
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Urheber: Jörg Holzmüller / CC BY-SA 2.0/de (abgerufen 17.01.2013)
Erster Freideutscher Jugendtag – Karl Leisner zehrte während seines ganzen Lebens von diesem Aufbruch der Jugend am 11./12. Oktober 1913 auf dem Hohen Meißner
Zwei- bis dreitausend vorwiegend junge Leute aus sehr unterschiedlichen Gruppierungen versammelten sich auf dem 749 m hohen Tafelberg im Hessischen Bergland. Sie kamen aus allen Teilen des Deutschen Reiches sowie aus Österreich und der Schweiz. Zum hundertsten Mal jährte sich die Völkerschlacht bei Leipzig. Das wollte man feiern, sich aber bewußt von dem „hurrapatriotischen“ Gehabe der zahlreichen offiziellen Feiern abheben. Außerdem sollte die Freideutsche Jugend, eine lose Dachorganisation verschiedener jugendbewegter und lebensreformerischer Vereinigungen, aus der Taufe gehoben werden. Man formulierte die programmatische Grundlage der Jugendbewegung, die ursprünglich nur als Formelkompromiß der beteiligten Gruppen gedacht war und als Meißner Formel in die Geschichte einging:
Die Freideutsche Jugend will aus eigener Bestimmung und Verantwortung mit innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein. Zur gegenseitigen Verständigung werden freideutsche Jugendtage abgehalten. Alle gemeinsamen Tagungen sind alkohol- und nikotinfrei.[1]
[1] Leuchtturm, Illustrierte Monatsschrift des Bundes Neudeutschland, 1922/1923: 382
Die Einleitungskundgebung fand im Saal und auf dem Hof von Burg Hanstein statt. Eine bedeutende Rede hielt Knud Ahlborn, Vorsitzender der Deutschen Akademischen Freischar (DAF), am Feuer eines gewaltigen auf der Bergkuppe entzündeten Holzstoßes.
Franz Steber (* 15.11.1904 in München, † 29.7.1983 in Münster-Nienberge) – Reichswanderwart des KJMVD 1926 – Reichssturmscharführer der Sturmschar 1929–30.6.1934 – Er machte die Sturmschar zur Kerngemeinschaft innerhalb des KJMVD. Mit seinem Namen verbunden sind das Reichstreffen des KJMVD 1931 in Trier, das Lager der Sturmschar 1932 in Koblenz und die Romfahrt 1935. Am Osterdienstag 1935 heiratete er in Rom seine Frau Christel. 1937 wurde er zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt und ist in der Haft halb erblindet. Nach 1945 war er Mitbegründer der CSU und von 1955 bis 1964 Sozialreferent für die gesamte katholische Jugend Deutschlands.
Bericht von Franz Steber in der Zeitschrift „Die Wacht“:
Nun [1933] sind genau 20 Jahre vergangen, seitdem in Deutschland ein ganz großes Fest gefeiert wurde. Der Deutsche Kaiser [Wilhelm II.] hatte die gesamte deutsche Führerschaft eingeladen, zur Einweihung des Völkerschlachtdenkmals bei Leipzig. […] Ganz Deutschland sprach davon. Da zogen einige tausend junge Menschen auf einen einsamen Berg in der Rhön. Sie wollten sich nicht bei festlicher Tafel treffen und keine rauschenden Feste über sich ergehen lassen. Sie wollten in diesen Tagen aus ihrer Seele und ihrer Not heraus ein Werk schaffen, eine gemeinsame Lebenslinie finden für sich und für Deutschland. Das war vor genau 20 Jahren.
Das Wort Jugendbewegung war damals noch unbekannt. Keine einzige von den Zeitungen schrieb von dem Treffen dieser tausend Jungen. Und doch haben diese tausend die deutsche Jugendbewegung geboren. Am Völkerschlachtdenkmal zu Leipzig sind die Feiern verrauscht, der Geist dieser tausend vom Hohen Meißner ist aber im Herzen der deutschen Jugend aufgegangen und Millionen wissen von ihm, denken an ihn und möchten aus diesem Geiste leben. Die Jungen vom Hohen Meißner waren in Leipzig nicht dabei. Aber, als es galt, für das Vaterland zu sterben, da sind sie mit dem Deutschlandlied auf den Lippen gefallen bei Langemarck.[1]
[1] Die Wacht, Zeitschrift Katholischer Jungmänner, 1933: 185
Dieses Aufbrechen der Jugend wurde jäh durch den Ersten Weltkrieg gestoppt, in dem viele junge Menschen, die sich freiwillig für den Kampf gemeldet hatten, ihr Leben ließen.
Im Vorgriff auf das Jubiläum brachte die F.A.Z. am 10. Juni 2013 einen ganzseitigen Artikel von Prof. Dr. Franz Walter unter der Überschrift „Tanzen sieben Zwerge, bummsfallera. Nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung und in innerer Wahrhaftigkeit feierte die Freideutsche Jugend im Jahr 1913 den Anbruch eines neuen Zeitalters. Es sollte nicht lange währen.“
FAZ.NET vom 9. Juni 2013 – Tanzen sieben Zwerge, bummsfallera
Karl Leisner ging in einem Referat 1935 ausführlich auf den Beginn der Jugendbewegung ein.
Eine äußere Zusammenfassung:
Das Treffen aller Wandervogelbünde und der Freideutschen Jugend auf dem Hohen Meißner im hessischen Bergland: „Die Freideutsche Jugend will aus eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten.“ Eine ständig ansteigende Welle der Freude und des Lebens geht durch das deutsche Land. Überall tauchen die Gruppen auf mit ihren Fahnen und Wimpeln, mit Geigen, Flöten und Zupfgeigen: Die bunten Kittel der Buben, die leuchtend frischen Kleider der Mädchen. – Auf Fahrt sind sie in allen deutschen Gauen. – Sie feiern ihre Feste, tanzen ihre alten Tänze und Reigen, entzünden an Sonnwend [am 24.6.] und hohen Tagen der Gemeinschaft ihre Feuer.
Da bricht der [Erste] Weltkrieg herein, die große Feuerprobe. – Viele junge Führer und Mannen der Wv’s [Wandervögel] – Studenten und junge Arbeiter gehen als Freiwillige zum Heer. Langemark ist der große Aderlaß, aber diese 10.000 gefallenen Studenten und Wandervögel sind ein herrliches Opfer deutscher Jugend.[2]
[2] Anklang an die Heldenverehrung bei Walter Flex in seinem Buch: Der Wanderer zwischen beiden Welten. Ein Kriegserlebnis, München 1918
Festschrift von 1913
Immer wieder kommt Karl Leisner in seinen Aufzeichnungen auf den Beginn der Jugendbewegung zurück, die sein Leben so stark geprägt hat. Wenn er heute lebte, nähme er sicher an der 100-Jahrfeier teil.
Siehe Meißner 2013 – 100-Jahrfeier des Freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meißner.
Quelle der nicht ausgewiesenen Fotos: Karl-Leisner-Archiv