Am 1. August 1999 weihte Regionalbischof Heinrich Janssen die Karl-Leisner-Gedächtnisstätte auf dem Gelände des Schönstattzentrums Oermter Marienberg[1] ein.
[1] Zum Schönstattzentrum Oermter Marienberg gehören neben dem Schönstattkapellchen ein Tagungshaus mit Veranstaltungsräumen und Gästezimmern, sowie ein großer Kreuzweg. Die Einrichtungen wurden 1982 von der Schönstattbewegung am Niederrhein erworben.
Der Weihbischof sagte unter anderem dazu: „Wir setzen ein Zeichen der Erinnerung. Der gemauerte Stein mit den Bildern, Daten und Worten von Karl Leisner ist Wegzeichen. Es gibt Auskunft über das Lebensziel und lädt ein, diesen Weg mitzugehen.“
Kurz nach der Seligsprechung Karl Leisners am 23. Juni 1996 durch Papst Johannes Paul II. fasste der Familienrat der Schönstattfamilie der Diözese Münster, Region Niederrhein, den Entschluss, auf dem Oermter Marienberg eine Gedächtnisstätte für Karl Leisner zu errichten. Er wollte damit den Wunsch des Papstes sowie von Bischof Reinhard Lettmann umsetzen, die Erinnerung an Karl Leisner als Vorbild der Jugend Europas wachzuhalten.
Die Gedächtnisstätte wurde unter zwei mächtigen alten Buchen errichtet. Das Denkmal besteht aus vier lebensgroßen schwarzen Marmorplatten, die von rotem Klinker eingefasst sind. Die vier Platten dokumentieren Lebensabschnitte sowie Daten Karl Leisners und werden jeweils abschließend um Zitate aus Karl Leisners Tagebüchern ergänzt.
Die erste Platte erinnert an seine Kindheit und Jugend in Kleve, sein Wirken als Gruppen-, Bezirks- und Diözesanjungscharführer im Bistum Münster, an seinen ersten Besuch in Schönstatt, sein Theologiestudium in Münster und Freiburg und seine Zeit im Reichsarbeitsdienst. Unter den Lebensdaten steht: „Vater, wohin du mich stellst, da will ich stehen.“
Münster, Mittwoch, 6. April 1938
Mit Christus kann man leben. Nach Seinem Gnadenruf hat man zu horchen. Ihm Gefolgschaft geloben im Glauben an Ihn und Seinen Ruf an dich – das macht glücklich, das erfüllt das Leben. Ohne Opfer und letzten, selbstlosen Verzicht aber geht das nicht. – Deshalb spreche ich ihn aus, spreche Ja zu Christi Ruf und Forderung. – Den geliebten Menschen will ich stets Seiner Führung und besonderen Gnade und Güte anbefehlen. Das sei mir Lebens- und Dankespflicht. – Nicht aus Feigheit, irgend etwas anderes nicht zu können, will ich verzichten, sondern weil ich ganz Gottes Ruf gehorsam sein möchte. Wohin Er mich im einzelnen haben will, da möge Er selbst zusehen. […] Lenke Du mich in Deiner Liebe! Und ich will hingehn, wohin Du mich führst [vgl. Joh 21,18]. Will dort stehn, wohin Du mich stellst. Ich möchte Dein Priester, Künder Deiner Frohbotschaft, Dein Gesalbter werden, weil ich Deinen Ruf zu hören meine. – Wohin Du mich stellst, da will ich stehn. Gib mir Deinen Rat und Deine Kraft dazu! Amen.
Auf der zweiten Platte ist Karl Leisner als Gefangener im KZ Dachau zu sehen. Neben den Geburts- und Todestagen sind die Daten der Beisetzung in der Krypta des Xantener Doms und der Seligsprechung aufgeführt. Darunter steht der Tagebucheintrag: „Das ist meines Lebens letzter Sinn, Christus zu leben in dieser Zeit.“
Münster, Montag, 24. Januar 1938
O ja, das war ein herzenweckender Vortrag von P. Bernardin [Goebel OFMCap] über das Taufbewußtsein. Wir leben in Christus, wir leben Christus! Tun wir das wirklich. Das ist meines Lebens letzter Sinn, Christus zu leben in dieser Zeit! Christus, wenn Du nicht bist, dann möchte ich nicht sein. Du bist, Du lebst. Nimm mich hin, verfüge ganz über mich. Laß Dein Handeln und Wandeln durch mich und uns alle heute Tat werden.
Christus, Christus, Christus! Du bist mein Leben, meine Liebe, meine innerste Glut!
Die dritte Marmorplatte zeigt Karl Leisner im Priestergewand und erinnert an das einmalige Geschehen einer Priesterweihe in einem KZ, an die Primiz, seine erste und einzige Messe, die er gefeiert hat, an die Befreiung des KZ Dachau durch die Amerikaner, die Aufnahme Karl Leisners im Lungensanatorium Planegg und an seinen Tod dort. Unten angefügt ist seine letzte Tagebucheintragung: „Gut Nacht, ewiger heiliger Gott, liebe Mta, liebe Heiligen alle. Segne auch, Höchster, meine Feinde!“
Planegg, Mittwoch, 25. Juli 1945, Heiliger Jakobus
So jetzt schlafen, es ist 21.20 Uhr abends. Gut’ Nacht, Ewiger, Heiliger Gott, liebe Mta[1], liebe Heiligen alle, alle lieben Lebendigen und Toten nah und fern!
Segne auch, Höchster, meine Feinde![2]
[1] Mater ter admirabilis (Mta) (lat.) = Dreimal wunderbare Mutter – Der marianische Ehrentitel Dreimal wunderbare Mutter geht zurück auf den Begründer der Marianischen Kongregation in Deutschland, Pater Jakob Rem SJ. Er sah in dieser Anrufung aus der Lauretanischen Litanei (s. Gotteslob 1975: Nr. 769; Gotteslob 2013: Nr. 556) eine Zusammenfassung dessen, was sich über Maria aussagen läßt.
[2] Dieser letzte Satz erinnert an die Worte des hl. Stephanus: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! (Apg 7,60).
Auf der vierten Platte sind in Ketten gefesselte Hände zu sehen, die einen Kelch emporhalten. Dieses Motiv ist auf einem der drei Primizbilder zu sehen, die Karl Leisner von Mitgefangenen zur Primiz geschenkt bekam. Es wurde von dem Niederländer Br. Raphael Tijhuis OCarm gemalt.
Die gefesselten, einen Kelch umfassenden Hände weisen auf die Schönstattgruppe „Victor in Vinculis (Mariae) [Sieger in Ketten (Mariä)] im KZ Dachau hin, zu der auch Karl Leisner gehörte. Neben dem Primizgewand erhält ein Neupriester einen Kelch, mit dem er sein Leben lang zelebriert. Bei seiner Beerdigung wird dieser Kelch mit einer Stola auf den Sarg gestellt. Bereits während seiner Priesterausbildung im Collegium Borromaeum und im Priesterseminar in Münster hatte sich Karl Leisner einer Schönstatt-Theologengruppe angeschlossen die sich das Gruppenideal „Sacerdotem oportet offerre [ein Priester muss opfern]“ gegeben hatte. 1939 ergänzte die Gruppe dieses um „et offeri [und geopfert werden]“. Als Gruppensymbol wählte sie den Kelch.
Unter diesem Motiv wird auf der Marmortafel auf Karl Leisners Kuraufenthalt wegen seiner Lungentuberkulose in St. Blasien, auf die dortige Verhaftung und seine Stationen der Gefangenschaft bis zum KZ Dachau hingewiesen. Abschließend steht: „Du armes Europa, zurück zu deinem Herrn Jesus Christus.“
Planegg, Samstag, 16. Juni 1945
Zwischendurch schaue ich herrliche Bilder aus Dr. [Wilhelm] Cormans „Europa“-Buch des Atlantisverlages – Zürich.[1] Ich bin auf Fahrt und staune, und freue mich. Nur eins: Du armes Europa, zurück zu Deinem Herrn Jesus Christus! (Dort ist Deine Quelle für das Schönste, was Du trägst.) Zurück zu den frischen Quellen an göttlich wahrer Kraft!! Heiland, laß mich ein wenig Dir dabei Instrumentum sein, o ich flehe Dich an!
[1] Hürlimann, Martin: Europa: Bilder seiner Landschaft und Kultur, Zürich 1943
Auf der Grundplatte steht „SERVUS MARIAE – NUNQUAM PERIBIT [Ein Diener Mariens wird niemals zugrunde gehen]“. Diese Inschrift ist in allen Schönstattkapellchen um das Gnadenbild angebracht.
Vorne auf der Grundplatte steht unter einer Bronzeplakette, die nach dem Gnadenbild aus den Schönstattkapellchen die Gottesmutter und das Jesuskind darstellt, „VICTOR IN VINCULIS [Sieger in Fesseln]“.
Die Schönstattgruppe im KZ Dachau unter Führung von Heinz Dresbach und später Hermann Richarz, zu der auch Karl Leisner gehörte, begann in der Fastenzeit 1944 mit der Suche nach ihrem Gruppenideal und entschied sich für den Vorschlag von Robert Pruszkowski „Victor in vinculis (Mariae)“. Die Idealsuche war stark inspiriert von der Spiritualität der Marianischen Werkzeugfrömmigkeit, über die P. Joseph Kentenich SAC im Frühjahr 1944 eine Studie diktierte. Es geht um die Bindung an Maria im Sinne des Werkzeuges, der Vernetzung. Maria steht als Symbol für den Dreifaltigen Gott.
P. Makarius Spitzig OSB schnitzte im KZ Dachau einen Bischofsstab mit dem Wappen von Bischof Gabriel Piguet und der Inschrift Victor in Vinculis.
Über die Karl-Leisner-Gedächtnisstätte hinaus ist im Kapellchen des Schönstattzentrums Oermter Marienberg rechts vom Altar ein Bild Karl Leisners. Der Rahmen trägt ebenfalls die Beschriftung: „Victor in vinculis“.
Die Mitglieder des IKLK wurden über die Grundsteinlegung des Denkmals mit dem Rundbrief Nr. 39, Seite 139, vom Februar 1999, und über die Einweihung mit dem Rundbrief Nr. 41, Seite 11, vom Februar 2000 informiert.
Karl Leisner lernte die Gemeinde Issum kennen, wenn er „auf Fahrt“ war und dabei durch Sevelen oder Issum, aber auch durch die Bönninghardt, einem an Issum grenzenden Abschnitt des Niederrheinischen Höhenzuges, kam.
Darüber hinaus wird er mit Issum die Personen Wilhelm Bosch[1], Wilhelm Koppers[2], und besonders Matthias Op de Hipt[3] verbunden haben, die er durch seine Jungschararbeit kennen lernte.
[1] Wilhelm Bosch (* 30.3.1906 in Xanten, † 13.11.1990) – Priesterweihe 20.12.1930 in Münster – Kaplan in Issum 1935–1938
[2] Wilhelm (Willi) Koppers (* 23.2.1911 in Issum, † 9.12.1980 ebd.) – Abitur am Collegium Augustinianum Gaesdonck – Priesterweihe 18.7.1937 in Münster
[3] Matthias Op de Hipt (* 24.8.1906 in Düsseldorf-Oberkassel, † 4.5.1990 in Geldern) – Jugendjahre in Issum am Niederrhein – Tätigkeit bei der Kreisverwaltung in Geldern 1926–1930 – Referent für die Landjugend im Jugendhaus Düsseldorf unter Prälat Ludwig Wolker – auf Grund seiner antinationalsozialistischen Einstellung nach 1933 keine Möglichkeit zur Rückkehr in den Verwaltungsdienst – Diözesanleiter des Bistums Münster 1934 – Heirat 1937 – Stadtdirektor in Geldern 1946 – wesentliche Beteiligung an der Vorbereitung der Großen Viktortracht in Xanten 1966 – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
1929 erwähnt Karl Leisner in einem Tagebuch erstmalig Sevelen, Issum und die Bönninghardt auf der Rückfahrt von Wesel, wo er gemeinsam mit seinem Bruder Willi Verwandte besucht hatte.
Wesel, Samstag, 25. Mai 1929
Dann fuhren wir über die Rhein- und Lippebrücke (Brückengeld 0,05 Reichsmark) – Büderich – Borth – nach Alpen. Hier schrieben wir eine Karte nach Walter ([von der] Jugendherberge). Als wir in Issum waren, fragten wir nach dem Weg nach Rheurdt. Leider hatten wir uns verfahren und mußten die zwei Kilometer wieder zurück. Wir fuhren durch die Bönninghardt über Kamp (auf Umwegen) nach Rheurdt. Dort gings nach [Familie] Bongartz, wo wir um 12.30 Uhr ankamen. Wir bekamen ein feines Mittagessen. Nachdem besichtigten wir den Bauernhof und den Garten. Um 16.00 Uhr tranken wir Kaffee, nachdem wir uns tüchtig ausgeruht hatten.
Um 16.45 Uhr gings weiter über Sevelen – Geldern – Kevelaer – nach Goch, wo wir bei Tante Julchen eine Tasse Tee [tranken]. Um 20.15 Uhr fuhren wir weiter nach Cleve. Dort landeten wir um 21.15 Uhr.
Kleve, Dienstag, 26. Mai 1931, Pfingstdienstag
Früh raus! – Papa, Willi (im Urlaub) und ich fahren über Kalkar – Marienbaum nach Labbeck. Bei „Mutter Langenberg“ Rast. Dann über Sonsbeck, Bönninghardt und Rheurdt.
Die „große Schweizerfahrt“ führt Karl Leisner und seinen Bruder Willi erneut über Sevelen.
Kleve, Freitag, 12. August 1932
Nach recht gutem Kaffee gondelten wir zwei [Willi und Karl] denn nach dem Abschied von allen um 17.30 Uhr weiter nach Kevelaer, wo wir die Muttergottes besuchten und um gute Fahrt baten. Dann gondelten wir lustig weiter über Geldern – Sevelen nach Rheurdt zu [Familie] Bongartz.
Karl Leisner lernt Matthias Op de Hipt, der seine Jugendjahre in Issum verbrachte, in seiner Funktion als Referent des Jugendhauses in Düsseldorf kennen.
Kleve, Mittwoch, 12. Juli 1933
19.30 Uhr abends: Im Jungmännerheim Jungenschaftsabend mit Matthias Op de Hipt. Glänzender Knoten [Kerl]. Er erzählt vom neuen Deutschland, wir sollen den kleinlichen Kram vergessen und das Große, Gute sehen!
Kleve, Donnerstag, 13. Juli 1933
15.30 Uhr Jungscharstunde mit Matthias Op de Hipt.
Matthias Op de Hipt aus Geldern am 22. November 1974 an Wilhelm Haas in Kleve:
Altenberg war damals wie heute die Stätte, an der Jungführer für ihr Schaffen im katholischen Jugendreich geformt wurden. Dort war es wohl im Schatten des Mariendoms [Altenberger Dom], wo ich Karl Leisner zum ersten Mal sah. Viele Jungführer habe ich in den häufigen, meist eine Woche dauernden Kursen gesehen. Unter diesen ist er mir aufgefallen als einer, der seine Aufgabe als Laienapostel tief ernst nahm, der Auge und Herz weit aufmachte für alles, was über das Schöne der Arbeit gesagt wurde und der nun auch sein festes „es geschehe!“ sprach, wenn das Schwere, wenn die kleinen Opfer gezeigt wurden. Zunächst schienen diese Opfer auch noch nicht sehr groß zu sein. Was ich noch ganz lebhaft in der Erinnerung habe, war seine frische und frohe, seine natürliche Haltung. Der Kursleiter merkte sich, welche unter 50 bis 70 Teilnehmern wohl die waren, auf die man bauen konnte. Karl gehörte dazu. Ganz sicher habe ich es auch damals weitergesagt, besonders seinen priesterlichen Führern und Freunden.
In Kleve, in seinem Heimatstädtchen, und bei seiner Jugend habe ich ihn wiedergesehen. Die Kursleiter kamen häufig über Land und konnten dann den aktiven Jugendführern draußen helfen. Wie sehr er die Jugend, besonders die Jüngsten unter dem Christus-Banner lieb hatte und wie auch diese an ihm hingen, zeigte der Besuch in Kleve. Ich weiß auch noch gut, wie die Präsides und vor allem seine Mitarbeiter, die Jungführer anderer Gruppen, auf ihren Karl stolz waren und ihm nacheiferten. Auf den Jungführertreffen, in den Konferenzen sprachen diese begeisterten Jungmänner von unserem Karl, dem Jungscharfachmann, dem mit den Jungens alles gelang, auch noch alles gelang, als das öffentliche Zeigen der Banner und des Christuszeichens nicht mehr erlaubt war. Sein Ansehen war so gestiegen, daß wir ihn in der Diözesanleitung von Münster nötig hatten, daß er dort in dem weiteren und größeren Raum seine liebe Jungschararbeit tun konnte. Es war nicht ein gelerntes pädagogisches und psychologisches Fachkönnen, es war ein begnadetes Jungführerleben, das den Wert katholischer Jugendarbeit kündete, die ihm die uneingeschränkte Anerkennung seiner Mitarbeiter und seiner Jungscharen einbrachte.
Kleve, Samstag, 15. Juli 1933
Um 17.00 Uhr im JM-Heim [Jungmännerheim] Beginn des Jungführerwochenendkursus! Es sieht im Bezirk zum Teil recht mies aus. Die nationalsozialistische Erhebung hat viel Morsches weggefegt! Gut! Das sieht man aus den Berichten der „Delegierten“. – Zum Schluß spricht Matthias [Op de Hipt] zu uns über das Pontifikat Pius des XI., unseres großen Papstes (siehe Zeitungsabschnitt)
Um 19.30 Uhr Jungmannschaftsheimabend. Fein und fröhlich!
Sonntag, 29. April 1934
Willi Leisner:
Um 6.00 Uhr stand ich auf. Nach der 7.00-Uhr-Messe fuhren wir [Karl und Willi] gegen 9.00 Uhr nach Goch, wo der Diözesanleiter Matthias Op de Hipt weilte. Mit ihm verlebten wir eine feine Heimstunde. Er sprach vom Jungmann im Leben. Um 12.30 Uhr fuhren wir dann à tempo nach Haus.
Matthias Op de Hipt aus Geldern am 22. November 1974 an Wilhelm Haas in Kleve:
Eines Zusammentreffens in Münster entsinne ich mich besonders. Ich war in Begleitung einer Mitarbeiterin der weiblichen Jugend. Wir trafen Karl Leisner. Damals hatte er sich für den Beruf als Priester entschieden. Wir sprachen über das Schaffen im katholischen Jugendreich, das immer mehr durch staatliche Anordnungen eingeschränkt wurde. Er wußte Auswege, um seinen Jungen das natürliche Recht auf eine Betreuung auch außerhalb der Kirche und der Sakristei zu verschaffen. Er kannte die Gefahr, die ihm von den Herrschern des Staates her entstehen konnte. Er wußte dies unnatürliche Gesetz zu umgehen, sich schützend vor seine Kerle zu stellen und nicht vom Weg der Wahrheit oder von der Wahrhaftigkeit abzugehen.
Kleve, Dienstag, 2. Oktober 1934
Karl Leisner als Diözesanjungscharführer an die Bezirksverbände:
Zuvor ein herzliches Grüß Gott allen Hochwürdigen Bezirkspräsides, Bezirksleitern und – soweit vorhanden – Bezirksjungscharführern! – Vor etwa vier Wochen hat unser Hochwürdiger P. [Heinrich] Horstmann [SJ] in Verbindung mit unserm Diözesanpräses [Heinrich Roth] und Diözesanleiter [Matthias Op de Hipt] mich zum Jungscharführer unserer Diözese berufen. Gerade weilte ich im deutschen Schicksalsland an der Saar, als mich diese Kunde erreichte. Im Bewußtsein der schweren Verantwortung, aber auch im Vertrauen auf Gottes große Gnadenhilfe – Seine Werkzeuge sind wir ja! – trete ich nunmehr das schwere und doch so frohe Jungführeramt an.
Auf der Rückseite des Entwurfs für den Jungscharbrief vom 8. Oktober 1934 befinden sich Notizen von Karl Leisner:
3. Diözesanpräses [Heinrich Roth] besuchen!
4. Zu Hause: Samstagabend [? 20.10.] zu Matthias [Op de Hipt]!
Donnerstag, 31. Januar 1935
Matthias Op de Hipt aus Düsseldorf an Karl Leisner in Münster:
Grüß Gott, mein lieber Karl!
Mit Freuden sage ich „Ja“ dazu, ins [Collegium] Borromaeum zu kommen. Geht es aber zu irgendeiner Tagesstunde am Montag? Verständige Dich darüber mit dem Bezirksleiter Franz Kösters. Am Sonntag soll ich nämlich auch zur Jungführerschaft von Münster sprechen. Samstagabend muß ich mich nämlich ausschließlich den Bezirksleitern widmen, damit komme ich auch nur ganz selten zusammen. Sagen wir also am Montag oder auch Sonntag nach 17.00 Uhr. Sorge aber dafür, daß mir kein Borromaeer fehle. Vielleicht ist das der Anfang einer planmäßigen Arbeit mit den Theologen. – Sage, daß ich die Oldenburger besonders sprechen will wegen eines Termins.
Dein Matthias Op de Hipt
Kleve/Altenberg, Samstag, 19. bis Sonntag, 20. Oktober 1935
Am 19./20.10. waren wir mit der Diözesanführerschaft bei unserm „General“ Msgr. Wolker. 75 Kerle aus fast allen Bezirken! 12 Bezirksjungscharführer mit dabei. –
[…] und schon ist der feine Tag zu Ende – und doch was war es großartig. All die Kerle, die ich so sah und traf: Wilm Wissing, Oelder Führer (abends auf Bude), Pitt [Peter] Koch – Trier (jetzt Architekt in Köln!), Matthias [? Op de Hipt] und alle, alle treuen Jungführer Christi. Mit allen eins!
Montag, 22. Dezember 1935
Matthias Op de Hipt aus Regensburg an Karl Leisner in Kleve:
Frohes Grüß Gott lieber Karl!
Gruß Dir aus dem Bayernland. Gnade vom Herrn zur Heiligen Weihnacht. Möchten wir alle doch würdig befunden werden, der Gnadengeheimnisse des Weihnachtsfestes in reicher Fülle teilhaftig zu werden.
Dein Matthias Op de Hipt
Zum Jahreswechsel 1935/1936 finden in Paesmühle Exerzitien für Duisburger Jungen statt, die Karl Leisner mit begleitet. In der Nacht bricht er zu einem Führerkurs in Schloss Raesfeld auf.
Paesmühle, Mittwoch, 1. Januar 1936
3.20 Uhr draußen. Abschied von Willi Weiler. Stilles Gebet aus dem wachen Herzen unter Sternen, die stille leuchten. Ich sing’ mit ihren Sphärenharmonien.
Alle Angst futsch – frisch los: Straelen – Pont – Geldern – Issum. (Ich denke an Matthias [Op de Hipt[1]] und Kaplan [Wilhelm] Bosch[2] und alle Jungen, an die ganze [Jugend-]Bewegung). Alpen – Bönninghardt still.[3] – Feine, gute Fahrt, leicht und schnell in der herrlichen nächtlichen Morgenstille.
[1] Matthias Op de Hipt verbrachte seine Jugendjahre in Issum am Niederrhein.
[2] Wilhelm Bosch war von 1935 bis 1938 Kaplan in Issum.
[3] Die Fahrtroute war Bönninghardt – Alpen.
Münster, Montag, 3. Februar 1936
Nachmittags mit August Niebrügge raus. ‘s war fein. Ich staune. Mit Karl J. [Janssen] auf seiner Bude disputiert und Klarheit schaffen über die vergangene Jugendarbeit im Bau. Abends Vortrag von [Studentenpfarrer] Werner Becker! DP [Diözesanpräses Heinrich Roth] und Matthias [Op de Hipt] da!
Erlebnis im Audi-Max!
Münster, Dienstag, 4. Februar 1936
Abends spricht „der DP“ (Diözesanpräses [Heinrich] Roth) in der Aula [des Collegium Borromaeum]. Mittags waren wir mit Matthias [Op de Hipt] auf [Wilhelm] Koppers Bude zusammen.
Münster, Dienstag, 25. Februar 1936, Heiliger Matthias, Fastnacht
Morgens bei der heiligen Feier [Eucharistiefeier] denke ich an unsern lieben DL [Diözesanleiter Matthias Op de Hipt] und bitte Gott, er möge seine Hand über ihn halten.
Kleve, Mittwoch, 26. Februar 1936, Aschermittwoch
Abschied vom St. Josefskonvikt [in Rheinberg], guter Kaffee bei den Verwandten [von Theo Kuypers]; dann weiter nach Düsseldorf, wo wir Clemens Witte, Matthias [Op de Hipt] und andre liebe Kameraden des Jugendhauses treffen. Gut gespeist als Gäste von Matthias. – Nachher mit Clewi [Clemens Witte] allerlei über unsre Schar gesprochen.
Düsseldorf, Donnerstag, 27. Februar 1936
Morgens bei Clewi [Clemens Witte], Walter Straub und Matthias [Op de Hipt].
Dortmund, Freitag, 28. Februar 1936
Werde heute mündig. 21 [Jahre]! Voll Jubel und Kraft werd’ ich mir dessen bewußt.
A tempo bis Krefeld-Hauptbahnhof. Dort Matthias [Op de Hipt], Franz Klein („Juniorchef“ des „+ Michael[1]“), BL [Bezirksleiter] von Hamborn Franz Ommer und BL von Geldern Aloys Kempkes getroffen.
[1] Die Zeitschrift Michael war am 11.1.1936 verboten worden.
Münster, Montag, 18. April 1938, Ostermontag
Um 16.20 Uhr bei Hans Dolff und seiner lieben jungen Frau [Cläre] zu einem netten Osterkaffee. – Kritik: Bei der Begrüßung Frau Dolff nicht gleich frohe Ostern gewünscht und Heini Thbg. [Tenhumberg] nicht vorgestellt. […]
Schön wurde es dann, als wir zur Klampfe Lieder sangen. Das feinste war „Rosenstock, Holderblüh’“ mit den feinen „Freiübungen“ dazu, die uns Matthias Op de Hipt mal gelehrt hat. – Wir merkten gar nicht, wie die Zeit vorbeistrich. – Es war wirklich fein.
Empfang der Ostiarier- und Lektorenweihe durch Bischof Clemens August Graf von Galen in der Kapelle des Priesterseminars in Münster am 1. Juli 1938. Karl Leisner hält Rückblick auf die Führung Gottes in seinem Leben.
Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Aber ich muß Deine Führung anerkennen. Wie unbegreiflich führtest Du mich in mannigfaltiger, einziger Führung. […]
Ich schaffte und schuf die Jungschar Kleve-Oberstadt mit einem inneren Schwung und Erfolg sondergleichen. Das Studium wurde so nebenbei geschmissen. Apostolische Kraft sprang auf, eine Aktionskraft und – vielleicht, ja sicher war vieles jugendlicher Betätigungsdrang. Aber das war das Entscheidende daran: Es führte mich zum eucharistischen Heiland. Die erschütternden stillen Stunden am Morgen in der Stiftskirche [in Kleve]. Satan und Christus rangen in mir. Immer wieder zog mich der Trieb nach unten, aber immer wieder kam dann der Herr und riß mich nach oben in Sein Licht. – Matthias [Op de Hipt] kam einmal, ein ander Mal DP [Diözesanpräses Heinrich] Roth, damals noch als Mitglied des Reichsvorstandes [des KJMVD]. Die Gedanken des Grundgesetzes [des KJMVD] rangen in mir nach dem inneren Sieg. Der äußere Kampf an der Schulfront war klotzig.
Impressionen vom Schönstattzentrum mit der Karl-Leisner-Gedächtnisstätte
Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv