Am 22. September 1996 wurde das renovierte und erweiterte Pfarrheim der Gemeinde St. Bartholomäus[1] in Essen[2] nach einem Festhochamt in der Kirche als Karl-Leisner-Haus durch Pfarrer Bernhard Kühling eingeweiht. Das 1970 errichtete Pfarrzentrum genügte nicht mehr den gesteigerten Bedürfnissen der wachsenden Kirchengemeinde, darüber hinaus war das Flachdach undicht geworden.
[1] Zur Pfarrei St. Bartholomäus in Essen gehört die Filialkirche St. Marien in Essen-Bevern. Die seelsorgliche Betreuung der Gemeinde wurde von den im Ortsteil Calhorn ansässigen Salesianern übernommen. Zu den Sehenswürdigkeiten der Gemeinde Essen gehört der Altar in der St. Bartholomäuskirche.
[2] Bereits in der jüngeren Steinzeit (3000-1800 v. Chr. G.) war das Gebiet besiedelt. Urkundlich erwähnt wurde Essen im Jahr 968 bei der Errichtung einer Basilika und der Gründung eines Benediktinerinnenklosters. Essen hat ca. 9.000 Einwohner, neben der Ortschaft Essen gehören 18 Bauerschaften bzw. Ortsteile zur Gemeinde.
In einem Pfarrbrief an die Gemeindemitglieder wurde ein Wettbewerb für die Namensgebung des Pfarrheims ausgeschrieben. Pfarrer Bernhard Kühling sagte zu dem bisherigen Begriff „Pfarrzentrum“: „Das Zentrum einer Gemeinde sollte doch der Altar sein.“ Aus einer Reihe von Namensvorschlägen entschieden sich der Kirchenausschuss und der Pfarrgemeinderat für den Namen „Karl-Leisner-Haus“. „Die Person Karl Leisners, der als junger Mensch auch in der Bedrängnis zu seinem Christsein gestanden habe, könne vor allem Jugendlichen ein Vorbild sein“, meinte Pfarrer Bernhard Kühling. Karl Leisner war am 23. Juni 1996 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen worden und das Essener Pfarrheim das erste Gebäude im Offizialatsbezirk Oldenburg, das nach dem Seligen benannt wurde.
Nach einer mehrjährigen Planungsphase wurde das Bauvorhaben durch den Architekten Ignaz Funke aus Steinfeld durchgeführt. Das Investitionsvolumen betrug ca. 1,8 Millionen DM.
Das Ziel, das Karl-Leisner-Haus zu einem geistigen, religiösen und kulturellen Mittelpunkt werden zu lassen, wurde erfüllt. Neben einer Priesterwohnung von 80 qm wurden ein Saal, verschiedene Seminar- und Gruppenräume, Küchen und Kochnischen sowie Lagerflächen für Bastelmaterial usw. eingerichtet.
Im Eingangsbereich hängt neben einer Zeittafel mit den wesentlichen Lebensstationen Karl Leisners das sogenannte Pulloverbild. Am 12. August, dem Gedenktag Karl Leisners, wird in einer Eucharistiefeier des Seligen gedacht.
Die öffentliche Bücherei reicht über zwei Stockwerke. Ein separater Eingang führt zum Pfarrbüro. Insgesamt hat das Haus eine Fläche von 1.050 qm.
Genutzt werden die verschiedenen Räume u. a. vom Pfarreirat, dem Kirchenausschuss, den Senioren und Messdienern, für die Jugendarbeit, zur Kommunion- und Firmvorbereitung, aber auch von Vereinen wie der kfd, dem Kolping oder dem Katholischen Bildungswerk Essen; die VHS führt dort Sprachkurse durch.
Das Oldenburger Land lernte Karl Leisner durch seine Funktion als Diözesanjungscharführer kennen, zu dem er am 17. September 1934 ernannt worden war.
Mit der Gemeinde Essen wird Karl Leisner seinen Mitbruder Heinrich Fresenborg[1], der mit ihm im KZ Dachau inhaftiert war, verbunden haben, darüber hinaus seinen Kurskollegen Bernhard Brengelmann[2], der mit ihm zum 1. Mai 1934 in das Collegium Borromaeum in Münster eingetreten war, um Priester zu werden. Dort lernte Karl Leisner auch durch seine Mitgliedschaft in einer Schönstatt-Theologengruppe den Schönstattpriester Rudolf Klein-Arkenau[3] kennen.
[1] Heinrich Fresenborg (* 2.5.1900 in Essen i. O., † 21.3.1986 in Goldstedt) – Priesterweihe 7.3.1925 in Münster – Er kam wegen Predigt gegen die Sterilisation am 28.11.1941 ins KZ Dachau und wurde am 28.3.1945 entlassen.
[2] Bernhard (Bernd) Brengelmann (* 16.8.1913 in Essen i. O., † 6.11.1999) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 6.8.1939 in Münster
[3] Schönstattpriester Rektor Rudolf Klein-Arkenau (* 12.6.1895 in Brokstreek/Essen i. O., † 7.6.1963 in Koblenz) – Priesterweihe 26.5.1923 in Münster – Diözesanpräses der Schönstattpriester im Bistum Münster 1925 – Tätigkeit im Exerzitienhaus Schönstatt 1933–1950 – Rektor der Marienau in Schönstatt 1950–1960.
Münster, Montag, 25. Juni 1934
13.45 bis 14.45 Uhr „Schönstatts Eigenart und Zeitnähe“, davon sprach Kaplan [Rudolf] Klein-Arkenau problemlockernd und aufwühlend.
Bereits im Dezember 1934 führte Karl Leisner für den Gau Oldenburg einen Jungscharführerkurs in Vechta durch.
Münster, Freitag, 7. Dezember 1934
Jungscharführerkursus für den Gau Oldenburg in Vechta vom 7. bis 9. Dezember 1934
[…] und dann gings am Freitag 7.12. 14.40 Uhr auf den Zug. […] Ich studiere noch mal gründlich das Führerwort, das Wesentliche, und die Hänge des Teuto [Teutoburger Waldes] verschwinden – Weiden- und Moorland. Darüber singt und klingt eine köstliche Abendstimmung. – Durch’s Dunkel (16.45 Uhr) des Abenddämmerns bringt mich das Rad [nach Vechta]. Wald, Moor gespenstert ringsum. […] Dann geht’s zum Antonius-Konvikt.
Vechta, Sonntag, 9. Dezember 1934, 2. Adventssonntag
16.10 Uhr aufs Rad – los. Heidi in schneidiger Fahrt nach Diepholz. 16.49 Uhr dort, 16.56 Uhr Zug BP[-Zug] nach Osnabrück. Dank, Gebet, Freude! […] 19.15 Uhr im Kasten. Noch eben zum Diözesanpräses [Heinrich Roth]: begeisterten Bericht gegeben. Er war erfreut. Dann noch Jupp K. [Köckemann] und Jupp Brink alles erzählt. Auch Arnold M. [Mente] und den andern Oldenburgern [aus dem Studienkurs]. – Vor lauter Begeisterung vielleicht etwas „gestronzt“. – Gut’ Nacht. Ich lag noch etwas wach vor Freud! Deo gratias!
Im März 1935 fuhr Karl Leisner 10 Tage durch das Oldenburger Land, um für die Arbeit in der Jungschar zu werben. Am 14. November 1935 schreibt er dazu:
Und die letzte romantische Motorrad-D-Zug-Fahrt nach Delmenhorst zu den Oldenburger Kerlen! O Du guter großer Gott, was hast Du mir doch für herrliche Tage und Gnaden und aus Deiner Freudenfülle geschenkt – und wie wenig dankbar bin ich doch noch immer – ich danke, danke, danke Dir aus meinem frohen jungen Herzen in heiliger Bereitschaft und Hingabe und Demut, die Du mir reichlich schenken mögest.
Heinrich Enneking, am 13. Januar 1997 an Hans-Karl Seeger:
Somit fühlte er [Karl Leisner] sich für die katholische Jugend des Oldenburger Landes auch verantwortlich. Er unternahm eine Reise mit Zug und [meinem] Fahrrad ins südliche Oldenburger Land. Die nächste Fahrt führte ihn ins übrige Oldenburger Land. Ich stellte mich mit meinem Motorrad zur Verfügung. Wir besuchten die Jugend in Delmenhorst, Oldenburg-Osterburg, Wilhelmshaven und Dinklage. In Delmenhorst und Wilhelmshaven waren viele Jugendliche anwesend, die Karl für die Arbeit in der Jungschar begeisterte.
Nach einer Übernachtung in Wilhelmshaven fuhren wir nach Dinklage. Leider waren die Jugendlichen zu einem falschen Termin eingeladen und so waren keine Jungen gekommen. Es traf sich aber, daß die Kolpingfamilie an diesem Abend im Pfarrheim tagte. Der Leiter der Gruppe bat Karl, er möge doch zu ihnen sprechen. Ohne jegliches Zögern trat Karl ans Rednerpult und hielt einen Vortrag. Ich hätte es nie gewagt. Er zog mit seiner Ansprache alle Anwesenden so in seinen Bann, daß man die gewisse „Stecknadel“ hätte fallen hören können. Von dort fuhren wir weiter nach Sedelsberg, um den Schönstattpriester Rektor [Rudolf] Klein-Arkenau zu besuchen. Es war ein Sonntag und wir kamen während des Hochamtes. Nach dem Gottesdienst lud uns Rektor Klein-Arkenau zum Mittagessen ein, das wir dankbar annahmen.
Münster, Montag, 25. November 1935
Mittags bei Clemens Schulz. Er berichtet von Düsseldorfer Panne: Das Jugendhaus noch immer besetzt. Es wird verbrannt und versiegelt.[1] GS [Generalsekretär Jakob Clemens] sitzt in Moabit! – Unsere Herzen schlagen brennend vor Scham und Schmach. Werden unsere Bischöfe sich das bieten lassen?? – Wutentbrannt gehen Bernd Brengelmann und ich zum Kasten [Collegium Borromaeum] zurück. Ich bin erst so recht keiner Arbeit fähig.
