Duisburg: Karl Leisner in der Kirche St. Joseph im Ortsteil Hamborn

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Seit 1992 ist in der Kirche St. Joseph[1] im Duisburger Ortsteil Hamborn[2] ein Kreuzweg von dem Künstler Bert Gerresheim[3]. Der Künstler hat bei verschiedenen Stationen als Begleitfiguren Personen aus dem 20. Jahrhundert gewählt, die die Kreuzigung in die heutige Zeit übersetzen. Bei der fünften Station ersetzte er Simon von Cyrene durch den Seligen Karl Leisner.

 

 

[1] Moderner, interessanter Kirchenbau; der Entwurf stammte von Prof. Robert Kramreiter (*1905 – †1965) aus Wien, Fertigstellung 1968 und Einweihung 1970; inzwischen Eingemeindung in die Propstei St. Johann in Duisburg-Hamborn.
[2] Erstmalige Erwähnung als Havenburn um 962, seit 1929 nördlicher Stadtteil von Duisburg. In Alt-Hamborn ist die um 900 errichtete Prämonstratenserabtei Hamborn.
[3] Bert Gerresheim (* 8.10.1935 in Düsseldorf) – Düsseldorf – Bildhauer – Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf 19561960 – Studium der Kunstgeschichte, Archäologie u. Germanistik an der Universität in Köln 19601963 – Staatsexamen für das Lehramt an Höheren Schulen 1963 – Deutsch- und Kunstlehrer am Lessing-Gymnasium in Düsseldorf bis 1990 – Er widmet sich ganz seiner Arbeit als Bildhauer. Unter zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt er 1978 den Kunstpreis „Zeitgenössisches Menschenbild“ des Unesco-Komitees. Auf vielen seiner Kunstwerke hat er u. a. auch Karl Leisner dargestellt.

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Die Gestalt Jesu wirkt erschöpft, mit hängenden Armen, den Blick nach unten gerichtet, beinahe teilnahmslos. Karl Leisner, in Häftlingskleidung, stützt mit seinem rechten Arm den Balken, den linken Arm hat er als Gegengewicht in die Hüfte gestemmt. Sein Gesicht ist ernst und gezeichnet. Dennoch wirkt Karl Leisner trotz der langen KZ-Haft nicht gebrochen, er trägt sein Kreuz, folgt Jesus bewusst nach. Gegürtet ist Karl Leisner mit einem Zingulum[1], das an seiner linken Seite herunterhängt. Dieses Attribut ist ein Hinweis auf das einmalige Geschehen in einem KZ, seine heimliche Priesterweihe am 17. Dezember 1944 und seine Primiz am 26. Dezember 1944, seiner ersten und einzigen heiligen Messe, die er in seinem Leben feierte.

[1] Zingulum von cingulum (lat.) = Gürtel: Gürtel zum Schürzen der Albe
Zingulum Elisabeth Ruby schenkte Karl Leisner zum Namenstag ein selbstgewebtes Zingulum. Das Zingulum sollte zum 4. November 1939, dem Fest des hl. Karl Borromaeus, in St. Blasien ankommen, wo sich Karl Leisner zur Ausheilung seiner Krankheit im Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus befand. Auf Grund seiner Verhaftung am 9. November erhielt er das Päckchen erst im Gefängnis von Freiburg.

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Der Kreuzweg besteht aus 14 Stationen, die auf der linken Seite des Kirchenschiffes angebracht wurden. Der Künstler fertigte für jede Station eine Bronzetafel. Bisher hat er Karl Leisner sieben Mal als Simon von Cyrene dargestellt: Als Zeichnung in der Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde in Düsseldorf und aus Bronze im St.-Paulus-Dom in Münster, in der St. Antoniuskirche in Kevelaer, in der St. Johannes-Baptistkirche in Mönchengladbach, in St. Martini in Wesel und seit 2013 in der Deutschen Kapelle in Krakau-Lagiewniki.[1]

[1] Die Beiträge zu diesen Kreuzwegen sind bzw. werden nach und nach auf den Internetseiten des IKLK unter Erinnerungsstätten abgelegt.

St. Joseph in Duisburg-Hamborn

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Mit Hamborn wird Karl Leisner Familie Henning[1], Verwandte mütterlicherseits, verbunden haben, aber auch seine Kurskollegen Wilhelm Hausmann[2], Hans Wahmhoff[3] und Heinrich Kleinen[4], die mit ihm am 1. Mai 1934 in das Collegium Borromaeum eingetreten waren, um Priester zu werden. In seiner Funktion als Diözesanjungscharführer lernte Karl Leisner Franz Ommer[5], den Bezirksleiter von Hamborn, kennen. Mit Heinrich Huyeng[6], der 1939 als Kaplan von der Stiftskirche in Kleve zu St. Johann in Duisburg-Hamborn wechselte, war Karl Leisner besonders verbunden.

[1] Eheleute Clemens Henning (* ?, † 20.1.1983) (Hilfsschullehrer) u. Änne (Anna) Henning, geb. Falkenstein (* 27.1.1898, † 3.12.1986) (Lehrerin) – Hei­rat 26.10.1926 – Neuss, Kölner Landstr. 15 – 1938 wohnhaft in Hamborn, Bleekstr. 24 – 1946 wohnhaft in Diedorf bei Koblenz, Urbachstr. 30 – Sohn Rainer Henning (* ?, † ?)
Walter Henning (* ?, † ?) Verwandter von Familie Clemens Henning – vermutlich iden­tisch mit Dr. med. Walter Henning (* 17.7.1913 in Hamborn, † gefallen 19.1.1945 bei Kielce/PL
[2] Wilhelm (Willy/Willi) Hausmann, in seinem Kurs Väterchen genannt wegen seines Alters, (* 16.10.1912 in Duisburg-Hamborn, † 31.10.1965) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 6.8.1939 in Münster
[3] Johannes (Hans) Wahmhoff (* 31.7.1912 in Duisburg-Beeck, † 15.10.2011 in Oelde) – Ein­tritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Preisträger der Katholisch-Theo­lo­gischen Fakultät in Münster 1938 – Priesterweihe 6.8.1939 in Münster – Im Martyrer­pro­zeß für Karl Leisner hat er 1990 als Zeuge ausgesagt.

[4] Heinrich Kleinen (* 27.8.1914 in Duis­burg-Hamborn, † 10.2.2004 in Goch) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priester­weihe 23.9.1939 in Mün­ster – Ka­plan in Kleve Christus König 1948–1954 – Pfarrer in Uedem 1961–1986 – Einsatz für die Seligsprechung Karl Leisners – Erster Vorsit­zender des IKLK 1975–1987 – Im Martyrerprozeß für Karl Leisner hat er 1990 als Zeuge ausgesagt.
[5] Franz Ommer (* ?, † ?)
Tagebucheintrag vom 28.2.1936: A tempo bis Krefeld-Hauptbahnhof. Dort Matthias [Op de Hipt], Franz Klein („Junior­chef“ des „+ Michael“), BL [Bezirks­lei­ter] von Hamborn Franz Ommer und BL von Geldern Aloys Kempkes getroffen.
[6] Heinrich (Henn) Huyeng (* 12.2.1903 in Emmerich am Rhein, † 12.3.1980) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster Ostern 1922 – Priester­weihe 12.3.1927 in Münster – Kaplan in Duisburg-Ruhrort 1927–1929 – Religi­onslehrer an der Höheren Landwirtschafts­schule in Kleve u. Kaplan an St. Mariä Himmelfahrt 13.4.1929 bis 28.10.1939 – Kaplan in Duisburg-Hamborn St. Johann 1939–1949

Das früheste schriftlich erhaltene Zeugnis von Karl Leisner ist ein Schulaufsatz. Darin beschreibt Karl Leisner einen Ferienausflug mit seinem Vater und seinem Bruder Willi, der sie auch nach Hamborn führte.

Mittwoch, 26. Mai 1926
Unser Ferienausflug.
[…]
Als wir [über Walsum] in Hamborn angelangt waren, fuhren wir mit der M-Bahn zum Altmarkt. Vom Altmarkt gingen wir über die Alleestraße zur Bleekstraße. Bei Tante Änne [Henning] war schon das Essen fertig, und wir konnten sofort zu Mittag essen. Als wir das Essen auf hatten, wurden Ferdinand [Falkenstein] aus Neuß, Willi und ich von Walter Henning photographiert. Nachmittags gingen Walter, Ferdinand, Willi und ich ins Jubiläumsheim zum Mattler-Busch. Beim Mattler-Busch war eine Gartenwirtschaft, dort tranken wir Limonade. Nachdem wir Limonade getrunken hatten, gingen wir zum Mattler-Busch. […] In Hamborn waren viele Fabriken, Hochöfen, ein großer Bahnhof und viele Elektrische. Auch waren eine große Stadthalle und ein großes Rathaus da. – Als Walter die Bilder entwickelt hatte, aßen Ferdinand, Willi und ich zu Abend. Nachdem wir gegessen hatten, gingen wir zu Bett. – Am anderen Morgen gingen Papa, Onkel Clemens [Henning], Willi und ich zum Bahnhof Hamborn-Neumühl. Vom Bahnhof Hamborn-Neumühl fuhren Papa, Willi und ich nach Ruhrort.

In seinen Aufzeichnungen erwähnt Karl Leisner seine Kurskollegen.

Münster, Samstag, 2. Februar 1935, Mariä Lichtmeß
Heut’ abend war der Kreis „Junge Kirche“. W. [Wilhelm] Stammkötter sprach, erzählte ganz prächtig über das Stadt- und Geländespiel. (Fabelhafte Sache!) W. [Wilhelm] Hausmann über Heimspiel (besonders das „Schellenspiel“ zum Quieken!).

Münster, Sonntag, 19. Mai 1935
Per glücklichen „Zufall“ kommt Gerd Tosses mit daher und lädt Willi [Michels] mit ein, von 19.30 bis 20.30 Uhr Emils (de Vries) Namenstag mitzufeiern. Prächtige Sitzung. [Johannes] Wahmhoff und Fritz Häfner funken – ebenso Hein Maags [jun.] mit seinem unersetzlichen „Pastor van Schnorrenbeck“ – fröhlichste Heiterkeit freudiger Gotteskinder – keine Prüderie, sondern herzliche Lebensbejahung.

Münster, Samstag, 20. November 1937
Nach Mittag mit Willi Hausmann („Väterchen“[1]) und Hans V. [Vosselmann] zu Familie Mühlen wegen des Nikolausabends. Guten Kaffee gibt’s. Nett geplaudert.

[1] 1912 geboren, war Willi Hausmann älter als die anderen Kursgenossen von Karl Leisner.

Münster, Sonntag, 12. Dezember 1937, Gaudete
NB war ich mit Hans Wahmhoff bei Bekannten Kaffee trinken.[1]

[1] Hans Wahmhoff durfte zu der ihm bekannten Bäckerfamilie Heinrich Tollkötter im Ha­fenviertel jeweils eine Person zum Kaffee mitbringen. (Information von Hans Wahmhoff vom 4.2.1999 an Hans-Karl Seeger). Am 12.12.1937 war Karl Leisner der „Auserwählte“. Unter dem Namen der 1902 in Münster gegründeten Bäckerei existieren inzwischen zahlreiche Filialen.

Münster, Samstag, 29. Januar 1938
11.00 Uhr Feier der Uni in der Stadthalle. – Buntes Bild. – Hans Wahmhoff wird als erster Preisträger über „Kampf und Friede beim heiligen Paulus“ genannt. Ich freue mich. Der Tag wurde „toll“ gefeiert im C. B. [Collegium Borromaeum].

Ende Mai 1939 wurde bei Karl Leisner eine offene Lungentuberkulose festgestellt und er kam zur Heilung in das Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien. Dort blieb er bis zu seiner Verhaftung am 9. November 1939. Heinrich Huyeng besuchte ihn dort und schrieb ihm zu seinem Namenstag.

Karl Leisner aus St. Blasien am 5. November 1939 an seine Familie in Kleve:
Heinrich Huyeng schrieb mir sehr schön zum Namenstag. Er meint, bald in den Kohlenpott zu kommen.

Karl Leisner aus Dachau am 29. November 1941 an Heinrich Huyeng in Duisburg-Hamborn:
Lieber, werter Heinrich!
Nach zwei Jahren sollst Du wieder mal persönlich von mir hören. Vorerst danke ich Dir nochmals für Deinen herzlichen Geburtstagsgruß [Namenstagsgruß] damals nach St. Blasien. – Er hat mir die ersten Haftwochen sehr guten Dienst getan. Auch an Deinen und Ferdinands [Stegemanns] feinen Besuch in St. Blasien muß ich noch oft denken. Von ganzem Herzen wünsche ich Dir ein frohes Weihnachtsfest und glückselig Neujahr. Vielleicht sehn wir uns dann 1942 wieder. Empfehle uns Deinem brüderlichen Gedenken. Auch Deiner will ich mich jetzt im Advent besonders erinnern beim heiligen Opfer. Frohe Grüße! Dein Karl

Nach seiner Verhaftung am 9. November 1939 kam Karl Leisner über die Gefängnisse Freiburg und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen am 14. Dezember 1940 als Schutzhäftling in das KZ Dachau. Um in der Gefangenschaft nicht auf jegliche Verbindung mit seinen Verwandten und Freunden zu verzichten, suchte Karl Leisner durch Grüße und Glückwünsche zu den Gedenktagen den Kontakt mit ihnen zu halten.

Karl Leisner aus Dachau am 26. Juli 1941, dem Fest der Heiligen Anna, an seine Familie in Kleve:
Heute denke ich an Tante Änne [Henning]. Den lieben Hambornern [Familie Clemens Henning] besonders treue Grüße.

Karl Leisner aus Dachau am 16. Oktober 1943 an seine Familie in Kleve:
Sind [Heinrich] Brey und [Heinrich] Huyeng bisher [vom Militärdienst bzw. von Bedrängnissen durch die Nationalsozialisten] verschont geblieben?

Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv