Am 9. November jährt sich die Reichspogromnacht zum 80. Mal

 

Synagoge und jüdischer Friedhof in Kleve

Quelle der Fotos: Karl Leisner-Archiv

 

 

Karl Leisner und die Juden in Kleve

Vermutlich lebten bereits im Mittelalter Juden in Kleve, belegt ist dort eine kleine jüdische Ge­mein­­de jedoch erst im 17. Jh. Im Gerwin befand sich eine Synagoge, und auch der noch beste­hende jüdi­sche Friedhof stammt aus dem 17. Jh. 1806 lebten in Kleve 120 Juden, und 1821 errichtete man eine neue Synagoge an der Reitbahn. Diese wurde in der Reichs­pogromnacht am 9. November 1938 niedergebrannt und das letzte in der Zeit des Nationalsoziali­smus noch existierende jüdische Geschäft Leffmann ge­plündert.
„Soweit sich die Klever Juden nicht zuvor ins Ausland absetzen konnten, wurden sie nach Beginn des 2. Weltkrieges systematisch deportiert und umgebracht. Von den rund 150 Juden, die vor dem Dritten Reich in Kleve lebten, sind ca. zwei Drittel geflüchtet, wäh­rend das letzte Drittel ermordet worden ist“ (Krebs, Wolfgang / Leinung, Friedrich: Religionsgemeinschaften in Kleve, Kleve 1994: 90).
Im schriftlichen Nachlaß von Karl Leisner läßt sich keine Stellungnahme seinerseits zur Judenfrage erkennen. Im RAD wurde er dazu befragt, notierte aber keine Antwort[1].
[1] Dahlen, Mittwoch, 7. April 1937
Vom Dienst weg läßt der Chef [Oberstfeldmeister Walter Franz] mich in die Kan­tine holen. Dort sitzt er mit dem Dahlener Orts­grup­penleiter, einem Forstmeister. – Ein zweistündi­ges Gespräch entspinnt sich. Man will mich aus­horchen. „Was halten Sie von konfessionel­ler Schule? Judenfrage? Kirche und Staat etc.“ Ich gebe ehr­lich und freiweg ohne jede Hemmung Bescheid. – Etwas zu sehr will ich imponieren und lasse mich dadurch zu weit aus. Die Klugheit und das Maß fehlen noch. – Sonst ist’s wohl recht geworden.

 

Erstaunlich ist, daß er am 27. April 1935 die Todesanzeige des 26jähri­gen Juden Paul Gonsenheimer, des Sohnes des Textilgeschäftes Hermann Gonsen­heimer in Kleve, in sein Tagebuch geklebt hat.

 

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Außerdem verwundert es, daß er weder zu den Ereignis­sen in der Reichspogromnacht in Münster, wo er sich damals aufhielt, noch zu denen in Kleve, etwas vermerkt hat.
Familie Leisner hat nach dem Verbot vom 1. April 1933 weiterhin in dem Geschäft für Herren- und Knabenbekleidung des Juden Carl Rosenberg gekauft. Maria Leisner bekam dort zum Beispiel einen Mantel. Nach dem Krieg erhielt Vater Wilhelm Leisner ein Carepaket aus Amerika von der jüdischen Familie Haas, die bis zur Arisierung in Kleve ein Lederwerk betrieben hatte.

 

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Mit dem Datum 9. November verbindet die deutsche Ge­schichte viele tief­greifende Ereignisse.[1] Für Karl Leisner begann am 9. November 1939 sein letzter und wichtig­ster Le­bens­abschnitt. Er überschritt ei­nen „point of no return“, denn mit seiner Äußerung zum Attentat auf Adolf Hitler be­gann für ihn ein Weg ohne Um­kehr.
[1] einige Beispiele:
9.11.1918 – Bekanntmachung der Abdankung des deutschen Kaisers Wilhelm II. durch Reichskanzler Prinz Max von Baden – Ausrufung der Republik von einem Fenster des Reichstags­gebäudes aus durch SPD-Politiker Philipp Scheidemann – Ausrufung einer Räterepublik nach russischem Vorbild vom Balkon des Berli­ner Schlosses aus durch Karl Liebknecht
8./9.11.1923 – Gedenktag der Gefallenen der NS-Bewegung (Hitler-Putsch in München)
9.11.1989 – Mauerfall in Berlin

Siehe Aktuelles vom 9. November 2013 – Karl Leisners Verhaftung am 9. November 1939.

NZZ vom 9. November 2018 Walter Strauss erlebte die Reichspogromnacht – und sagt heute: «Ich glaube nicht, dass die Menschen aus der Geschichte lernen»

WN vom 9. November 2018 Vor 80 Jahren: Reichspogromnacht in Münster Die Nacht, als die Hölle losbrach

RP ONLINE vom 9. November 2018 Reichspogromnacht-Gedenken 200 Klever haben nicht vergessen