Unter dieser Überschrift berichtete Matthias Grass in der Rheinischen Post vom 12. September 2015 über die Festschrift „100 Jahre Geschichte einer Anstalt“. Es handelt sich um das Gefängnis in der Krohnestraße[1] in Kleve, in dem Vater Wilhelm Leisner acht Tage inhaftiert war. Vom 23. bis zum 29. März 1943 befand er sich dort wegen eines angeblich von ihm geschriebenen anonymen Briefes in Haft, aber das Verfahren wurde eingestellt.
[1] Dr. jur. Rudolf Krohne (* 6.9.1876 in Rendsburg, † 17.6.1953 in Berlin) – Jurist u. Politiker (DVP) – Reichsverkehrsminister 12.10.1924 bis 17.12.1926 – Präsident des Vereins Deutscher Luftschutz e. V. 1926–1928
Gefängnis in Kleve
Justizvollzugsanstalt Kleve, Krohnestraße 11 – Erstbezug nach zweijähriger Bauzeit 1915 – nach starker Beschädigung im Zweiten Weltkrieg Wiederaufbau Anfang der 1950er Jahre – heutige Zuständigkeit vor allem für den Vollzug der Untersuchungshaft u. der Strafhaft bis zu vier Jahren für männliche Gefangene im geschlossenen Vollzug
Link zur RP ONLINE vom 12. September 2015
Festschrift
festschrift-100-jahre (1)
Vater Wilhelm Leisner in Haft
Willi Leisner am 23. März 1943 im Taschenkalender:
LeisnerWilli
Der Oberlandesgerichtspräsident Wilhelm Schwister[1] in Düsseldorf am 3. April 1943 an den Leiter der Abwehrstelle bei dem Wehrkreiskommando XII in Wiesbaden:
[…] Demgemäß gebe ich davon Kenntnis, daß Leisner am 24. [23.] März 1943 von der Dienststelle der Geheimen Staatspolizei in Kleve unter dem Verdacht verhaftet worden ist, an eine im Dienst des SD stehende Angestellte ein namenloses Schreiben gerichtet zu haben, in dem der Empfängerin nahegelegt wurde, ihre Tätigkeit für den SD aufzugeben. Leisner ist am 29. März 1943 wieder aus der Haft entlassen worden. Bei der Staatsanwaltschaft in Kleve schwebt ein Ermittlungsverfahren unter dem Aktenzeichen 5 Js 228/43.[2]
[1] Wilhelm Schwister (* 20.7.1878 in Eschweiler, † 30.12.1947 in Bergen b. Frankfurt/M.) – Präsident des Preußischen Justizprüfungsamtes 1.10.1927 – Mitglied der Zentrumspartei bis 1931 – Oberlandesgerichtspräsident in Düsseldorf 1.12.1933 bis 1943
[2] Wilhelm Leisner wurde von Oberamtsrichter Heinrich Sack (* 2.8.1885, † 19.6.1981) vernommen.
Maria Leisner aus Kleve am 11. April 1943 an Familie Magnus Weber in Alpseewies:
Neulich (vor 14 Tagen) hatten wir mal wieder allerhand Aufregung. Mein Vater wurde verdächtigt, einen anonymen Brief geschrieben zu haben. Was natürlich nicht der Fall war. Bis die Sache geklärt war, war er sieben Tage im Gefängnis. Das war besonders für meine Mutter allerhand. Aber desto größer war die Freude, als er wiederkam.
Aber man muß immer alles annehmen, wie der Herrgott es schickt. Wenn es auch nicht leicht ist.
Der anonyme Brief war zwar auf der Schreibmaschine von Wilhelm Leisner geschrieben, konnte ihm aber nicht eindeutig zugeordnet werden, da auch andere am Gericht tätige Personen diese Maschine benutzten.
Vater Wilhelm Leisner nach 1945 in einem Vortrag bei Jung-KKVern:
Am 23. März 1943 wollten mir auch meine Mitbürger was tun, und damit sie mir nichts tun konnten, haben sie mich auch in Schutzhaft auf die Krohnenstraße gebracht. Acht Tage durfte ich dort Tüten falzen – ich glaube, 550 Stück habe ich für die Firma Wilhelm Mertens[1] fertig gebracht –. Aber zu der Zeit glaubten die Nazis nicht mehr 100% an ihren Gott Adolf [Hitler] und waren selbst etwas banger geworden, und da sie mir nichts anhaben konnten, haben sie mich nach acht Tagen wirklich entlassen. Ich durfte aber drei Monate keinen Dienst tun.[2] Auch ein treuer KKVer, Heinz Heuvel[3], Geschäftsführer bei Schneider & Klippel[4], holte mir aus dem Sternbusch 5 kbm Buchenholz, und ich habe – wie Kaiser Wilhelm [II.[5]] – Holz gehackt.[6] Im Winter 1943/44 hatten die wenigsten Brennmaterial und ich hatte genug Holz.[7]
[1] Mertens, Familie
1. Generation:
Wilhelm Franz Mertens (* ?, † 1864) – Leiter der von W. Bleydensteyl aus Utrecht 1814 gegründeten Zigarrenfabrik mit Kolonialwarenhandlung – Wilhelm Franz Mertens übernahm am 29.11.1834 den Betrieb und gründete die Firma Wilhem Mertens, Kleve, Hagsche Str., gegenüber der früheren Post.
2. Generation:
Wilhelm Mertens (* 20.9.1846, † 14.10.1922) – Er übernahm 1864 die Firma seines Vaters.
Der erste Altar bei der Fronleichnamsprozession in Kleve stand in einer großen Toreinfahrt der Firma Wilhelm Mertens.
[2] Willi Leisner am 4.6.1943 im Taschenkalender:
Vater nach 10½ Wochen wieder im Dienst
[3] Eheleute Heinz Heuvel (* 24.6.1909, † beim Luftangriff auf Kleve 7.10.1944) (Geschäftsführer bei Schneider & Klippel) u. Franziska Heuvel, geb. Matenaar (* ?, † 30.10.1945 in Bedburg) – Heirat Mai 1938 – Kleve, Drususstr. 13 – Bekannte von Familie Wilhelm Leisner
[4] Familie Klippel hatte ein Pflasterer-Unternehmen. Nach Eintritt des dort beschäftigten Bauingenieurs Walter Schneider († 1948) in die Firmenleitung erfolgte die Gründung von Schneider & Klippel Hoch-, Tief- und Straßenbau, Betonwerke mit Niederlassungen in Köln, Duisburg, Issum, Hagen und Bad Kreuznach.
[5] Deutscher Kaiser Wilhelm II. (* 27.1.1859 in Berlin, † 4.6.1941 in Haus Doorn/Provinz Utrecht/NL) – Thronbesteigung 15.6.1888 – Exil in den Niederlanden 10.11.1918 – Thronentsagung 28.11.1918
[6] Während seines Exils in den Niederlanden widmete sich Kaiser Wilhelm II. ausgiebig dem Holzhacken; denn er war der Meinung: „Durch das Holzsägen bin ich wenigstens noch für etwas nützlich.“
[7] Leisner, Wilhelm: Vortrag vor Jung-KKV, (Manuskript): 4