Wilhelm Leisner als Leutnant der Reserve
Justizoberinspektor Wilhelm Johannes Josef Leisner (* 26.9.1886 in Goch, katholisch getauft 3.10.1886 in Goch St.-Maria-Magdalena, Taufpaten Wilhelm Töne u. Johanna Thöneßen, † 13.10.1964 in Kleve) – Einträge in den Personalausweisen von 1953 u. 1963: Größe: 176 cm, Farbe der Augen: blau, unveränderliche Kennzeichen: keine – Besuch der katholischen Volksschule in Goch 1896–1900 – anschließend Besuch der Rektoratsschule in Goch – Schulwechsel in die Untertertia des Gymnasiums in Kleve 16.4.1902 – Mittlere Reife Ostern 1905 – Berufseintritt am Gericht in Kleve – anstelle von zwei Jahren Dienstpflicht in Preußen Beginn des Wehrdienstes als sog. Einjährigfreiwilliger beim Infanterie-Leibregiment in München 1.10.1910/1911 – „überzähliger Gefreiter“ 18.5.1911 – „überzähliger Unteroffizier“ 15.7.1911 – Wechsel zur Reserve 30.9.1911 – Vizefeldwebel der Reserve 13.5.1912
Die Teilnahme an Übungen beim Infanterie-Leibregiment in den folgenden Jahren zeigt, daß er die Beförderung zum Reserveoffizier anstrebte. Das für den 16.7.1913 gedachte Patent zum Reserveoffizier wurde am 11.5.1918 ausgehändigt.
1913 zog Wilhelm Leisner als Amtsgerichtssekretär von Goch nach Neuss, Canalstraße 17. Dort traf er Amalia Falkenstein wieder, die er von Goch her kannte, wo ihrer beider Familien auf der Klever Str. gewohnt hatten. Ihre Familie war inzwischen nach Neuss, Josefstr. 25, gezogen. Am 25.12.1913 war die Verlobung von Amalia Falkenstein und Wilhelm Leisner in Neuss, am 24.4.1914 heirateten sie dort standesamtlich, und am 25.5.1914 war die kirchliche Trauung am Grab des heiligen Albertus Magnus in St. Andreas in Köln. Wilhelm Leisner bekam eine Anstellung am Gericht in Rees. Das Ehepaar Leisner zog nach Rees, Bahnhofstr. 5, in der NS-Zeit Adolf-Hitlerstr., heute Florastr. 9.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1.8.1914 wurde Wilhelm Leisner am 3.8.1914 „überzähliger Offiziersstellvertreter“ und rückte am 4.8.1914 beim Infanterie-Leibregiment in München ein. Dort wurde er dem Brigade-Ersatzbataillon Nr. 1 zugeteilt und am 16.8.1914 in den Vogesen eingesetzt. Am 21.8.1914 wurde er in St. Krenz/Elsaß am linken Oberschenkel verwundet. Vom 22.8. bis 24.9.1914 war er im Reservelazarett in Baden-Baden (Darmstädter Hof). Am 25.9.1914 kam er zum Ersatzbataillon Infanterie-Leib-Regiment. Am 28.2.1915 wurde sein Sohn Karl in Rees geboren, während er im Felde war. Mit seiner Versetzung zum Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 18 war Wilhelm Leisner am 16.1.1915 Leutnant der Reserve und zog ins Feld an die Westfront. Am 23.3.1915 erkrankte er am Reichsackerkopf an erfrorenen Füßen und war vom 24.3. bis 15.5.1915 im Reservelazarett in Colmar. Am 16.5.1915 kam er wieder zum Ersatzbataillon Infanterie-Leib-Regiment und zog am 3.6.1915 mit dem Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 18 ins Feld, wurde am 25.7.1915 bei der Pavillonhöhe bei Mühlbach im Elsaß verwundet und war vom 26.7. bis 24.8.1915 im Reservelazarett in Neuss, wo ihn seine Frau Amalia mit Sohn Karl besuchte. Am 25.8.1915 kam er mit dem Ersatzbataillon Infanterie-Leib-Regiment an die Ostfront. Am 9.7.1916 wurde er als Kompanieführer zum I. Jäger-Regiment Nr. 3 versetzt und war 1916 vor Verdun und zuletzt in den Karpaten eingesetzt. Am 23.11.1916 erkrankte er erneut und lag vom 24.11. bis 4.12.1916 im Feldlazarett 202 Jaynagar-völgy, vom 4.12. bis 19.12.1916 im Feldlazarett 10 Felsö-visso in Ungarn, war vom 20. bis 23.12.1916 auf Transport und vom 23.12.1916 bis 5.1.1917 im Reservelazarett Hindenburg in Oberschlesien (Knappschaftslazarett). Am 7.1.1917 kam er als Adjutant zum Gebirgs-Infanterie-Ersatzbataillon I. Armeekorps nach Immenstadt im Allgäu. Ab 1.6.1917 wohnte er als Leutnant der Reserve in Immenstadt, Pension Kennerknecht, Kemptener Str. 275, heute 57. Zugleich mit der Versetzung zum Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 18 war er 1915 Leutnant geworden. Im Laufe des Krieges erhielt er das Verwundetenabzeichen, den bayerischen Militärorden 4. Klasse mit Schwertern und das preußische Eiserne Kreuz II. Klasse. Laut Auskunft des Stadtarchivs Immenstadt vom 22.5.1998 war er Angehöriger der Ersatzabteilung des von 1915–1919 in Immenstadt und Umgebung stationierten 1. Bayerischen Schneeschuh-Bataillons. Nach der Geburt ihres Sohnes Willi am 9.5.1916 in Goch folgte Amalia Leisner ihrem Mann mit ihren beiden Söhnen nach Immenstadt. Dort erblickte am 23.11.1917 ihre Tochter Maria das Licht der Welt. Am 11.11.1918 wurde der Waffenstillstand nach dem Ersten Weltkrieg unterschrieben.
(Die Angaben zum Soldatenleben stammen aus den Akten des Bayerischen Hauptstaatsarchivs – Kriegsarchiv – in München.)
Am 14.11.1918 verließ Wilhelm Leisner mit seiner Familie Immenstadt und zog zurück nach Rees in die Rünkelstr. Am 1.4.1921 begann er seine Tätigkeit beim Amtsgericht in Kleve. Seine Familie wohnte bis zum 17.12.1921 weiterhin in Rees und folgte ihm dann nach Kleve. Dort war er Mitglied der Vinzenz-Konferenz, Vorsitzender des im Vereinshaus in der Stechbahn tagenden Katholischen Beamtenvereins und gewählter Stadtverordneter der Zentrumspartei. Laut verschiedener Urkunden war er 1919 Amtsgerichtssekretär, 1926 Justizrentmeister, 1934 Justizoberrentmeister und 1938 Justizoberinspektor. Vom 23. bis 29.3.1943 befand er sich wegen eines angeblich von ihm geschriebenen anonymen Briefes in Haft, doch das Verfahren wurde eingestellt. Vernommen hatte ihn Oberamtsrichter Heinrich Sack. Im Nachlaß von Familie Leisner befindet sich ein „Sonderausweis für politisch, rassisch und religiös Verfolgte“ vom 23.6.1947, ausgehändigt durch den Kreissonderhilfeausschuß des Kreises Kleve.
Mittwoch, 16. Juli 1913
Wilhelm Leisner wurde rückwirkend zum Leutnant der Reserve des Bayerischen Infanterie-Leib-Regiments ernannt:Seine Majestät der König [Ludwig III.] haben dem Leutnant der Reserve der Infanterie Wilhelm Leisner I auf in ihn gesetztes Vertrauen und im Glauben an die geleistete Eidespflicht unter Einreihung bei den Reserveoffizieren des Infanterie-Leib-Regts. ein Patent seines Dienstgrades vom 16. Juli 1913 Allergnädigst zu verleihen geruht und lassen ihm, um diese Gnade allenthalben beweisen zu können, gegenwärtiges, mit dem beigedruckten größeren Kriegsministerial-Insiegel versehene Patent ausfertigen und zustellen.
Gegeben in der Haupt- und Residenz-Stadt München den elften Mai Eintausend neunhundert achtzehn.[1]
[1] Leutnantspatent für Wilhelm Leisner vom 11.5.1918
Patent:
Seine Majestät der König [Ludwig III.] haben sich unterm 11. Mai 1918 Allerhöchst bewogen gefunden, ein Patent vom 16. Juli 1913 Allergnädigst zu verleihen: dem Leutnant der Res. d. Inf. im Inf. Leib. Rgt. [Reserve der Infanterie im Infanterie-Leib-Regiment] Leisner I Wilhelm (geb. 26.IX.86) (Kriegsarchiv, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Personalakte OP 62494).
Antwort des Bayerischen Hauptstaatsarchivs auf die Frage, warum die Urkunde zur Beförderung zum Leutnant so viel später ausgestellt wurde.
Antwort des Bayerischen Hauptstaatsarchivs auf die Frage, warum die Urkunde zur Beförderung zum Leutnant so viel später ausgestellt wurde.
Wilhelm Leisner als Soldat
Rekruten-Vereidigung vom 12. April 1916
Mutter, Willi, Karl und Vater Leisner 1917
Daß Wilhelm Leisner am 3. Juni 1915 erneut mit dem Reserve-Infanterie-Regiment 18 ins Feld kam und am 25. Juli 1915 bei der Pavillonhöhe bei Mühlbach verwundet wurde, wird in der Literatur erwähnt:
Julius Trumpp:
Neuen Kämpfen entgegenzugehen war, als wir von den nördlichen Ausläufern der Karpathen zum zweiten Male dem Wasgenwalde [den Vogesen] zurollten, uns sicher. […]
Die Gefechtsstärke betrug damit 36 Offiziere und 1582 Mann. […] Am 15. Juli [1915] wurden wir in die Feldstellung vorgezogen. […] I./18 hatte die Stellungen vor Breitenbach am Engelberg-Krähenberg inne, der letzteren war die sogenannte Pavillonstellung vorgeschoben.
[…] Lt. d. R. [Leutnant der Reserve Wilhelm] Leisner, ebenfalls 3./18, fällt wenige Tage später ebenso durch Verwundung aus.[1]
[1] Trumpp, Julius: Das K. B. [Königlich Bayerische] Reserve-Infanterie-Regiment. Erinnerungsblätter deutscher Regimenter. Bayerische Armee, Bd. 56, München 1928: 53–56, Kapitel 3: Wieder in den Vogesen
Quelle der Fotos: Karl-Leisner-Archiv
Siehe auch Aktuelles vom 7. Januar 2015 – Vater Wilhelm Leisner und Bayerns letzter König Ludwig III.
In der Aufstellung des Personalbogens mit den Einsätzen von Wilhelm Leisner ist dessen Wachdienst beim kranken König Otto I. von Bayern nicht erwähnt. Dieser könnte in der Zeit vom 16.5. bis 3.6.1915 gewesen sein.
Die Geschwister Maria und Willi Leisner berichten darüber:
Maria Leisner:
Früh kam Karl schon mit unserer Mutter nach München, um Vater zu besuchen, der als Leutnant im königlichen Schloß [Fürstenried bei München] Wachdienst beim kranken König Ludwig II. [von Bayern – Otto I. von Bayern] halten mußte[1].[2]
[1] Nachdem König Ludwig II. am 13.6.1886 unter ungeklärten Umständen im Starnberger See ertrunken war, trat sein Bruder Prinz Otto (* 27.4.1884, † 11.10. 1916) laut Thronfolgeregelung dessen Nachfolge als König Otto I. an. Da dieser auf Grund seiner Geisteskrankheit regierungsunfähig war, übernahm sein Onkel Luitpold (* 12.3.1821, † 12.12.1912), der bereits seit der Entmündigung König Ludwigs II. am 10.6.1886 als Prinzregent eingesetzt war, weiterhin die Regierungsgeschäfte. Nach dessen Tod folgte ihm dessen Sohn Ludwig (* 7.1.1845, † 18.10.1921) nach, zunächst als Prinzregent und ab 5.11.1913 bis zu seiner Absetzung am 7.11.1918 durch die Proklamation des Freistaates Bayern als König Ludwig III.
[2] Leisner, Maria: Vortrag vom 29.10.1995 im Karl Leisner-Heim in Diestedde, (Manuskript) 1995: 2
Willi Leisner aus Berlin am 26. April 2000 an Hans-Karl Seeger:
Mein Vater löste in [Schloß] Fürstenried einen Bayern ab, der auf die Preußen nicht gut zu sprechen war. Der Bayer hat auf der Flucht eine blaue Bohne [Bleikugel] in den Hintern bekommen.
Als Wilhelm Leisner dem König [Otto I.] vorgestellt wurde, fragte dieser ihn: „Was sind Sie für ein Landsmann?“ „Rheinländer, Majestät“ war die Antwort; Preuße durfte er auf keinen Fall sagen. „Wie kommen Sie dann hierher?“ „Meine Mutter [Anna, geborene Henrich] ist Rheinpfälzerin und deshalb mache ich in München Dienst.“ Damit war das Gespräch zu Ende, während es mit dem nächsten Bayern länger dauerte.
Meine Mutter lebte mit uns beiden[1] in München [, Theresienstr. 45] bei einem Metzger in Logie.[2]
[1] Da Willi Leisner erst am 9.5.1916 geboren wurde, kann Mutter Leisner nur mit Sohn Karl in München gewesen sein.
[2] Tobias Teyke vom Stadtarchiv München am 7.4.2010 an Hans-Karl Seeger:
Im Münchener Adressbuch von 1915 ist zur Theresienstraße 45 der Metzgermeister Georg Reichlmeier aufgeführt.
Schloßwache Sr. Majestät König Otto I. von Bayern in Fürstenried
Quelle der Fotos: P. Christoph Kentrup SJ, Fürstenried