die Krankenzelle ist geräumig, hell und luftig. Die ärztliche Behandlung sehr gut; und nachgefüllt werde ich auch gut und pünktlich. Die gestrige Blutsenkung war gut. Abgesehen von einer Gewichtsabnahme von gut 4 kg ist alles scheint’s gut geblieben. Die Aufregung des ersten Tages, die Luft- und Kostveränderung werden’s bedingt haben. […] Ob die Priesterweihe sein kann, liegt nicht in unserer Hand. Wenn Anfang Dezember keine Klärung erfolgt, wird sie wohl auf später verschoben werden müssen. Das ist zwar schmerzlich, aber nicht zu ändern. Der Herrgott wird’s schon recht machen.

Bernhard Ruby war am 17. Dezember 1939 in Freiburg/St. Peter zum Priester geweiht worden. Mit seiner Mutter besuchte er Karl Leisner am 28. Dezember 1939 im Gefängnis in Freiburg/Br. und spendete ihm den Primizsegen.

Mutter Amalia Leisner, Tante Maria und Frau Elisabeth Ruby besuchten am 6. Januar 1940 Karl Leisner im Gefängnis in Freiburg/Br.

Karl Leisner am 20. Januar 1940 aus Freiburg/Br. an seine Familie in Kleve:
Also, „uns liev Möderken“ [unsere liebe Mutter] ist fröhlich und gestärkt [von dem Besuch im Gefängnis in Freiburg/Br.] heimgekommen – und lacht wieder. Wem kann das größere Freude machen – nach Euch – als mir! Lachen, gesunder Schlaf, fröhliches Herz, „Ruhe im Bauch“, das sind so einige zeitverkürzende und lebensverlängernde „Pillen“, die man täglich umsonst einnehmen kann, auch wenn einem der freie Blick ein wenig eingeengt ist durch Gitterstäbe!

Karl Leisner aus Freiburg/Br. am 12. Februar 1940 an Bernhard Leusder in Everswinkel:
Nächste Woche wird unsere Anstalt [das Gefängnis in Freiburg/Br.] hier freigemacht. Ich komme dann weg. Wohin weiß ich noch nicht. Wie lange das noch dauert, weiß ich auch nicht.

Am 15. Februar 1940 wurde Karl Leisner in das Gefängnis Mannheim verlegt, kam von dort in das KZ Sachsenhausen in Schutzhaft und am 14. Dezember 1940 als Schutzhäftling in das KZ Dachau. Um in der Gefangenschaft nicht auf jegliche Verbindung mit seinen Verwandten und Freunden zu verzichten, suchte Karl Leisner durch Grüße und Glückwünsche zu den Gedenktagen den Kontakt mit ihnen zu halten. An die Mitglieder der Familie Ruby dachte er immer wieder und die Briefe an seine Familie enthielten häufig Beibriefe für sie.

Über die Leisnerstraße hinaus wird der Selige Karl Leisner in Freiburg/Br. in der Hauskapelle von Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch an der Herrenstraße 9 durch ein Karl-Leisner-Relief geehrt.

Siehe hierzu Link zur Hauskapelle in Freiburg

Impressionen zur Leisnerstraße

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Text und nicht ausgewiesene Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv