Der sterbende Karl Leisner bezeichnete sich auch selbst als Kaplan

Artikel von Hans-Karl Seeger

Nachdem eine Leserin in der Kirchenzeitung von Münster vom 6. Dezember 2020 Nr. 49 in einem nicht vollständig abgedruckten Leserbrief von Fritz Aperdannier gelesen hatte, daß Karl Leisner als „Kaplan“ tituliert wurde, „was er doch gar nicht gewesen sei“, nahm sie Kontakt zu mir auf und bat um Aufklärung.

Auszug aus dem Leserbrief
„Im erwähnten Bericht [zu dem Buch ,,Priester aus dem Bistum Münster im KZ“ von Christian Frieling über Pater Emil Schumann] schildert Pater Schumann übrigens auch, wie er und Kaplan Karl Leisner durch einen Revierpfleger vor dem Transport in den Tod gerettet wurden.“

Im Waldsanatorium Planegg führte man eine „Krankheitsgeschichte“ über Karl Leisner, auch dort wurde er als Kaplan bezeichnet

Aktendeckel
Jahrgang 1945 – Krankenbuch Nr. 241  II. St. Z. 76.
Familien- und Vorname H. H. Leis­ner Karl
geb. am 28.2.1915 zu Rees/Rheinl.
Beruf Kaplan
Wohnort Kleve, Flandrische Straße 11

Ärztliche Bescheinigung
Herr Kaplan Karl Leisner, aus Kleve, geb. 28.2.1915, befindet sich seit dem 4.5.1945 wegen einer doppel­seitigen Lungentuberku­lose zur Kur im Waldsanato­rium bei Pla­negg. Die Erkrankung ist sehr schwerer Natur. Aus psychischen Gründen und zur Förderung der Heilung ist ärztlicher­seits der Besuch des Vaters, Herrn Justizrentmeisters Wilhelm Leisner, dringend erwünscht. Herr Kaplan Leisner hat sechs Jahre im Konzen­trati­onslager Dachau zugebracht und wäh­rend dieser Zeit seine Eltern nicht gesehen.
Oberarzt [Dr. Wil­helm Corman]

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Karl Leisners letzter Eintrag vom 25. Juli 1945 in sein Tagebuch, das noch im Original existiert, endet mit dem Satz: „Segne auch, Höchster, meine Feinde!“

Dieser Eintrag ist aber nicht, wie irrtümlich oft angenommen, seine letzte schriftliche Äußerung.

Am 1. August 1945 schickte er der Krankenschwester Arsenia eine Karte. Sie hat dazu für den Seligsprechungsprozeß folgenden Bericht verfaßt:

Einige Wochen vor dem Tod KL’s [Karl Leisners] bekam ich eine Ner­venent­zündung am lin­ken Arm und mußte in sta­tionäre Behandlung nach Mün­chen-Haid­hausen. So habe ich die letzten Tage und Stun­den KL’s nicht miterlebt. KL hat mir am 1. August 1945 folgende Karte geschrie­ben:
Pla­negg, den 1. August 1945.
Liebe, Ehrwür­dige Schwe­ster Arsenia!
Wir entbehren Sie sehr und denken oft an Sie. Wir beten für Ihre baldige Gene­sung und Heimkehr. Ich segne Sie oft in Dankbar­keit und Liebe. Haben Sie viele Schmerzen? Zur Zeit bin ich auch reich geseg­net mit Lei­den. Aber wir wissen ja wofür und sprechen allezeit zum Himmelsvater „Mir ge­schehe nach Deinem Worte“ wie Unsere Liebe Frau [Lk 1,38]. Herz­lichst Ihr Karl Leisner, Kapl.

Diese Karte, die ich bis heute in einer durch­sichti­gen Hülle aufbewahrt habe, stellt auf der Rückseite eine farbige Wiedergabe des Bildes „Ver­kündi­gung“ (der Erzengel Gabriel bringt Maria die Botschaft) von Kon­rad Witz, Nürn­berg[1], dar.[2]
[1] Konrad Witz (um 1400 bis um 1445) schuf um 1440 den Marien­al­tar mit den drei Tafeln: „Joachim und Anna an der Golde­nen Pforte“, „Verkün­digung an Ma­ria“ und „Die Hll. Ka­tha­rina und Magdalena“. „Die Verkündi­gung an Ma­ria“ befin­det sich im Germanischen Natio­nalmuseum in Nürn­berg.
[2] Seligspre­chungs­prozeß: 1284