Mannheim: Karl-Leisner-Plastik im Haus der Begegnung im Ortsteil Gartenstadt

Seit Anfang 2000 gibt es in dem zum Schönstatt-Zentrum Mannheim-Gartenstadt gehörenden Haus der Begegnung eine Karl-Leisner-Plastik von dem Künstler Johannes Potzler[1].

[1] Bildhauer Johannes Raphael Potzler, geb. 1957 in München, Akademie der Bildenden Künste, Studium der Kunstgeschichte, Ausstellungen u. a. in München, Fulda, Regensburg, Bamberg; u. a. Bronzearbeiten (z. B. Plastiken, Kreuze, Kreuzwege, Heiligenfiguren)

 

 

Es handelt sich dabei um den achten Guss eines Bronzereliefs, das seit 1997 im Heiligtum der Schönstattpriester auf dem Berg Moriah in Simmern ist. Gestiftet wurde es von Pfarrer Fridolin Matt[1] und seiner Schwester Afra Matt[2].

[1] Pfarrer Fridolin Matt (*7.12.1937, † 28.12.2012) lebte zu diesem Zeitpunkt mit seiner Schwester Afra in der Pfarrei St. Elisabeth in Mannheim-Gartenstadt.
[2] Afra Matt arbeitet inzwischen in dem Haushalt von Erzbischof em. Robert Zollitsch in Freiburg, in dessen Hauskapelle sich ebenfalls eine Karl-Leisner-Plastik von Johannes Potzler befindet.

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Das Haus der Begegnung am Rottannenweg 41 wurde von der Schönstattfamilie Mannheim-Gartenstadt in Eigenleistung errichtet und 1994 eingeweiht. Das Karl-Leisner-Relief hängt in einem großen Versammlungsraum, der nach dem Begründer der Schönstattbewegung, Pater Joseph Kentenich SAC benannt wurde. Darüber hinaus gibt es in dem Haus neben einer Küche und einem Jugendraum noch zwei Gruppenräume und ein kleines Gesprächszimmer.

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Auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks befindet sich die Schönstattkapelle, das „Marienheiligtum“ des Dekanates Mannheim, das bereits 1954 in Eigenleistung gebaut wurde.

Beschreibung und Deutung der Bronzeplastik
Auf der Plastik ist unverkennbar der Oberkörper Karl Leisners abgebildet, mit der Aufschrift „VICTOR IN VINCULIS“, dem Geburtsjahr 1915, dem Sterbejahr 1945 und den Attributen Stacheldraht, Gitarre, der Eucharistie und einem leeren Blatt mit der Unterschrift Karl Leisners, symbolisch für die Blankovollmacht[1].
Victor in vinculis (Mariae) – Sieger in Fesseln (Mariä)
Die Schönstattgruppe im KZ Dachau unter Führung von Heinz Dresbach und später Hermann Richarz, zu der auch Karl Leisner gehörte, begann in der Fastenzeit 1944 mit der Suche nach ihrem Gruppenideal und entschied sich für den Vorschlag von Robert Pruszkowski „Victor in vinculis (Mariae)“. Die Idealsuche war stark inspiriert von der Spiritualität der Marianischen Werkzeugfrömmigkeit, über die P. Joseph Kentenich SAC im Früh­jahr 1944 eine Studie diktierte. Es geht um die Bindung an Maria im Sinne des Werkzeu­ges, der Vernetzung. Maria steht als Symbol für den Dreifaltigen Gott.
P. Makarius Spitzig OSB schnitzte im KZ Dachau ei­nen Bi­schofsstab mit dem Wappen von Bischof  Gabriel Piguet und der In­schrift Victor in Vinculis.
Der Stacheldraht symbolisiert die fünfeinhalbjährige Gefangenschaft Karl Leisners und sein Leiden aufgrund der Lungentuberkulose, an deren Folgen er am 12. August 1945 starb.
Die Gitarre auf der Plastik mag verwundern, weist jedoch auf die frohe Natur und das positive Denken und Handeln Karl Leisners hin. Nicht nur die Jugend begeisterte er mit seiner Gitarre, sondern auch seine Mithäftlinge im KZ Dachau. Am 9. März 1941 wünschte er die Zusendung seiner Gitarre in das KZ. Er bestätigt später die Ankunft der Gitarre und daß sie ihm und den Kameraden Freude bereitet. Am 18.10.1941 schreibt er seiner Familie: Heut’ abend klamp­fen und singen wir. Heiho!
Zur Hostie schreibt Georg Egle[2] in der Dezember-Ausgabe 1997 der Schönstätter Monats-Zeitschrift „basis“: „Unübersehbar auf dem Relief ist eine Hostie, die Karl Leisner in seiner Rechten hält. Sie spricht von seiner Christusliebe, seiner jugendlichen Leidenschaft und priesterlichen Hingabe an Jesus Christus. Als Diakon hat Karl unter Lebensgefahr kranken Häftlingen die heilige Kommunion gereicht. Er ist der einzige Häftling, der in einem Konzentrationslager der Nationalsozialisten zum Priester geweiht wurde. Dort feierte er seine erste und einzige Heilige Messe.“
Zum Blankoscheck schreibt Egle: „Links unten im Bild ist ein Blatt mit der Unterschrift von Karl Leisner zu sehen. Mit den Mitgliedern seiner Münsteraner Theologengruppe hatte Karl im Jahr 1939 der Gottesmutter Maria die freie Verfügung über sein Leben angeboten. In dieser Haltung hat er in Gefängnis und Konzentrationslager gelebt.“
Vermutlich sprachen die Schönstätter unter den Diakonen, zu denen Karl Leisner gehörte, am 25. März 1939 nach der Diakonenweihe folgendes Weihegebet:
Liebe dreimal wunderbare Mutter von Schönstatt! Der Kurs Münster 1939 dankt Dir seine Berufung zum Priestertum und zum Bund. In Dankbarkeit geben wir Dir Gewalt und Vollmacht über uns; tue mit uns, was Du willst und wie Du es willst. Sende uns vom Altar in den Alltag und laß uns leben nach dem Gesetz: Sacerdotem oportet offerre.[3]

[1] Mit einer Blankovollmacht geschieht gemäß der Schönstatt-Spiritualität eine vertiefte Hingabe an die Gottesmutter Maria im Liebesbündnis. P. Joseph Kentenich SAC hat diesen der Wirtschafts­sprache entlehnten Begriff nach eigener Aussage einem Artikel von P. Peter Lippert SJ entnommen und kreativ angewandt. P. Peter Lippert SJ verwendete diesen Be­griff, um das FIAT – mir geschehe – der Gottesmutter zu deuten. Im Bild gesprochen geht es um das vertrauensvolle Ausstellen eines Blankoschecks. P. Joseph Kentenich SAC verwandte den Begriff ca. ab Februar 1939 bei den Marienschwestern, bevor er im Oktober 1939 öffentlich wurde.
[2] Georg Egle ist Leiter der Schönstatt-Bewegung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
[3] Im Nachlaß von Heinrich Tenhumberg findet sich dieses kurze Weihegebet, das die Gruppe vermutlich im Sinne der Blankovollmacht ver­standen hat. In der An­rufung der Gottesmutter fehlt noch „und Königin“, die erst nach der Krönung des Marienbildes in Schönstatt Ende 1939 eingefügt wurde.
Der Begriff „Blankovollmacht“ bürgerte sich erst im Laufe des Jahres 1939 ein. Im Weihegebet fehlt noch „et offerri“, das nach der Verhaftung Karl Leisners eingefügt wurde.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 6. April 1941 an Heinrich Tenhumberg[1]:
Danke Euch für Euer Brudergedenken. Ich spür’s jeden Tag. Unsere gute Mutter [Mta] sorgt für uns alle, für den verlorenen Sohn besonders. Beim Blankoscheck bleibt’s.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 2. Oktober 1943 an Heinrich Tenhumberg:
Am 18. sind’s vier Jahre, daß Ihr daheim [in Schönstatt] versammelt wart und alles blank machtet. Damals konnte ich nur im Geiste mittun.

[1] Bischof Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Karl Leisners Schön­stattgruppenführer im Collegium Borromaeum in Münster – Bi­schofsweihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bischof von Münster 7.7.1969 bis 16.9.1979

Impressionen zum Haus der Begegnung

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Die Beiträge zu den Karl-Leisner-Plastiken von Johannes Potzler werden nach und nach veröffentlicht.

siehe bereits folgende Links

Link 1

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Karl Leisners Beziehungen zu Mannheim beschränken sich auf seinen Gefängnisaufenthalt dort und seine Anforderung durch das Wehrbezirkskommando Mannheim an das KZ Dachau zur Ableistung des Wehrdienstes.

Aufgrund einer unbedachten Äußerung zum Attentat auf Hitler am 8. November 1939 gegenüber einem vertrauten Mitpatienten wurde Karl Leisner im Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien, wo er sich zur Ausheilung einer Lungentuberkulose aufhielt, am 9. November 1939 verhaftet und kam über das Gefängnis Freiburg am 15. Februar 1940 in das Gefängnis Mannheim[1]. Am 16. März 1940 wurde er von dort in das KZ Sachsenhausen verlegt und am 14. Dezember 1940 in das KZ Dachau.

[1] Die Justizvollzugsanstsalt Mannheim ist heute ein Kulturdenkmal. Errichtung des großherzoglichen Lan­desgefängnisses Herzogenried 1905 – periodenhafte Fertigstellung des fünfflügeligen Baus 1909–1918

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Das Gefängnis in Mannheim an der Herzogenriedstraße 111 diente, wie zahlreiche andere Haftanstalten auch, als Durchlaufstation für Transporte in die verschiedenen Konzentrationslager.

Karl Leisner aus Mannheim, Herzogenriedstraße 111, Krankenhaus, Sonntag, dem 18. Februar 1940, an seine Familie in Kleve:
Es ist ein herrlicher Sonntagmorgen. Goldene Morgensonne leuchtet in unse­ren großen Krankensaal der Tbc-Station des Gefangenenkrankenhauses, wo ich seit Donnerstagabend [15.2.] untergebracht bin. Am Donnerstag früh 4.00 Uhr weckte mich der Aufseher im Freiburger Krankenhaus [auf der Krankenstation im Gefängnis in Freiburg/Br.]. Frisch raus, gewaschen, einen Schluck schwarzen Kaffee hinter die Binde gegossen und dann angetreten zum sogenannten „Schub“. 4.50 Uhr MEZ startete unser BP[-Zug]. Zu acht Mann kamen wir in ein Kabinett [Abteil]. Zu Anfang war es recht nett, später wurde es etwas arg schwere Luft – und so kam ich abends ziemlich „schachmatt“ gegen 18.00 Uhr hier an. – Nach dem üblichen Empfangszeremoniell steckte man mich dann in eine frische Einheitsmontur der Krankenabteilung. Kurze Begrüßung, zackiger Bettenbau, noch eine kleine Stärkung (unterwegs bekamen wir zu unserem Kommiß[brot] mit Wurst in Karlsruhe Hauptbahnhof eine gute Suppe), und dann hab ich „gepennt“ wie nach einem ganz schweren Tag früher auf Fahrt oder im RAD, wenn wir im Moor einen Tag „ge­kuhlt“ hatten. – Eins weiß ich nun doch wenigstens, seit ich hier bin: meine Haft nennt sich Untersuchungshaft (und zwar bisher polizeilich[1]).

[1] Die Gestapo verwandte den Begriff Schutzhaft. Sie konnte zugreifen, selbst wenn das ordentliche Gericht zu einem Freispruch kam oder ein Verurteilter seine Strafe verbüßt hatte.
Die Verordnung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 setzte die politi­schen Grundrechte der Weimarer Reichsver­fas­sung außer Kraft. So ermöglichte sie u. a. die Schutzhaft und die Einrichtung von Konzen­tra­tions­lagern.

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Karl Leisner aus Mannheim am Samstag, dem 24. Februar 1940, an seine Familie in Kleve:
Jetzt bin ich schon wieder eineinhalb Woche im neuen Quartier. Aus der ersten Nachricht habt Ihr das Wichtigste ersehen. […] Mein Brevier kann ich beten und ich weiß jetzt die Stunden, wo die anderen schlafen oder ruhig sind. Die nütze ich dann aus. – Für die äußeren Dinge, die jetzt zu tun sind, war meine Arbeitsdienstzeit ein vorzügliches Training. Dort ist man hart geworden und etwas (manchmal etwas viel) von dieser Härte gereicht einem hier zum Besten. Auch die Zeit der Sanitäterausbildung [1934 in Münster] und des Krankendienstes blüht ein wenig wieder auf: einen schwerkranken Mitgefangenen darf ich mit dem Stubenältesten zusammen pflegen. Das ist für mich eine große Freude und Geduldsprobe zugleich. […] Vielleicht fragst Du, lieber Vater, mal bei der Gestapo in Freiburg/Br. an, was eigentlich gegen mich vorliegt, und ob ein Rechtsanwalt genommen werden kann. – Ich werde nämlich aus dem ganzen nicht klug. In Freiburg sagte man mir, ich sei in Schutzhaft, hier spricht man von Untersuchungshaft. Und Jurist bin ich ja keine Spur.

Karl Leisner aus Dachau am Montag, dem 10. Februar 1941, an seine Familie in Kleve:
Ein Jahr ist’s jetzt her, daß ich von Freiburg/Br. [am 15.2.1940] nach Mannheim kam. Ganz toll, wie die Zeit vergeht.

Im Frühjahr 1944 forderte das Wehrbezirkskommando Mannheim Karl Leisner zur Ableistung des Wehrdienstes an. Mit der Einberufung wird Karl Leisner die Möglichkeit verbunden haben, in Freiheit zu gelangen und seine Krankheit auszuheilen.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am Sonntag, dem 21. Mai 1944, an seine Familie in Kleve:
Und jetzt möchte ich Dir, lieber Vater, eine prächtige Nachricht auf den Namenstagstisch legen [am 28.5., dem Fest des hl. Wilhelm von Aquitanien,]: Mein Wehrbezirkskommando Mannheim hat mich angefordert[1], und ich wäre wahrscheinlich sogar schon im Wehrdienst, wenn unser Chefarzt hier mich [am 11.5.1944] hätte tauglich schreiben können. Das ging aber zu meinem größten Schmerz noch nicht auf Grund meines derzeitigen Krankheitsbefundes.

[1] Vermutlich lag die Zuständigkeit in Mannheim auf Grund von Karl Leisners dortiger Gefängnishaft (15.2. bis 16.3.1940).

Text und Fotos Christa Bockholt