Bernhard Boine
Der Jüngling im Feuerofen. Reportage einer Passion in 9 Szenen. Den Freunden gewidmet, die Leben und Freiheit für ihre Überzeugung einsetzten. (Typoskript o. J.)
Briefauszug:
Bernhard Boine (* 27.9.1912 in Dortmund, † 5.7.1978 in Odenthal-Altenberg) – Dortmund, Paulinenstr. 26 – Volksschule – kaufmännische Ausbildung – Mitglied der Zentrumspartei 1930–1933 – Diözesansekretär des KJMVD u. Diözesanjungscharführer des Erzbistums Paderborn bis 1937 – in der NS-Zeit in Schutzhaft u. Angeklagter vor einem Sondergericht – hohe Geldstrafen u. mehrfacher Verlust des Arbeitsplatzes – Kriegsteilnehmer u. Gefangenschaft bis 1945 – Mitglied der Einheitsgewerkschaft 1945 – danach Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) – Leiter der Sozialabteilung auf dem Dortmund-Hoerder Hüttenverein nach 1945 – Mitglied der CDU – Landessprecher der Jungen Union Westfalen – Stadtverordneter in Dortmund 1946–1951 – Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen 5.7.1950 bis 12.7.1958 – Arbeitsdirektor der Edelstahlwerke Krefeld 1951
Sein Hobby war das Schreiben von Theaterstücken, außerdem war er Spezialist für Theateraufführungen. Seine „Reportage einer Passion in 9 Szenen. Der Jüngling im Feuerofen“ ist „den Freunden gewidmet, die Leben und Freiheit für ihre Überzeugung einsetzten“. In dieses Stück hat er auch Karl Leisners Lebensschicksal eingearbeitet.
Bernhard Boine in Karl Leisners Tagebuchaufzeichnungen und Briefen sowie weiteren Dokumenten:
Wilhelm Wissing:
Erwähnen möchte ich noch Bernhard Boine. Er war Bezirksjungscharführer in der Stadt Dortmund. Zu ihm hatten wir enge Verbindungen, und er war vor allem deshalb beliebt, weil er Theaterstücke schrieb, die wir auf Elternabenden aufführen konnten. Mit seiner dichterischen Begabung hat er nationale Lieder umformuliert. Das war ein gefährliches Unterfangen. Wenn bekannt geworden wäre, was er sich damit erlaubte, es hätte Konzentrationslager für ihn bedeutet. Wir konnten seine Texte auswendig, so etwa die Umdichtung der letzten Strophe des Horst-Wessel-Liedes [Die Fahne hoch], wo es heißt: „Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschieren im Geist in unseren Reihen mit“. Boine machte daraus: „Es hungern immer noch dieselben Volksgenossen, die andern hungern nur im Geiste mit.“[1]
[1] Wissing, Wilhelm: Gott tut nichts als fügen. Erinnerungen an ein Leben in bewegter Zeit. Karl R. Höller (Hg.), Mainz 2001: 33
Clemens Schulz aus dem Bundesamt des KJMVD in Münster am 24. Oktober 1935 an Karl Leisner in Kleve:
Im Auftrage des hochwürdigen Herrn Diözesanpräses [Heinrich Roth] teile ich IHNEN mit, daß ich Ihnen folgende Abschrift zukommen lassen soll: höre und lese:
,,Grüß Gott, lieber Roth!
Von einer Tour durch Baden herzlichen Gruß. – Bernhard Boine, Dortmund, Paulinenstraße 26 – habe ich engagiert für regelmäßige Wochenendkurse zur Schulung unserer Jungführer. Spezialität: frohes Spielen unserer Kerle bei Elternabenden, Stegreifspiele, kurz alles theatermäßige. Aber auch allgemeine Jungführererziehung. – Du wirst ihn wohl kennen.
In Vreden und Ahaus ist er am 20.10. bzw. 13.10. gewesen. – Er ist wirklich ein ganz prima Kerl; daher möchte ich wünschen, daß Du ihn heranziehst für Eure Diözese. Es braucht nur Reisegeld vergütet werden (natürlich mit Verpflegung). Sieh also mal zu.
Im November und Dezember ist er bis jetzt noch frei.
Tapfer treu!
gez. p. ho. s.j. [Pater Horstmann SJ]“
So, jetzt endlich fertig. –
Wann kommst Du wieder nach Münster??
Sonntag [20.10. in Altenberg] ordentlich naß geworden??
Sonst bei Euch alles noch in Butter??
Gruß in aller Eile Dir und dem Wilm [Willi Leisner]
Dein Klesch [Clemens Schulz]
Münster, Sonntag, 24. November 1935
In Dortmund zu Tante Paula. Maria [Väth] öffnet die Tür. Es gibt Brötchen und Kuchen. 10.15 Uhr zum Tivolipalast.[1] ( Programm!) – morgen weiter, gut’ Nacht!
[1] Nach der italienischen Stadt Tivoli sind vielfach Lichtspielhäuser und Theater benannt.
Programm:
Hier die Folge:
Alles klappte gut bis aufs gemeinsame Singen. Nachher mit Bernd [Boine] zum „Heim“ (Paulinenstraße 26). – Mittagstisch zusammen mit seinem Bruder Heinz und einem Breslauer. Frohe Gespräche!
Nachher „fluchtartig“ Bernd verlassen, weil ich sonst den Zug [nach Münster] verpaßt hätte.
Münster, Montag, 25. November 1935
Mittags bei Clemens Schulz. Er berichtet von Düsseldorfer Panne: Das Jugendhaus noch immer besetzt. Es wird verbrannt und versiegelt.[1] GS [Generalsekretär Jakob Clemens] sitzt in Moabit[2]! – Unsere Herzen schlagen brennend vor Scham und Schmach. Werden unsere Bischöfe sich das bieten lassen?? – Wutentbrannt gehen Bernd Brengelmann und ich zum Kasten [Collegium Borromaeum] zurück. Ich bin erst so recht keiner Arbeit fähig. Im Silentium Paket nach Hause gepackt und verschickt.
Ein trauriger verfuschter Tag!
Brief, bzw. Karten an Bernhard Boine, Familie, Kaplan [Ferdinand] Stegemann, Kaplan [Albert] Heistrüvers, Theo Reckhaus und Dortmund [Familie Balthasar Väth].
[1] Zahlreiche Akten wurden von der Gestapo beschlagnahmt und das Haus versiegelt. Ein Siegel vom Februar 1939 befindet sich im Archiv des Jugendhauses.
[2] Damals Stadtteil des Berliner Bezirks Tiergarten, heute Ortsteil im Bezirk Berlin Mitte. Dort befinden sich das Kriminalgericht und die Justizvollzugsanstalt.
Bernhard Boine aus Dortmund am 29. November 1935 an Karl Leisner in Münster:
Grüß Gott, lieber Karl!
Deinen Brief [vom 25.11.1935] habe ich mit Dank erhalten. Jetzt komme ich aber erst dazu, ihn zu beantworten. Die ganze Woche habe ich Vertretung auf dem Bundesamt [des KJMVD in Dortmund, Weißenburgerstraße 20]. Dort haben wir zur Zeit eine große Aktion. Vom Morgen bis zum Abend keine Zeit für eigene Angelegenheiten. Nun ist der DP [Diözesanpräses Heinrich Roth] unterwegs.
Jetzt wird es ja klappen.
Also am Montag bin ich vor dem Schöffengericht freigesprochen worden. Ich habe mich wie ein Löwe verteidigt und wie ein Sieger von Troja den Freispruch entgegengenommen. Es hätte nur noch gefehlt, dass ich das Unschuldskränzchen auf das lockige Haupt gelegt bekommen hätte.
Das gesunde Recht hat gesiegt. Der Richter ist seinem hohen Amt treu geblieben. Dafür habe ich mitgesorgt.
Unser DP wurde von 315,00 Rmk [Reichsmark] auf 150,00 Rmk herunterverknackst. Auch darob grosse Freude in des Bundesamtes Hallen. Am Abend vereinten wir uns zu löblichem Tun bei Kartoffelsalat und Würstchen und feierten den glücklichen Tag, wo wir 465,00 Rmk verdient haben.
Mit 200,00 Rmk Reinertrag sind wir aus der „Religiösen Morgenfeier“ herausgerutscht. Ergebnis: Traurige und freudige Begebenheiten im Leben eines christlichen Sodalen decken sich verblüffend.
Nun zu Deinen Anfragen. Wie hast Du Dir die R. [Religiöse] Woche gedacht? Soll ich da mithelfen oder … ?
Alleine habe ich so etwas noch nie gemacht. Ist auch nicht so einfach. Helfen tue ich gerne dabei. Vielleicht zwei Tage in besonderer Sache. Natürlich im gesetzlichen Rahmen.
25./26. in Kleve kann ich machen. Bitte schnellstens genaueren Bescheid, da noch Anfragen kommen können.
Bezüglich des Dortmunder Aufenthaltes Eurer Kastenbrüder [Bewohner des Collegium Borromaeum] müssten wir uns persönlich mal über die Sache in Ruhe unterhalten. Ich kann mir denken, dass das wohl möglich sein kann.
Eine grosse Enttäuschung muss ich Dir noch bereiten bezügl. der versprochenen Programme. Unsere Führer liefern alle das Geld, niemals aber mehr Karten ab. Das ist für mich sehr erfreulich, für Dich vielleicht nicht so. Einige schicke ich Dir trotzdem anbei. Etwa 30 Dinger habe ich selbst nur noch.
Und nun will ich schliessen. Lass von Dir hören.
In Treue Dein B. B.
Düsseldorf, Donnerstag, 27. Februar 1936
Theo [Kuypers] fährt heim, ich fahre nachmittags [am Donnerstag] mit ihm nach Dortmund zu Bernhard [Boine]. – Der DKW springt an – hei geht die wilde Fahrt durchs Bergische Land. Scharfer, schneidiger, kalter Wind fegt her. Gegen 17.00 Uhr sind wir dort beim Bernhard. Frohes Händeschütteln, leuchtende Freude beim Wiedersehn!
Dortmund, Freitag, 28. Februar 1936
Treffe Bernhard [Boine] wieder nach dem Morgenkaffee und dem Abschied von der guten, tapferen Mutter Rudolfs [Z.], die mir ganz stolz von ihren Kindern erzählt.
Samstag, 6. Juni 1936
Am 6. Juni 1936 schrieben aus Münster mehrere Personen eine Fotokarte mit dem Bild von Ludwig Wolker an Karl Leisner nach Freiburg/Br., Hansjakobstraße 43. Wegen seiner Abwesenheit wurde die Karte an seine Schwester Maria in die Schwarzwaldstraße 111/III weitergeleitet:
Gruß aus Godesberg Wilhelm Wissing[1]
Du Sack! Wie geht’s?! Man hört so wenig von Dir … Herzlich Heil!
Clemens [Witte]
Bernhard Boine
Dein P. Ho [Heinrich Horstmann SJ]
Heil – Heini Spieker
Die Tagung hätte in manchen Teilen besser sein können. Genaue Nachricht über die Arbeit in der Diözese folgt bald. Heil!
Gruß Dein Theo Kuy. [Kuypers]
[1] Wilhelm Wissing studierte seit dem Sommersemester 1936 in Münster Theologie. Vermutlich war er aus Bad Godesberg zur Tagung nach Münster angereist.
Die Zeitschrift „Am Scheidewege“ vom Juli 1937 brachte u. a. einen Artikel von Bernhard Boine:
Georgsdorf, Samstag, 3. bis Sonntag, 4. Juli 1937
Die Juli-„Wacht“ [Zeitschrift Die Wacht] gelesen. – Herrliche Gedanken – auch im Scheideweg [Zeitschrift Am Scheidewege]![1]
[1] Die Zeitschrift Die Wacht vom Juli 1937 hatte folgende Themen:
Bannerträger von Karl Becker. Worte über das Priestertum aus den Schriften des Märtyrerbischofs Cyprian. S. 3f.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du o Gott. S. 8f.
Du mußt Theologie studieren! S. 14f.
Die Berufung. Drei Szenen aus dem neuen Priesterspiel von Georg Thurmair. S. 16
Die Zeitschrift Am Scheidewege vom Juli 1937 hatte folgende Themen:
Schweinwerfer. Günthers neue Religion. S. 4–6
Introibo ad Altare Dei. S. 6–7
Aus dem Heldenbuch der Kirche. S. 9–10
Sterbende Jugend (Heinrich Christopher). S. 12–15 u. 18f.
Tagesfilm eines Jungen in Gott. S. 16–17
Unser neuer Kaplan (Bernhard Boine). S. 20–22
Waffenträger des Königs (Friedel Plures). S. 23–26
Pur. Eine Geschichte von Tilo (Fortsetzung und Ende). S. 27–30
Dortmund, Montag, 3. Januar 1938
Mit Willi [Väth] und den andern einen feinen Tag zusammen. – 17.20 Uhr muß ich leider schon wieder [nach Münster] fahren. Bernd B. [Boine] hat eine prima Stelle. Fein!
Münster, Sonntag, 13. Februar 1938
Ich denke an Willi, die Lieben daheim und an Bernd Ruby im RAD, an alle Kameraden – auch an die, die im Kerker schmachten.[1]
[1] Vermutlich dachte Karl Leisner an Franz Steber, der sich damals noch in Haft befand, ebenso wie an Bernhard Boine, Jakob Clemens, Hans Niermann, Clemens Schulz, Alfred Stecken, Ludwig Wolker u. a., die auf Grund ihrer Jugendarbeit verhaftet, aber bereits wieder entlassen waren.
Sonntag, 11. August 1940
Karl Leisner aus Sachsenhausen, Block 17[1], an seine Familie in Kleve:
So oft denke ich an Euch und all unsre lieben Verwandten, Freunde und Mitbrüder, an die Kameraden der Front zumal. Alle, alle grüßt viel tausendmal! Besonders die lieben Gocher, W. [Weseler], D. [Dortmunder], N. [Neußer Verwandten], Heini Thbg. [Tenhumberg], Walter [Vinnenberg], Dr. P. [Bernhard Peters], Bernhard B. [Boine], Familie Ruby und alle Gönner, Familie Peiffer, [Heinrich] Huyeng, [Jakob] Küppers, [Ferdinand] Stegemann, [Familien] Pollmann, Heuvel usw. Auch Onkel [Bischof] Clemens August [Graf von Galen] und [Arnold] Francken. Allezeit unverzagt!
Karl
[1] In den Baracken 16, 17 und 18 waren vorwiegend polnische Priester untergebracht.
Willi Leisner aus Berlin am 11. Februar 1946 an seine Lieben im Westen und Süden:
Pater [Heinrich] Horstmann [SJ] ist als Superior im Christkönigshaus in Dortmund. Er hat wieder Verbindung mit Bernd Boine in Dortmund und Welm Wissing, der in Münster weiter Theologie studiert. Sie sind glücklich aus dem Krieg heimgekehrt.