Am 11. November 1984 wurde das neue Pfarrheim der Gemeinde St. Barbara in Wellendorf[1] durch Weihbischof Theodor Kettmann eingeweiht. Er gab dem Pfarrheim die dreifache Aufgabe: „Sammlung, Orientierung und Sendung“. Nach einem festlichen Gottesdienst in der St. Barbarakirche übergab der Architekt Hermann Josef Nikolaus Pfarrer Hubertus Herrmann einen symbolischen Schlüssel.
[1] Wellendorf hat ca. 1.600 Einwohner und gehört seit dem 1.7.1972 zur Gemeinde Hilter, Landkreis Osnabrück.
Das Pfarrheim liegt an der Barbarastraße 6, in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche. Die Benennung des Hauses nach Karl Leisner wurde mehrheitlich von den Gremien der Pfarrgemeinde beschlossen. Vorausgegangen war ein längerer Entscheidungsprozess unter Beteiligung der gesamten Gemeinde St. Barbara. Im Gespräch waren Don-Bosco-Haus, Lübecker Kapläne-Haus, Damian-Deveuster-Haus, Marien-Heim, aber auch – wofür sich die Gemeindemitglieder mehrheitlich mit gleicher Stimmenzahl entschieden – St. Barbara-Haus nach der Kirchenpatronin und Karl-Leisner-Haus. Der damalige Pfarrer Hubertus Herrmann hatte sich, nachdem er das Buch „Stephanus heute“ von Otto Pies SJ[1] gelesen hatte, immer wieder mit dem Leben Karl Leisners beschäftigt und dessen Namen mit der Begründung ins Gespräch gebracht: „Wir müssen auch die christlichen Zeitzeugen (NS-Zeit) bekannt werden helfen; Karl Leisner ist ein großer Christus-Liebender, ein beeindruckendes und begeisterndes Vorbild für junge Christen, ein Beispiel für christlich-kirchliche Jugendarbeit.“[2] Schließlich erhielt das neue Pfarrheim den Namen Karl-Leisner-Haus und das ehemalige Jugendheim wird seitdem Barbaraheim genannt.
[1] Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ (* 26.4.1901 in Arenberg bei Koblenz, † 1.7.1960 in Mainz) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu am 14.4.1920, Priesterweihe am 27.8.1930 – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klosteraufhebung von der Gestapo verhaftet – Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Gefängnis in Dresden ins KZ Dachau. Dort teilte er sich einen Spind mit Karl Leisner und kümmerte sich intensiv um Karl Leisner. – Von P. Otto Pies’ SJ zahlreichen Veröffentlichungen sind die Biographie „Stephanus heute“ über Karl Leisner und das Gebetbuch „Im Herrn“ die bekanntesten.
[2] Brief von Hubertus Herrmann an den Präsidenten des IKLK, Hans-Karl Seeger, vom 18.9.1997
An dem Bau des Karl-Leisner-Hauses beteiligten sich zahlreiche Gemeindemitglieder mit ca. 10.000 Arbeitsstunden. Das Gebäude umfasst einen teilbaren Saal für ca. 80 Personen, einige Gruppenräume und eine Küche. Die ehemalige Hausmeisterwohnung im Dachgeschoss wird inzwischen anderweitig vermietet.
Das Pfarrheim wird von der gesamten Gemeinde genutzt. Dazu gehören der Kirchenvorstand, die Messdiener, Senioren, Frauen- und Tanzgruppen, aber auch Krabbelgruppen, verschiedene Vereine wie der Kolping oder die kfd und der Kirchenchor. Die Pfarrjugend ZAK (Zukunftsorientierter Arbeitskreis) hat im Keller des Hauses eigene Räume gestaltet.
Von der „Projektgruppe Karl Leisner“ wurde eine Tafel mit Fotos und den wesentlichen Lebensdaten Karl Leisners erstellt, die heute noch im Eingangsbereich des Pfarrheims hängt. Linker Hand davon ist eine Collage angebracht, die Pfarrer Herrmann bei seiner Emeritierung dem Heim schenkte.
Im Dezember 1997 wurden die Mitglieder des IKLK durch den Rundbrief Nr. 36, Seite 77, über das Karl-Leisner-Haus in Wellendorf informiert.
Den Aufzeichnungen Karl Leisners ist nicht zu entnehmen, dass er Wellendorf oder die Gemeinde Hilter kennengelernt hat oder eine sonstige Beziehung dazu hatte. Auf seinen Fahrten kam er jedoch mehrfach durch den Teutoburger Wald[1].
[1] Der Teutoburger Wald, kurz Teuto genannt ist ein bis 446 m hoch aufragender Mittelgebirgszug in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Er beginnt am Eggegebirge mit Fortsetzung über Oerlinghausen, Bielefeld, Tecklenburg bis Bevergern und ist Standort des „Hermannsdenkmals“, der „Externsteine“ und der „Dörenther Klippen“ mit dem „Hockenden Weib“.
Erstmalig erwähnt Karl Leisner den Teutoburger Wald im August 1929, als die Jungen unter der Leitung von Walter Vinnenberg[1] nach Rügen fuhren.
[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen v. 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
Telgte, Dienstag, 6. August 1929, 4. Tag
Von Münster gings mit dem Beschleunigten Personenzug bis Lengerich. Dort sahen wir Ausläufer des Teutoburger Walds liegen. Auch viele Fachwerkhäuser waren hinter Lengerich. Hinter Lengerich, wo viele Kalk- und Zementfabriken sind [zum Beispiel die Dyckerhoff AG], war ein ziemlich langer Tunnel. Von Lengerich gings weiter über Osnabrück – Diepholz – Syke.
Im August 1931 fuhr Karl Leisner mit einigen Jungen mit dem Fahrrad durch den Teutoburger Wald. Es gibt nur wenige Notizen dazu, da das zugehörige „Teutofahrtenbuch“ von der Gestapo beschlagnahmt und nicht wiedergefunden wurde.
Die „Teutofahrt“ 1931
Auf den Seiten 80f. des Tagebuchs Nr. 5 sind die Ausgaben und Einnahmen während der Teutofahrt eingetragen. Vermutlich verlief die Fahrt wie folgt[1]:
[1] In Klammern stehen die Bildunterschriften und Daten, die Walter Vinnenberg unter der Überschrift „August 1931, Lager an der Ems und Fahrt in den Teuto mit Jungens aus Cleve und von der Heimschule [in Maria Laach]“ in sein Fotoalbum eingetragen hat.
Telgte [Flottenfahrt 5.8.31] – Glandorf – Bad Iburg – Borgholzhausen [Vor der Jugendherberge in Borgholzhausen 8.8.] – Ravensberg [auf dem Turm der Burg Ravensberg 8.8.] – Bielefeld (Sparrenburg) – Oerlinghausen – Hermannsdenkmal [Der „Hermann“ in Sicht! 10.8.] – Detmold [„Hans Schluff“ (Franz Ebben) in Detmold 11.8.] – Externsteine [11.8.] – [Auf der Westfälischen Landeseisenbahn (Sennelager) 13.8.] Paderborn [Wieder an der Ems]
Auf dem Turm der Burg Ravensberg am 8. August 1931
Karl Leisner obere Reihe zweiter von links
Während der Osterferien 1932 fuhr Karl Leisner mit seinem Bruder Willi und Hermann Mies nach Münster zu Walter Vinnenberg und nach Telgte. Sie machten einen „Abstecher zum Teuto“.
Münster, Donnerstag, 31. März 1932, 3. Tag
Walter hatte uns vorgeschlagen, einmal einen Abstecher zum „Teuto“ [Teutoburger Wald] zu machen. […] In Richtung Tecklenburg ging’s weiter. Bald rutschten wir von der Landstraße ab auf Feldwege. Bei einem Bauern bekamen wir gratis einen Pott voll Magermilch. Wir versuchten mit allen Finten und vielen Streichhölzchen ein Feuer „spitz“ zu bringen, aber das Holz war saunaß. Es nützte nichts. Wir mußten die Milch so trinken und futterten Dörrobst dazu. Bald waren wir in Tecklenburg. Der Teuto beginnt hier seinen langen Gebirgszug. Wir „krühjten den Beäg op“ [wir mühten uns den Berg hinauf] und sahen uns das Städtchen an. – In sausender Fahrt ging’s zu Tal. Es regnete zur Abwechslung mal wieder jämmerlich. – Bald waren wir hinter Lengerich. Jetzt ging’s durch saudreckige, hochwasserführende Feldwege auf Westbevern zu.
Am 17. September 1934 wurde Karl Leisner zum Diözesanjungscharführer für das Bistum Münster ernannt. In dieser Funktion hielt er einen Jungscharführerkurs in Vechta.
Münster, Freitag, 7. Dezember 1934
Jungscharführerkursus für den Gau Oldenburg in Vechta vom 7. bis 9. Dezember 1934
[…] Heijo wir fahren! BP-Zug Lengerich[1]: Leise Gedanken an unsre Rügenfahrt klingen an und an die Tage, wo Manes [Hermann Mies], Willi und ich – nach dem Austritt aus der Gruppe dort herumgondelten für einen Tag. Schön war die Zeit – doch jetzt ist’s noch schöner! – Schenken dürfen – Gott gib Gnade, aus Deiner Kraft nur geht’s. […] In Osnabrück vor dem Bahnhof wundervolle Abendstimmung: Vom herbst-winterlichen rot-hellweißstrahlenden Abendsonnenhimmel hebt sich ab die Stadtsilhouette mit dem „ungleichtürmigen“ Osnabrücker Dom[2], meinem lieben „alten Bekannten“ vom vorigen Jahr (Baltrum-Fahrt). […] Weiter auf den Zug (ich Kamel hätte 0,20 RM sparen können, wenn ich gleich Radkarte M.-Dieph. [Münster-Diepholz] gelöst [hätte]!). Ich studiere noch mal gründlich das Führerwort[3], das Wesentliche, und die Hänge des Teuto [Teutoburger Waldes] verschwinden – Weiden- und Moorland.
[1] In Lengerich kreuzten sich damals die Bahnlinien Münster-Hamburg und Ibbenbüren-Paderborn.
[2] Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg waren der kleine Turm mit einer Renaissance- und der größere mit einer Barock-Haube gedeckt.
[3] vermutlich: Jungführer 1934: 287f.: 1. Zu Führerwort und Besinnung
Nach dem Sommer 1935 hält Karl Leisner Rückblick auf die Semesterferien, in denen unter anderem eine „Teutofahrt“ mit Jungschärlern stattfand.
Nachtrag / Fortsetzung. (Rückblick auf die Ferien)
Vier Monate Ferien neigen sich dem Ende zu – Zeit der Freiheit, der Fahrt, des Suchens, des Ringens.
Tagtäglich zwischen Licht und Finsternis!
[…] Und dann kam die Klever Kirmeswoche [ab 14.7.] mit der herrlichen Teutofahrt [Fahrt in den Teutoburgerwald] mit Hans Seeger, der kurz drauf untreu wurde, ich hoffe aber nicht Christus![1] Gerd Tünnißen, Miggi Schlauter, Josef Haas und – als Gast: Schnorr (Willi Meyer). Wieviel Freude und Neues mit den jungen Kerlen, die ich als Jungschärler schon kannte. Und unterwegs: was für feine echte deutsche Bauern getroffen. – Wieviel herzliche Gastfreundschaft!
[1] Vermutlich war Hans Seeger gezwungenermaßen in die HJ eingetreten.
Impressionen zum Karl-Leisner-Heim in Wellendorf und zu dem angrenzenden Teutoburger Wald
Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv