Aristoteles (* 384 in Stageira/GR, † 322/321 v. Chr. G. in Chalkis/GR) – Philosoph – Begründer des Aristotelismus
Unter der Überschrift „So liest man heute Aristoteles – Bewundernswert: Klaus Corcilius öffnet den Zugang zur Schrift ‚Über die Seele’“ besprach Philip van der Rijk das Buch in der F.A.Z. vom 29. September 2017. Er zählt „Aristoteles‘ ‚De Anima’ zu den „faszinierendsten […], aber auch schwierigsten Schriften“ des Philosophen und lobt die „dem heutigen Sprachgebrauch angemessene deutsche Übersetzung“.
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Anima forma corporis (lat.) – Die Seele ist die Formkraft des Leibes[1]
[1] Definition der Konzilsväter für die Seele auf dem 15. Konzil von Vienne/Sâone-et-Loire/F in den drei Sitzungen vom 16.10.1311 bis 6.5.1312
Aristoteles
„Über die Seele“.
De anima.
Griechisch-Deutsch.
Übersetzt und herausgegeben von Klaus Corcilius: Hamburg, 2017. 260 S., br., 22,90 €
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Karl Leisner begegnete dem Begriff „anima forma corporis“ zum ersten Mal in seinen Exerzitien in Gerleve.
Tagebucheinträge
Gerleve, Montag, 7. September 1931
1. Vortrag[1]:
Wesen des christlichen Lebens. Genügt das menschliche Denken und Können, um die Religion, die Verbindung zwischen Himmel und Erde, wiederherzustellen? – Nein!
Gottes heiligmachende Gnade. Nicht oft direkt ([wie bei] Paulus vor Damaskus[2]), sondern indirekt durch Zeichen, in die Gott seine Gnade hineingelegt hat. (Symbolismus) – (Mysterium)
Mysterium = Vollzug der Verbindung zwischen Himmel und Erde. (Religion)
Was ist Liturgie? Der Ritus, unter dem sich das Mysterium vollzieht.
Kreis des Glaubensbekenntnisses: Ich [glaube] an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Nachlaß der Sünden und ein ewiges Leben. – Amen.
(Anima forma corporis) Konzil von Vienne 1311–12.
[1] Das Wesen des christlichen Lebens, das aus der Spannung „Tun des Menschen – Gnade Gottes“ besteht. Gottes Gnade kann direkt wirken wie bei Paulus, aber auch durch Zeichen. Von daher sind Liturgie und Ritus wichtig. Es folgt ein Hinweis auf die Formkraft der Seele für den Leib.
[2] vgl. Apg 9,1–22; 22,5–16; 26,12–18; Gal 1,13ff
1. Abschnitt Leib und Seele.
Leib : Seele.
Der Leib muß von der Seele durchdrungen, vergeistigt sein. In allem muß man merken, daß die Seele, das bessere Ich, den Leib in Gewalt hat. Der Leib soll ausgebildet und von der Seele durchbildet werden.
formatio corporis [Formung des Leibes] – anima forma corporis.
Die Seele muß „herausleuchten“ aus dem Körper! „Verklärung“ des Leibes. Durchgeistigte Leiblichkeit. Leib und Seele sollen und müssen ihr volles Recht haben. Beides ist zum Menschen notwendig. Im Leib übersetzt sich die Seele ins Körperliche!
Erwähnung der anima in unterschiedlichen Zusammenhängen
Vorlesung von Donnerstag, 13. Dezember 1934
Peter Wust: Psychologie [Universitätsmitschrift Nr. 4, 30–32]
16. Diktat:
33. Das Wesentliche dieser Einmaligkeit der Person liegt in ihrem unendlichen Seinsgehalt. Sie ist nämlich lebendiger Logos, lebendige Vernunftganzheit, die allem Vernunftgehalt des intentional zugeordnet ist (anima est quodam modo omnia = die Seele ist gewissermaßen alles). Überdies ist sie ein unendliches Wert- und Liebeszentrum, ja die Person vollendet sich erst in dem Maße als lebendiger Logos, wie sie als Willens- und Liebeswesen von der Tiefe ihres Gemütes her bestimmt ist. Deshalb ist das „Herz“ (und nicht der Intellekt) das eigentliche Zentrum der Person. In dieser Wahrheit wurzeln die tiefsten Einsichten Augustins [von Hippo], [Blaise] Pascals, [Søren Aabye] Kierkegaards, [Max] Schelers. (Max S. darin bekämpft (ordo amoris!) von den katholischen (!) Intellektualisten).
