Brot für den Tag 14

Impuls von Hans-Karl Seeger

Samstag 17.8.2001

Wenn aber einer sündigt, haben wir den Beistand beim Va­ter: Jesus Christus, den Gerechten (1. Joh 2,1)

Unter einem Seligen stellte man sich früher einen Men­schen vor, der nach einer Bekehrung nur noch im hellen Licht strahlte oder schon von Geburt an mit einem Heili­genschein lebte und immer und überall Aufsehen er­regte. Karl Leisner fiel weder in seiner Jugendzeit noch im Colle­gium Borromaeum und Priesterseminar in Münster besonders auf.

Wir Menschen projizieren unseren Schatten auf an­dere und machen diese so zum Sündenbock. Ähnlich ver­hält es sich mit unserer Sehnsucht nach Vollkommenheit, und dabei entstehen Menschen, die so ganz anders sind als wir: vollkommen von Geburt an oder nach einer Bekeh­rung. Dieses Phänomen gibt es in allen Religionen.

Daß ein Mensch hinfällt, also schuldig wird oder etwas schuldig bleibt, ist nicht zu vermeiden. Aber er darf nicht liegenbleiben. „Immer einmal mehr aufstehen als hinfallen“, hat ein Politiker gesagt; dieser Satz wäre eines Theo­logen würdig. Tagebucheintragungen Karl Leisners zeigen, daß bei ihm die Zeit zwischen „Hinfallen“ und „Aufstehen“ sehr kurz war.

Im August 1932 auf einer Fahrt geht er am Sonntagmorgen „zum nahen Kirchlein. Ich beichte. Alle Schwüle und Sattheit, allen Neid und Kame­radschaftslosigkeit sage ich dem Priester. Es wird wieder froh und leicht, echter Sonntag und Auferstehungstag im Herzen.“

In Exerzitien 1935 notierte er: „In der heiligen Beichte mangelt’s noch etwas an Tiefblick und ruhiger Selbstbe­trachtung beim Gewissenerforschen, und an Selbstbeherr­schung beim Bekenntnis! – Oh, ich Menschlein!“

1937 findet Karl Leisner im Reichsarbeitsdienst nur we­nige gleichgesinnte Kameraden. Er notierte in sein Tage­buch: „Zur Kirche nach Hoogstede. Heilige Beichte. Amor proximus [Nächstenliebe]. Die ganze Kraft der heiligen Beichte als des Bades der Seele verspürt. Franz Schön­dorf, der per pedes [zu Fuß] nach­kam, beichtet auch.“