[1] Zahlreiche Akten wurden von der Gestapo beschlagnahmt und das Haus versiegelt.
Münster, Mittwoch, 5. Februar 1936
Lager der katholischen theologischen Fachschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Schloss Heessen.
Heessen, Donnerstag, 6. Februar 1936
Dann zieh’ ich mit Bernd Brengelmann los zur Freilichtbühne. Zu [Professor Michael] Schmaus’ Vortrag kommen wir etwas zu spät.
Im Sommer 1938 fuhr Karl Leisner mit seiner Münsteraner Schönstatt-Theologengruppe und weiteren Schönstatt-Theologen erneut ins Oldenburger Land zu einem Treffen bei seinem Kurgenossen Heinrich Enneking und dessen Schwester Rosalia Austing in Oldorf bei Damme.
Am 9. November 1939 wurde Karl Leisner im Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien verhaftet und kam über die Gefängnisse Freiburg und Mannheim am 16. März 1940 in das KZ Sachsenhausen und am 14. Dezember 1940 als Schutzhäftling in das KZ Dachau. Um in der Gefangenschaft nicht auf jegliche Verbindung mit seinen Verwandten und Freunden zu verzichten, suchte er durch Grüße und Glückwünsche zu den Gedenktagen den Kontakt mit ihnen zu halten.
Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 25. Januar 1942, an seine Familie in Kleve:
Allen drei guten Gruß! […] Auch Kl. Arkenau [Rudolf Klein-Arkenau] und Mutter [Mta]! Wie geht’s Onkel Josef [Kentenich] dort [in Schönstatt]?[1]
[1] Am 20.1.1942 war die Entscheidung gefallen, dass P. Joseph Kentenich SAC sich nicht mehrdem Arzt zu einer zweiten Untersuchung, die einen Aufschub zur KZ-Einweisung hätte bedeuten können, vorstellen würde und bereit war, ins KZ Dachau zu gehen.
Rudolf Klein-Arkenau besuchte nach Aussagen in seinem Tagebuch „die Eltern des in Dachau befindlichen Karl Leisner in Kleve“ in der Woche nach dem 21. Juni und gab ihnen vermutlich Geld für Karl Leisner.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 11. Juli 1942, an seine Familie in Kleve:
[Rudolf] Klein-Arkenau innigen Dankesgruß! Die beiden Josefs halten sich prächtig, das ist fein.[1]
[1] Nachricht für Rudolf Klein-Arkenau, dass es P. Joseph Kentenich SAC und P. Josef Fischer SAC im KZ Dachau gut geht.
Karl Leisner aus Dachau Samstag, 15. Mai 1943, an seine Familie in Kleve:
An [Rudolf] Klein-Arkenau und P. [Ferdinand] Kastner [SAC] treue Maiengrüße.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 17. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
Wenn Paula und Elisabeth mal von Frankfurt/M. einen Sonntagsausflug ins schöne Rheintal machen und über Vallendar [Schönstatt] kommen, mögen sie [Rudolf] Klein-Arkenau und P. Ferdinand Kastner [SAC] dort recht herzlich und dankbar grüßen.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 2. Oktober 1943, an Heinrich Tenhumberg als Soldat und an seine Familie in Kleve:
Mein lieber Heini!
[…] Grüß’ mir jeden einzelnen [Kursgenossen:] Alois [Hegemann], Bernhard [Leusder], Heini [Enneking], Ornd [Arnold Mente], Tönne [Anton Völkering] usw. und auch Bernhard Burdewick sowie [Rudolf] Klein-Arkenau. […]
Meine Lieben!
An [Rudolf] Klein-Arkenau für die 100,00 RM besten Dank.
Donnerstag, 24. August 1944
Rudolf Klein-Arkenau besuchte nach Aussagen seines Tagebuches Familie Wilhelm Leisner in Kleve, laut Vater Leisner brachte er Geld für Karl.
Am 17. Dezember 1944 wurde Karl Leisner heimlich im KZ Dachau zum Priester geweiht, ein einmaliges Geschehen in einem Konzentrationslager. Mit den anderen inhaftierten Priestern der Diözese Münster legte Heinrich Fresenborg bei der Weihe Karl Leisner die Hände auf. Auf einem Glückwunschzettel, den 30 Priester aus der Diözese Münster in lateinischer Sprache unterschrieben haben, ist sein Name aufgeführt, daneben hat er auf einer Glückwunschkarte mit einem allgemeinen Bischofswappen und dem Wahlspruch[1] des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, unterschrieben sowie in einer Gratulationsmappe mit den Unterschriften von 239 Priestern.
[1] Nec laudibus nec timore – Weder für Lob noch aus Furcht
Impressionen zum Karl-Leisner-Haus
Einweihung 1966
heutiger Zustand
Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv