100 Jahre Leisner-Haus in Kleve

Artikel von Werner Stalder in der Osterausgabe der Rheinischen Post in Kleve:

Der Ort der Geborgenheit

Das Karl-Leisner-Haus ist 100 Jahre. Es ist in Kleve mit Unterstützung des Bistum, des Schönsttt-Institutes „Diözesanpriester“ und vieler Freude saniert worden. Das Andenken an den Märtyrerpriester bleibt lebendig.
Es erinnert an München: Wenn man nach der Neuhauser Straße fragt, weiß das kaum einer, aber die Bürgersaalkirche mit dem Grab von Pater Rupert Mayer ist allen bekannt. Wenn man in Kleve nach der Flandrischen Straße fragt, geht es ebenso. Vielen ist sie nicht bekannt, aber das Karl-Leisner-Haus mit der Karl-Leisner-Begegnungsstätte in der Nähe des Stein-Gymnasiums kennen viele. Vor 100 Jahren, 1912, erbaute der Anstreichermeister Winthuis das Haus Nummer 11. So gehörte es zeitweilig den „Dernbacher Schwestern“, einer Ordensgemeinschaft aus dem Westerwald, die in diesem Haus in den Zwanziger Jahren eine Niederlassung eröffnete. Bereits damals erlebte man hier eine „geistliche“ Atmosphäre. 1929 erwarb Wilhelm Leisner, der Vater des Seligen Karl Leisner, das Haus Nummer 11 und bewohnte es seitdem mit seiner siebenköpfigen Familie. Für den Sohn Karl wurde es somit für zehn Jahre zu einem wertvollen Ort der Geborgenheit und unschätzbarem Quellgrund lebensentscheidender Erfahrungen. Dort empfing er als heranwachsender junger Mensch das starke christliche Fundament für sein tapferes Glaubenszeugnis als Jugendführer in den zahlreichen Auseinandersetzungen gegenüber kirchenfeindlichen Ideologien. Für viele junge Menschen wurde er zu einer vorbildlichen Leitgestalt im Kampf um Wahrheit und Recht. 1939 kam es zu seiner Verhaftung im Zusammenhang mit einer Äußerung nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler. So begann der lange Leidensweg in Gefangenschaft und im KZ Dachau, der über viereinhalb Jahre dauern sollte. Am 12. August 1945 starb Karl Leisner im Sanatorium Planegg bei München an den Folgen dieser Haftzeit. Ein Wiedersehen mit seinen guten Eltern und den drei Schwestern war ihm noch vergönnt und somit auch ein dankbares Erinnern an seine geliebte Klever Heimat. Am 8. Juni 1999 starb die älteste Schwester Maria, die letzte Bewohnerin des Elternhauses. Sieben Schönstattpriester fassten den Plan, dieses denkwürdige Haus so zu nutzen, dass das Andenken an den tapferen Märtyrerpriester in seiner Heimatstadt lebendig bleibt. Die Seligsprechung dieses vorbildlichen Glaubenszeugen am 23. Juni 1996 in Berlin sollte Verpflichtung und Herausforderung sein. Die Karl-Leisner-Begegnungsstätte e.V. wurde gegründet. Das Elternhaus von Karl Leisner konnte erworben werden. Mit Unterstützung des Bistums Münster, des Schönstatt-Instituts „Diözesanpriester“ und vieler uneigennütziger Freunde wurde das Haus saniert und eingerichtet und ist seitdem Zielpunkt vieler Besucher aus nah und fern. Im Laufe der Jahre haben zahlreiche Pilger und Interessierte aus verschiedenen Ländern, nicht zuletzt aus Übersee, den Weg in die Flandrische Straße gefunden.
Die Eintragungen im Gästebuch des jetzt 100-jährigen Karl-Leisner-Hauses zeugen von begeisterten Eindrücken junger und älterer Besucher. Sie geben etwas wieder von spürbarem Berührtsein der Nähe des jungen Seligen, der sein Bekenntnis „Christus meine Leidenschaft“ glaubhaft gelebt und auch heute noch weiter gibt.

weitere Fotos und Texte:

Kleve, Freitag, 4. Oktober 1929
Nach dem Mittagessen fing Papa immer wieder an zu kichern. – Dann ging er mit Mama irgendwohin. – Als Papa und Mama wiederkamen, vertrauten sie mir das Geheimnis an; nämlich, daß sie ein Haus gekauft hätten und zwar in der Flandrischen Straße Nr. 11. – Ich war natür­lich zuerst ganz paff. – Denn ich dachte mir, das würde doch ein bißchen viel Geld kosten (15.000,00 [Reichsmark]). Aber nachdem Papa es mir vorgerech­net hatte, wurde es mir klar, daß Papa einen äußerst günstigen Kauf gemacht hatte. – Dann erzählte Papa mir, wie das Haus aussähe und daß es noch eine Werk­statt nebenbei habe, [die Druckerei der Firma Heinrich Poethen im Garten].  Ich war riesig gespannt, auf das „neue Haus“. Wir besich­tigten es sehr bald. – Wun­derschön! – Mein [Mansarden-]Zimmer ist noch sehr gut tape­ziert und riesig groß. [Da Willi Leisner noch bis zum 28.3.1931 in Süchteln lebte, bewohnte Karl Leisner das Zimmer zunächst allein.] – Jetzt kommen wir ganz nah an der „Penne“ zu woh­nen. – Das ist auch prima; denn dann kann man in der Zehn­uhrspause sauber auskneifen und zu Hause Kaf­feetrinken! – Eins a prima!

Kleve, Montag, 21. Oktober 1929
Gegen 21.00 Uhr abends brachten Papa, Mama, Tante Thea [Thomas] aus Neuß und ich allerhand, zum Beispiel Einmachgläser (volle und leere), Bü­cher von mir und die Tagebücher, Blumen und noch anderes mehr, zum „neuen Haus“ [Flandrische Straße 11]. – Als Mama und Tante Thea die Kiste, in der die vollen Ein­machgläser waren, aus dem Leiterwagen hoben, ging der Boden los und bald hätte es ein Malheur gegeben. – Gegen 22.00 Uhr waren wir wieder zu Hause.

Sonntag, 31. Mai 1942
Karl Leisner aus Dachau, Block 26/3, an seine Familie in Kleve:
Jetzt blüht un­sre Straße wieder in Weiß und Rot. [Auf der Flandrischen Straße stehen im Wechsel Rot- und Weißdorn­bäume] Sehn­lichst erwarte ich Euern Pfingst­brief.

Rheinische Post