Audio-Beitrag von Heinz Dresbach über Karl Leisners Priesterweihe

Prälat Heinz Dresbach [1], ehemaliger KZ Häftling (1941 – 1945), berichtet bei Führungen im Bereich der KZ Gedenkstätte Dachau Anfang der 70er Jahre – über den Priesterblock 26. Dort gab es seit Januar 1941 eine einfache Kapelle. Er erwähnt das besondere Ereignis – die geheime Priesterweihe von Karl Leisner am 17.12.1944 und seine Primiz am 26.12.1944.

 

 

 

[1] Schönstattpriester Prälat Heinrich (Heinz) Maria Dresbach (* 25.11.1911 in Köln, † 5.7.1993 in Simmern / Westerwaldkreis) – Priesterweihe 23.2.1939 – Er kam wegen Äußerungen gegen Heinrich Himmler und die SS am 29.8.1941 ins KZ Dachau. Dort war er enger Mitarbeiter von Pater Joseph Kentenich SAC. Außerdem war er der erste Gruppenführer der KZ-Schönstattgruppe „Victor in vinculis (Mariae)“. Siehe LINK am Ende. Am 5.4.1945 wurde er aus dem KZ Dachau entlassen. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.

Den nachfolgenden Text (eine Wiedergabe des gesprochenen Wortes von Prälat Dresbach) hat Sr. M. Elinor Grimm, Mitglied des Säkularinstituts der Schönstätter Marienschwestern, verfasst. Schwester Elinor ist seit 2009 Dachau-Referentin und besitzt die offizielle Erlaubnis, Führungen oder Seminare zu halten.

Text des gesprochenen Wortes von Prälat Dresbach:

Pius XII. hatte mit Berlin verhandelt wegen der Geistlichen, die gefangen waren. Er hatte da allerhand Bedingungen gestellt, und Berlin war darauf eingegangen. Unter anderem war daraufhin die Kapelle eingerichtet worden. Als ich Anfang September 1941 hier auf Block 26 kam und am nächsten Morgen zum ersten Mal an der Messe teilnehmen konnte – morgens kurz nach 4 Uhr war die -, da war also die Kapelle, da stand dort an der Giebelfront der Altar, bestehend aus einem Küchentisch, und in der Schublade des Küchentisches wurde das Allerheiligste aufbewahrt. Das war der Tabernakel. Und die kostbare Altarspitze, das war ein Betttuch mit dem großen Stempel „Waffen-SS“ da drauf. Das war der Schmuck! Das war unsere Kapelle. Aber das spielte alles keine Rolle. Die Hauptsache, das große Erlebnis war, dass der Eucharistische Herr hier zu uns ins Lager gekommen war und dass wir ihn hier empfangen konnten. Das war für uns in der ganzen Lagerzeit unbezahlbar. Das war das Ereignis von Dachau, die Quelle aller Kraft.

An diesem Altar ist Karl Leisner, ein Diakon aus der Diözese Münster, der in hohem Grad lungenkrank war, der als Lungenkranker verhaftet worden ist, hier, an diesem Altar ist er zum Priester geweiht worden. Es war die einzige Priesterweihe, die in einem Konzentrationslager stattgefunden hat. Am Gaudetesonntag, am 3. Adventsonntag 1944. Dort, wo der Stein ist, da hat er auf dem Boden gelegen, und wir haben die Allerheiligenlitanei über ihn gesungen. Und gleich davor hat er auf der Stufe des Altares gekniet. Und der Bischof aus Südfrankreich, auch ein Mitgefangener, hat ihm die Hände aufgelegt und ihm das Sakrament der Priesterweihe gespendet. Und wir durften ihm auch die Hände auflegen. Es durften nicht allzu viele Mitbrüder in die Kapelle, sonst kriegte der Karl keine Luft mehr, weil es mit seiner Lunge schon so schlecht stand.

Er hat dann am zweiten Weihnachtstag, am Stephanustag, hier an diesem Altar seine erste und zugleich letzte heilige Messe gefeiert. Es ging dann immer mehr bergab. Er ist dann später herausgeschmuggelt worden, nachdem die Amerikaner kamen, und ist dann in Planegg bei München – in einem Sanatorium hat er gelegen und ist dann am 12. August 1945 gestorben. Und er hat sich so gesehnt, noch einmal zelebrieren zu dürfen, aber das war nicht möglich, auch kräftemäßig. Ja, das war ein ganz großes Opfer.

Pater Klein hat ein Heft geschrieben über ihn, wo drin gut dargestellt ist die einzelnen Etappen, die Gott ihn geführt hat, um ihn in ein immer größeres Kreuz hineinzuführen. Und er ist sicher, davon bin ich immer schon überzeugt, ein Märtyrer unserer Tage.

Er war in der Schönstattgruppe, deren Gruppenführer ich eine Zeit lang sein durfte. Später hat ein anderer die Gruppe gehabt. Er war die meiste Zeit drüben in einem der Blocks im Revier bei den Lungenkranken, und wir konnten immer nur brieflich miteinander in Verbindung bleiben. Nur wenn die Gefahr eines Invalidentransportes kam, dann ist er hierherüber zu uns gekommen. Sein Stubenältester durfte natürlich nicht wissen, dass er am Gaudetesonntag zum Priester geweiht wurde. Die SS durfte das dreimal nicht wissen. Karl sagte zu seinem Stubenältesten: Hör mal, Sowieso – ich weiß nicht, wie der hieß -, ich muss mal wieder andere Tapeten sehen.

Er gab ihm etwas zum Rauchen und sagte: Lass mich doch für eine Stunde auf Block 26 gehen. Und der sagte: Hau ab! Dann wurde er hier zum Priester geweiht. Das hat natürlich die SS nicht ahnen dürfen. Und ähnlich war es dann am zweiten Weihnachtstag bei der Primiz. Es war sehr schön. Bei seiner Primiz hatten die evangelischen Geistlichen in der Stube 2 ein festliches Frühstück bereitet für den Karl. Karl konnte aber nicht lange dabei sein, weil es ihm einfach nicht möglich war, körperlich. –

(Sr. M. Elinor Grimm, Dachau-Referentin, 24.9. 2019)

In der Darstellung der Priesterweihe ist Rektor Dresbach ein Erinnerungsfehler unterlaufen. Wegen seines labilen Gesundheitszustandes konnte sich der Weihekandidat nicht auf den Boden legen. Er kniete und stützte sich mit den Händen bzw. Armen auf seinen Stuhl. Dies wird von Monsignore Heinz Römer [2] bezeugt; sein Zeugnis im Seligsprechungsprozeß im Jahr 1990 ist wiedergegeben in der fünfbändigen Lebenschronik von Karl Leisner, die der Biograph Hans-Karl Seeger zusammen mit Gabriele Latzel verfasst hat. [3] Pater Gregor Schwake OSB (Kirchenmusiker) berichtet, dass bei der Priesterweihe nicht gesungen wurde, um den Weihekandidaten nicht zu sehr zu belasten. Bei der Audio-Datei handelt es sich um einen Auszug einer längeren Tonaufnahme aus den 70er Jahren.

[2] Monsignore Heinz Römer (* 1.3.1913 in Ludwigshafen, † 13.4.1998) – Priesterweihe 4.7.1937 in Speyer – Er kam wegen Verteidigung des verleumdeten Bischofs Ludwig Sebas­tian von Speyer am 21.2.1941 ins KZ Dachau und wurde am 9.4.1945 entlassen. Er war der letzte Herausgeber der „Stimmen von Dachau“.
Bald nach der Befreiung aus dem KZ Dachau sammelte u. a. Caritasdirektor Hans Carls die Akten über Leben und Sterben von Dachaupriestern und begann mit der Herausgabe der „Stimmen von Dachau“, einer Zeitschrift, in der er die Schicksale seiner Confratres in Dachau schilderte. Die erste Nummer erschien am 1.1.1947, die letzte von ihm redigierte Nummer am 31.12.1948. Von Hans Carls übernahm 1955 diese Aufgabe Josef Neunzig bis Juli 1965. Vom 13.9.1965 bis Frühjahr 1977 (Rundbrief Nr. 14) lag die Verantwortung bei Heinz Römer. Er gestaltete die „Stimmen von Dachau“ nicht mehr als Zeitschrift, sondern als Rundbrief: „gewissermaßen eine schriftliche Unterhaltung“. Man nannte sie dann auch Römerbriefe.
[3] Pater Gregor Schwake OSB (bürgerlicher Name: Theodor Schwake) (*15. April 1892 in Emmerich; † 13. Juni 1967 in Billerbeck (Abtei Gerleve)) war Benediktiner, katholischer Priester, Kirchenmusiker („Apostel des Volks-Chorals“), Komponist, Dichter und ein entschiedener Widersacher des Nationalsozialismus. Am 2. Januar 1944 wurde Pater Gregor in das KZ Dachau überstellt. Ab dem 6. Februar 1944 übernahm er die Leitung des Priesterchores im KZ Dachau und war Organist in der Kapelle im KZ-Block 26 (Pfarrerblock). Seinem Gerlever Mitbruder und Dachauer Mitgefangenen Augustin Hessing OSB (1897–1975) gelang es, Pater Gregor im Kommando „Versuchsabteilung Natürlicher Landbau“ unterzubringen, so dass er – für Dachauer Verhältnisse – vergleichsweise leichtere Arbeiten leisten musste. Während seiner Inhaftierung schrieb er viele Gedichte und komponierte im September 1944 die Dachau-Messe, die am 24. September 1944 in der Kapelle des Pfarrerblocks uraufgeführt wurde, also bezeichnenderweise am Fest Maria vom Loskauf der Gefangenen.
Nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau am 10. April 1945 wirkte Pater Gregor ab dem 29. August 1945 als Seelsorger in der Pfarrei Ettenkirch bei Friedrichshafen. Dort notierte er unter dem Titel „Meine Dachauer Chronik“ die Erinnerungen an seine KZ-Gefangenschaft. Seit dem 2. Mai 1947 lebte er in der Erzabtei Beuron. Im September 1948 kehrte Pater Gregor in seine Heimatabtei Gerleve zurück, nahm das Choral-Apostolat wieder auf und veranstaltete zahlreiche plattdeutsche Liederabende im Münsterland und am Niederrhein. So wurde er weithin als „Der singende Pater“ bekannt. Zudem gründete er die Sing- und Spielschar Gerleve und begann, Theateraufführungen einzustudieren. In der Abtei Gerleve starb Pater Gregor Schwake 1967 sechs Wochen vor seinem Goldenen Priesterjubiläum. An seiner Beisetzung nahmen zahlreiche Dachauer Mithäftlinge teil.

Wir bedanken uns bei Sr. M. Elinor für ihre Initiative und bei Pfarrer Oskar Bühler, Koblenz-Metternich, für die elektronische Nachbearbeitung der Audio-Datei herzlich.

LINK Quellenangabe zu den Fotos: www.moriah.de

LINK zum Bericht über die Schönstattgruppe im KZ-Dachau

LINK zur geheimen Priesterweihe im KZ-Dachau am 17.12.1944