Impuls von Hans-Karl Seeger
Sonntag 24.6.2001
Die Worte des Herrn sind lautere Worte, Silber, geschmolzen im Ofen, von Schlacke geschieden (Ps 12,7)
Psalm 12 gehört zu den Klageliedern. Die Getreuen Gottes leiden an den gottlosen Zuständen im Volk. Sie rufen nach göttlichem Eingreifen. Ihnen ruft der Prophet Worte des Heiles zu. Diese Worte sind lauter wie im Schmelzofen gereinigtes Silber.
Am Dienstag, dem 6. Juni 1939,
schrieb der Diakon Karl Leisner aus St. Blasien im Schwarzwald, wo er gerade zur Ausheilung seiner Lungentuberkulose angekommen war, an seine Freundin Elisabeth Ruby, die er auf dem Weg nach St. Blasien in Freiburg nicht angetroffen hatte, nach Lückerath in der Eifel:
Tamquam aurum in fornace, Dominus probavit electos suos [Wie Gold im Feuerofen erprobte der Herr seine Auserwählten].
Der erste Teil des Satzes ist ein Zitat aus dem Buch der Weisheit (3,6). Karl Leisner ahnte damals noch nicht, wie sehr er noch geläutert werden sollte. Dies geschah im KZ Dachau, wo ihm aber auch die Gnade zuteil wurde, zum Priester geweiht zu werden.
Das Bild vom im Feuerofen geläuterten Gold und Silber wird wechselweise auf Gott und den Menschen angewendet. Die Läuterung selbst ist nur schwer zu ertragen. Selbst Jesus wünschte, der Kelch des Leidens ginge an ihm vorüber. Nach der Läuterung aber sind die Qualen vergessen und die Freude am nun „ganz edlen Metall“ ist groß.
Karl Leisner schrieb am 23. Juli 1945 im Waldsanatorium Planegg in sein Tagebuch:
O wiedergefundene Liebe und Würde des Menschen! Wir armen KZ-ler. Sie wollten unsere Seele töten! O Gott, wie danke ich Dir für die Errettung ins Reich der Liebe und Menschenwürde. Ja, es ist in Dachau viel echt und unter Leid Liebe und Würde erwiesen worden, und doch, wie arm waren unsere äußeren Möglichkeiten. – Und wie gräßlich Haß und Stumpfheit, die einen wider Willen umgab. HERR, gib, daß ich immer mehr Dich liebe! Liebe und Sühne!