34. Dieser innerste Wertreichtum der Person ist die Zone ihrer unnahbaren Intimität. Das innerste Heiligtum der Person ist eine Stätte, die Ehrfurcht gebietet. Besonders die großen Mystiker haben diese Intimitätszone der Person mit immer neuen Wendungen charakterisiert. Sie bezeichnen sie als den innersten Einheitspunkt der Seele als das „intimum et abditum mentis“, als „apex und acies mentis“, als die Seelenburg (Heilige Theresia von Avila[1]), als „scintilla animae“ oder das Seelenfünklein (Eckehart). Hier ist nach der Lehre der Mystiker die eigentliche Begegnungsstätte zwischen Gott und Seele, der Ort der wahren Stille, wo die Zeit sich mit der Ewigkeit berührt.
[1] Theresia von Avila schrieb 1577 „Die Seelenburg“ oder „Die innere Burg“ (Originaltitel: Moradas = Wohnungen).
Münster, Freitag, 31. Mai 1935
Raus aus dem erstarrten Dickpelz der Sünde – weg mit dem Bonzenbauch in jeder Beziehung.
Apostolus esse! In tota creatura corporis, spiritus animaeque! [Apostel sein! In der ganzen Geschöpflichkeit des Leibes, des Geistes und der Seele!]
Referat 1935
Ausführung
Das 19. Jahrhundert trat das Erbe des rationalistisch-aufgeklärten 18. an. Gewaltige Entwicklungen – gewaltige Spannungen überstürzen sich …
Die Technisierung, die Industrialisierung schaffen mächtig vorwärts. Ein Tempo ungesunder Hast und Gier überfällt die Menschen. – Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sich selbst (animam suam [seine Seele]) verliert? [vgl. Mk 8,36]
Bücherlese vom 20. Januar 1936
„In silentio et quieto proficit anima [devota]“. [Im Schweigen und in der Stille gewinnt die andächtige Seele.]
(De Imitatione Christi [Thomas von Kempen, Nachfolge Christi[1]])
[1] 1. Buch, Kapitel 20,29, s. Thomas von Kempen: De Imitatione Christi. Nachfolge Christi und vier andere Schriften lateinisch und deutsch, München 1966: 90
Samstag, 8. Februar 1936
Consolator optime, dulcis hospes animae, dulce refrigerium! [Tröster wie keiner, der Seele süßer Gast, süße Labe![1]]
[1] 3. Strophe der Sequenz „Veni, Sancte Spiritus“ des Pfingstsonntags. Übersetzung: Schott 1932: 513
Bücherlese nach dem 16. Februar 1936
Deum et animam scire cupio. Nihilne plus? Nihil omnino. [Gott und die Seele, dies ist, was ich zu kennen verlange. Nichts anderes? Nichts anderes.][1] ([Augustinus] Soliloquia [Selbstgespräche] I, 2,7[2])
[1] Gilson, Stefan: Der heilige Augustin. Eine Einführung in seine Lehre, Hellerau 1930: 57 (zit. Gilson 1930)
[2] Augustinus, Aurelius: Soliloquia – Selbstgespräche. Die echten Soliloquien. Ins Deutsche übertragen von Ludwig Schopp, München 1938
Cujus (philosophiae) duplex est quaestio: una de anima, altera de Deo. [Zu dieser Philosophie gibt es eine doppelte Frage: eine nach der Seele, die andere nach Gott.] ([Augustinus] De ordine [Die Weihe] II, 18,47)[1]
[1] Gilson 1930: 57
Haec lux, quae ista manifesta sunt, utique intus in anima est. (Dieses Licht, durch das jenes offenbar ist, ist in der Seele). So führt uns also wider alles Erwarten die Zergliederung der Empfindung vom Außen der Dinge in das Innen der Seele.
Aus Gilson, der heilige Augustinus. (Seite 123)
„Wenn die Seele sich sucht und über sich hinaus die beseligende Wahrheit, die jeder Mensch ersehnt, so sucht sie in Wirklichkeit Gott, wenn sie es auch nicht weiß.“ (Gilson Ste. 188)
Fortsetzung:
„Zu ihm strebt sie hin über die äußersten Grenzen ihres Gedächtnisses hinaus und strengt sich an, ihn in seiner zeitlosen Wahrheit zu erreichen. Aber sie strebt nur deshalb zu ihm, weil er mit ihr ist und sie von innen her belebt, ähnlich wie die Seele selbst ihren Körper belebt: Ut vita carnis anima est, ita beata vita hominis Deus est. (So wie das Leben die Seele des Fleisches, so ist das beseligende Leben des Menschen Gott).
Als Lebensprinzip der Seele, die selbst das Prinzip des Lebens ist, ist Gott also das Leben unseres Lebens: Vita vitae meae (Das Leben meines Lebens); innerlicher als die Seele, die in uns das Innerste ist, ist Gott tiefer als unser Tiefstes; und höher als die Wahrheit, die in uns das Höchste ist, ist Gott höher als unser Höchstes: Interior intimo meo et superior summo meo. (Op. cit., III, 6,11). Gott ist also mit einem Worte das Licht unseres Herzens, das nährende Brot unserer Seele, die unsern Geist und den Schoß unseres Denkens befruchtende Kraft: Deus lumen cordis mei, et panis oris intus animae meae, et virtus maritans mentem meam et sinum cogitationis meae. (Op. cit., I,13,21). Nicht beweisen wollen wir ihn, sondern ihn finden.“ (Gilson 188/9)
Dahlen, Sonntag, 11. April 1937, 2. Sonntag nach Ostern
Ein Sonntagmorgen wie nie! Ich stehe früher auf und bete die heilige Messe. Die Epistel und das Evangelium geben viel: Christus, der pastor et episcopus animarum nostrarum! [Hirt und Bischof unserer Seelen![1]] Der gute Hirt.
[1] abgewandelter Schlußsatz der Lesung des 2. Sonntags nach Ostern (1 Petr 2,21–25)
Bad Schandau, Montag, 17. Mai 1937, Pfingstmontag
Vorher Karten an Kpl. St. [Kaplan Ferdinand Stegemann], Decht. K. [Dechant Jakob Küppers] und Manes [Hermann] Mies. – Stunde der Seele. Innerstes spricht sich aus.
Oremus pro invicem. Veni, Sancte Spiritus, veni, veni, dulcis hospes animae.[1] [Beten wir füreinander. Komm, Heiliger Geist, komm Der Seele süßer Gast.]
[1] aus der 1. und 3. Strophe der Pfingstsequenz Veni, Sancte Spiritus
Georgsdorf, Sonntag, 13. Juni 1937
Ein ruhiges Hornsignal blas’ ich in die weite Nacht. Pax noctis circumdat animam. – In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum. [Der Friede der Nacht umfängt die Seele. – In Deine Hände, Herr, empfehle ich meinen Geist. (vgl. Ps 30/31,6; Lk 23,46)]
Mein Tagebuch
Wintersemester 1937/38, Münster – Kleve
Aus Psalm 24/25
Ad Te, Domine, levavi animam meam. [Zu Dir, o Herr, erhebe ich meine Seele.]
Münster, Donnerstag, 4. November 1937, Dies nominalis [Namenstag] Heiliger Karl Borromäus
Übermorgen ist dies animae![1] Das muß ein Tag ganz großer Tiefe und Ruhe mit Christus werden!
[1] Tag der Seele – persönliche Formulierung von Karl Leisner für einen Tag der Besinnung
Nachdem seine Tagebücher beschlagnahmt worden waren, schrieb Karl Leisner eine Zeitlang in fremden Sprachen.
Münster, Samstag, 6. November 1937, Priestersamstag, Dies animae
Dies animae mensalis pro Nov. hodie! [Dies animae menstruus pro mense Novembre hodie! – Heute ist der monatliche Tag für die Seele für November!]
Münster, Dienstag, 23. November 1937
Potest esse quaedam caecitas usque adhuc animae meae. Itaque mandatum horae: Veritas et claritas interna! [Es kann jetzt noch eine gewisse Blindheit für meine Seele geben. Daher das Gebot der Stunde: Wahrheit und innere Klarheit!]
Münster, Montag, 29. November 1937
Ad Te, Domine, levavi animam meam. [Zu Dir, Herr, erheb’ ich meine Seele.]
Kleve, Sonntag, 2. Januar 1938
7.00 Uhr heilige Messe. Nachher mit Kaplan H. [Albert Heistrüvers] unterhalten. O ihr animae anxiatae [anxiae – ängstlichen Seelen]!
Münster, Donnerstag, 6. Januar 1938, Erscheinung des Herrn
Domine, non sum dignus, [ut intres sub tectum meum:] sed tantum dic verbo! – Et sanabitur anima mea. [Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehest unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort! – So wird meine Seele gesund.[1] (vgl. Mt 8,8; Lk 7,6)]
[1] Gebetsvers vor dem Kommunionausteilen in der Eucharistiefeier, s. Schott 1932: 415
Münster, Montag, 14. Februar 1938
Erat pro anima mea „ein Erlebnis“ subtilis atque enthusiasmans [me incendens] pro Dante. – Gratias ago! [Es war für meine Seele ein feines Erlebnis und begeisterte mich für Dante. – Ich sage Dank!]
[…]
Secunda epistula huius diei venit de Georg Fr. Regensburgo [Castris Reginis]. – Amicitia et cameratio [sodalium fraternitas] delectat animam et vivificat [reddit alacre] cor gaudio vero et licito – et profundo et complente! [Der zweite Brief dieses Tages kam von Georg Fromm aus Regensburg. – Freundschaft und Kameradschaft ermuntert die Seele und belebt das Herz mit wahrer und statthafter – sowohl tiefer als auch erfüllender Freude!]
Münster, Dienstag, 22. Februar 1938
Habebat perfectam castitatem animae corporisque. Castitas perficit claritatem spiritus sui. Quare Doctor angelicus nominatus est. [Die Keuschheit vollendet die Klarheit seines Geistes. Deshalb wurde er (Thomas von Aquin) engelgleicher Lehrer genannt.]
Münster, Dienstag, 1. März 1938
3. Libertà interna dall’ tempore inquieto. – Profondarsi nella propria anima, nel Cristo! [3. Innere Freiheit in unruhiger Zeit. Sich in die eigene Seele vertiefen, in Christus!]
Münster, Sonntag, 24. April 1938, Weißer Sonntag (Dies animae)
Münster, Sonntag, 1. Mai 1938, 2. Sonntag nach Ostern
Sustinuit anima mea in verbo eius; speravit anima mea in Domino. [So baue, meine Seele, auf sein Wort, und hoffe auf den Herrn.
Münster, Mittwoch, 4. Mai 1938, Heilige Monika
In manus Tuas, Domine, commendo vitam, animam et spiritum meum! [In Deine Hände, Herr, empfehle ich mein Leben, meine Seele und meinen Geist! vgl. (Lk 23,46)]
Münster, Freitag, 6. Mai 1938, Herz-Jesu-Freitag
An der Vigil zum Dies animae, zum Sonntag, den 8.5.1938
Münster, Sonntag, 8. Mai 1938
Dies animae seu renovationis spiritualis [Tag der Seele oder der geistlichen Erneuerung]
Münster, Donnerstag, 12. Mai 1938, Dies V. novae [5. Tag der Novene]
(Dies festivus animae [Festtag der Seele Josef]) Pieper 66–106.[1]
[1] Christenfibel, Das Leben des Christen mit der Kirche. S. 66–84; Die Tugenden des Christen. S. 85–104; Die Vollendung des Glaubens und des Lebens. S. 105–106
Münster, Montag, 23. Mai 1938
Magnificat anima mea Dominum! Quia respexit humilitatem ancillae suae. [Hoch preiset meine Seele den Herrn! Gnädig hat er herabgeschaut auf seine niedrige Magd.[1]]
[1] Verse des Magnifikat; Schenk, Johann: Deutsches Brevier. Vollständige Übersetzung des Stundengebetes der römischen Kirche, 2 Bde., Regensburg 1937, Bd. I: 23*, vgl. Lk 1,46.48
Aus der Nachfolge Christi, De imitatione Christi, von Thomas von Kempen:
Multa verba non satiant animam; sed bona vita refrigerat mentem: et pura conscientia, magnam ad Deum praestat confidentiam. [Viele Worte sättigen die Seele nicht; aber ein gutes Leben erfrischt den Geist, und ein reines Gewissen gibt großes Vertrauen zu Gott. (1. Buch, II,9)]
Münster, Sonntag, 10. Juli 1938, Heilige Amalia
Libera me, Domine, libera me. Anima mea suspirat vehementer ad Te. – Non capio sortem animae meae. [Befreie mich, Herr, befreie mich! Meine Seele verlangt nach Dir mit großer Sehnsucht. – Ich fasse nicht das Schicksal meiner Seele.]
[…]
In Cruce sola Salus! Salus animae, Salus mundi! [Im Kreuz allein ist Heil. Heil der Seele, Heil der Welt!]
Münster, Sonntag, 26. Februar 1939
Mit Freuden sprechen wir den Verzicht, bringen wir das Ganzopfer des Lebens. „Quare tristis es anima mea et quare conturbas me?“ [„Wie kannst du da noch trauern, meine Seele, wie mich mit Kummer quälen?“ (Ps 42/43,5)]
Freiburg/Br., Dienstag, 14. November 1939
„Quaerite Deum, et vivet anima vestra!“ (Ps 68) [„Suchet Gott, und euer Herz lebt auf!“ (Ps 68/69,33)].
Freiburg/Br., Samstag, 2. Dezember 1939
Ad te, Domine, levavi animam meam. Deus meus, in te confido! [Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, auf dich vertraue ich! (Ps 24/25,1f)]
Karl Leisner aus Dachau am Donnerstag, 12. April 1945. Schwarzpost an P. Otto Pies SJ in Pullach:
„In Patientia …“[1]
[1] Evangelium nach Lukas:
In patientia vestra possidebitis animas vestras. – Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen (Lk 21,19).
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Wie sehr sich Karl Leisner mit Aristoteles auseinandersetzte, geht weniger aus seinen Tagebucheinträgen hervor, dort zeigt sich eher die Beziehung von Aristoteles zu Platon[1], als vielmehr aus den Universitätsmitschriften. Leider nimmt das Word Press-Programm die griechischen Buchstaben nicht an.
[1] s. Aktuelles vom 10. März 2016 – Karl Leisner und Platon
Außerdem erwähnt er ihn in der Obertertia in einem Klassenaufsatz und später im Studium einmal in seiner Bücherlese mit einem Zitat von Thomas von Aquin aus dessen „Summa theologiae“. In diesem Werk eines der bedeutendsten Theologen und Philosophen des Hochmittelalters traf er vielfach auf Aristoteles; denn die „Summa theologiae“ ist ein grundlegendes Werk für das Theolgiestudium.
Freitag, 4. März 1932
[Deutsche Aufsätze, S. 18]
8. Klassenaufsatz.
Wie Ekkehard, der lebensfremde Mönch, zu einem lebensnahen Dichter wurde. Nach Victor von Scheffels „Ekkehard“.[1]
Lebendig sehen wir ihn vor unsern Augen, den frommen, weltweisen, doch – ach so wenig noch lebenserfahrenen Benediktinermönch Ekkehard. Ja, er ist fürwahr ein gelehrter, weiser Mensch; denn er hat viele, von Weisheit triefende Bücher gelesen und studiert. Er überragt an Gelehrsamkeit, Bildung und Geistesschärfe alle andern Mönche. In der Klosterschule ist er den heranwachsenden Mönchlein ein kluger, sicherer Führer durch die „gefährlichen, rauhen Hohlwege“ alter lateinischer Schriften. Er weiß die Schüler vortrefflich über die Schwierigkeiten Vergils[2] und Aristoteles’ hinwegzubringen. Kurz, er ist ein Mönch, wie er sein soll, eine Zierde des Klosters.
[1] Scheffel, Victor von: Ekkehard. Eine Geschichte aus dem zehnten Jahrhundert, Berlin W 50 o. J.
[2] Publius Vergilius Maro (* 15.10.70 vermutlich in Andes bei Mantua/I, † 21.9.19 v. Chr. G. in Brindisi/I) – römischer Dichter
Bücherlese vom 20. Januar 1936
Aus der Summa theologiae des heiligen Thomas.[1]
„Virtuosa est mensura et regula humanorum actuum.“ (Aristoteles in 10 Eth cap 5 [10 Nikomachische Ethik Kapitel 5]) [Ein tugendhafter Mensch ist Maß und Regel menschlicher Taten.][2]
[1] Randbemerkung Karl Leisners zum folgenden Text
[2] Summa theologiae, Prima Pars, Quaestio I, Articulus 6
Universitätsmitschriften
Vorlesung vermutlich von Mittwoch, 9. Mai 1934
Peter Wust: Noetik und Logik [Universitätsmitschrift Nr. 3, 3–6]
PS aus dem vorigen Kolleg:
Aristoteles schreibt schon, daß der Philosoph aus dem zermürbenden Existenzkampf nach der Muße streben muß (nicht nach der Faulheit!), und daß die Völker je mehr sie nach dieser Muße streben, desto größere Geister haben. (→ Deutschland: Kant[1] Beethoven[2], Mozart[3] usw. – Das nationalistische Frankreich nicht!) – Die philosophische Größe eines Landes richtet sich nach dem übervölkischen Raum, wohin diese Geister streben. – Der Philosoph muß nach der Wahrheit streben, die zeitlos ist und für die keine Uhren schlagen. Er muß also über der Zeit stehn! Aber keine Pseudohaltung (antireligiös, antimetaphysisch) – (→ Das Pseudoideal der historistischen Philosophie nach 1860.): Man wollte kein Werturteil abgeben und sagte: „Alle Systeme sind der Wahrheit gleich nahe“. (= Haltung der absoluten, radikalen Kritik gegenüber dem Sein.) Der echte Philosoph muß sich zum Seinsvertrauen durchringen (→ die großen antiken und mittelalterlichen Denker!)
[1] Immanuel Kant (* 22.4.1724 in Königsberg/Kaliningrad/RUS, † 12.2.1804 ebd.) – Philosoph – Begründer des „Deutschen Idealismus“
[2] Johann Sebastian Bach (* 21.3.1685 in Eisenach, † 28.7.1750 in Leipzig) – Komponist der Barockzeit
[3] Ludwig van Beethoven (* 16.12.1770 in Bonn, † 26.3.1827 in Wien) – Komponist der klassisch-romantischen Periode
Vorlesung vermutlich von Mittwoch, 16. Mai 1934
Peter Wust: Noetik und Logik [Universitätsmitschrift Nr. 3, 10–12]
19340516 (1)
PS aus dem Kolleg:
Gegensatz Platon : Aristoteles
Augustin[1] : Thomas[2]
Bei diesen ganz Großen jedoch ist nur eine Seite besonders betont, während die andere Art bei ihnen jedoch nie ganz fehlt! Aristoteles ist auch platonizon [platonisiert]. Die Behauptung Kants jedoch, der Mensch als Mensch überhaupt sei seiner Natur nach ein Vorurteil für das rein geistige Erkennen der Philosophie, geht zu weit!
[1] Bischof Aurelius Augustinus von Hippo (* 13.11.354 in Thagaste/Souk Ahras/DZ, † 28.8.430 in Hippo Regius/Annaba/DZ) – Bischof von Hippo Regius 395 – Bekenner, Großer Kirchenvater u. bedeutendster lateinischer Kirchenvater – Gedenktag 28.8.
[2] Thomas von Aquin (* um 1225 auf Schloß Roccasecca bei Aquino/I, † 1274 in Fossanova/I) – Dominikaner – bedeutender Theologe u. Philosoph des Hochmittelalters – Heiligsprechung 1323 – Gedenktag 28.1.
Vorlesung von Mittwoch, 27. Juni 1934
Peter Wust: Noetik und Logik [Universitätsmitschrift Nr. 3, 43–45, hier 44]
Der partielle Zweifel bezieht sich nur auf Einzelsachverhalte, der totale Zweifel dagegen stellt den ganzen Bereich der Wahrheit in Frage. Der relative oder methodische Zweifel ist nur eine vorläufige Urteilsenthaltung, die im Dienste der Wahrheitssuche steht. Historisch bedeutsam wird der methodische Zweifel seit Descartes[1]. Er hat jedoch seine Vorläufer in der aporetischen Methode des Aristoteles, in der sic-et-non-Methode Abaelard’s[2] und in der Verfahrensweise des heiligen Thomas beim Aufbau seiner Quaestionen, der absolute oder radikale Zweifel ist dem totalen Zweifel verwandt, oder er ist im Grunde mit ihm identisch.
[1] René Descartes (* 31.3.1596 La Haye en Touraine/Descartes/Indre-et-Loire/F, † 11.2.1650 in Stockholm) – französischer Philosoph u. Mathematiker
[2] Pierre (Petrus) Abaelard (* 1079 in Le Pallet/Loire-Atlantique/F), † 21.4.1142 in Saint-Marcel/Saône-et-Loire/F) – Philosoph u. Theologe der Frühscholastik
Vorlesung von Freitag, 13. Juli 1934
Peter Wust: Noetik und Logik [Universitätsmitschrift Nr. 3, 60f.]
Ein Vorspiel zum mittelalterlichen Universalienstreit ist in der griechischen Philosophie der Kampf um die platonische Ideenlehre. Für Platon bedeuten die Ideen als das allein wahrhafte Sein die Wirklichkeitsgrundlage und das Gegenstandskorrelat unserer Begriffe. Die wirklichen Dinge aber können zum Seinsgehalt unserer Begriffe nichts beitragen, weil sie nach Platons Meinung selbst nur ein sehr unvollkommenes, schattenhaftes Sein besitzen. Aristoteles bekämpft diese Auffassung Platons, indem er die Idee als das den Dingen einwohnende Formprinzip betrachtet und damit unsere Begriffe in ein enges Verhältnis bringt zu dem realen Sein der uns umgebenden Welt.
Die endgültige Lösung dieses mit Platon einsetzenden Streites um das Verhältnis von Begriff und Wirklichkeit ist in jenem gemäßigten Realismus gegeben, der alle drei Regionen des Universalen anerkennt, nämlich das universale ante rem (die den Dingen vorausgehende Idee), das universale in re (die den Dingen einwohnende Seinsform) und das universale post rem (unser Begriff). Nach diesem gemäßigten Realismus haben also unsere Begriffe unmittelbar ihre Seinsgrundlage in der veritas ontologica der Dinge und mittelbar in der veritas prima als der Seinsregion des Absoluten.
Vorlesung von Freitag, 20. Juli 1934
Peter Wust: Noetik und Logik [Universitätsmitschrift Nr. 3, 68–70]
§ 30. Die wichtigste Unterscheidung ist die des Individual- und des Universalbegriffs. Individualbegriffe im ganz strengen Sinne gibt es nicht; denn das Individuelle kann nur auf dem Wege über allgemeine Bedeutungen erfaßt und ausgesagt werden. Es gibt höchstens annäherungsweise begriffliche Ausdrücke, die sich nur auf ein Individuum beziehen im Gegensatz zu den Allgemeinbegriffen, die für eine Vielheit von Gegenständen gelten. Der Allgemeinbegriff wird von den Individuen die in seinen Umfangsbereich fallen, eindeutig oder univok ausgesagt. So wird zum Beispiel das Menschsein eindeutig ausgesagt von Sokrates[1], Platon und Aristoteles ohne Rücksicht darauf, daß es in der physischen Ordnung jeweilig nach den individuellen Noten modifiziert erscheint. Nicht zu verwechseln ist der Allgemein- oder Universalbegriff mit dem Kollektivbegriff wie zum Beispiel Wald, Heer, Erde und dergleichen. Auch die analogen Universalbegriffe sind nicht ohne weiteres mit den univoken Universalbegriffen zusammenzustellen.
Die höchsten Universalbegriffe zerfallen in drei Gruppen: 1. Die Kategorien oder praedicamenta (modi essendi), deren Zahl bald höher bald niedriger angenommen wird. So zählt Aristoteles 10, Kant 12 Kategorien auf. Auf jeden Fall sind die wichtigsten Kategorien folgende drei: Substanz, Akzidenz, Relation; Ding, Eigenschaft, Beziehung. 2. Die fünf praedicabilia (modi praedicandi = Aussageweisen) sind die obersten Universalbegriffe der logischen Ordnung. Es sind: Gattung, Art, Spezifische Differenz, Eigentümliches, Zufälliges oder lateinisch: genus, species, differentia specifica, proprium, accidens. – 3. Über diese beiden Gruppen hinaus führen uns als die allgemeinsten Universalbegriffe überhaupt die sogenannten Transzendentalien: res, ens, verum, bonum, aliquid, unum. („Revbau“). Diese Transzendentalien sind jedoch nur analoge Universalbegriffe.
[1] Sokrates (* 469 in Alopeke/Athen, † 399 v. Chr. G.) – Philosoph
Vorlesung von Freitag, 16. November 1934
Peter Wust: Psychologie [Universitätsmitschrift Nr. 4, 11–13]
14. Nach der aristotelischen Definition ist die Seele das Lebensprinzip des belebten Körpers. Dieses Lebensprinzip hat die Aufgabe einer gewissen Verinnerlichung des ihm zugehörigen Lebewesens zu dienen. In diesem Sinne hat Thomas dem biologischen Seelenprinzip des Aristoteles seine tiefere metaphysische Ausdeutung gegeben (s. gent. lb. 4. cap 11 [Summa contra gentiles, Buch 4, Kapitel 11]). Es ist jedoch zu beachten, daß dabei der Begriff des Lebens ganz universal gefaßt ist, insofern die Art der Verinnerlichung eine immer strengere Gestalt annimmt von der Pflanze über das Tier bis hinauf zum Leben des Menschengeistes, ja bis zum Leben der reinen Geister und schließlich bis zum absoluten Geist. Bei dieser Weite der Fassung des seelischen Prinzips ist zunächst die untere Grenze der Psychologie streng festgelegt. Die anorganische Welt scheidet aus. Aber die obere Grenze macht jetzt Schwierigkeiten; denn nun reicht die Psychologie sogar in das Reich der reinen Geister hinüber, um am Ende die ganze natürliche Theologie in sich aufzunehmen.
Vorlesung von Donnerstag, 7. Februar 1935
Peter Wust: Psychologie II [Universitätsmitschrift 5, 70f.]
72. Zu diesen Zerspaltern des seelischen Ganzheitsprinzips gehören schon Platon und Aristoteles, der eine mit seiner Lehre von der Trieb-, Mut- und Geistseele (Phaidros), der andre mit seinem „von außen“ qÚraqen in die Seele eintretenden Geist oder noàj. Immer wieder taucht dann dieses Problem der Spannungseinheit in der Geschichte der Psychologie in dieser falschen Auffassung auf. In der gegenwärtigen Psychologie beobachten wir das wieder bei den psychoanalytischen Schulen oder auch in der „Seele-Geistspannung“ von Ludwig Klages. Indessen gerade die seelische Zerrissenheit, von der die Psychoanalyse ausgeht, ist eine Erscheinung, die den Identitätscharakter des personalen Selbst durch alle dialektische Spannung hindurch mit aller Deutlichkeit erkennen läßt. Es ist der besondere Vorzug der metaphysischen Psychologie eines Augustin [von Hippo], eines [Blaise] Pascal und sogar eines [Søren Aabye] Kierkegaard, daß sie die Zusammengehörigkeit des dialektischen Charakters der menschlichen Natur und des beharrenden geistigen Selbststandes der Person immer scharf betont haben.
Vorlesung von Dienstag, 12. Februar 1935
Peter Wust: Psychologie II [Universitätsmitschrift 5, 75]
PS Gewisse Erstarrung der Kirche im Mittelalter mit dem Sieg des Aristotelismus!