Impuls von Hans-Karl Seeger
Samstag 11.10.2003
Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? (Mt 21,25)
Was ist wichtiger: was wir glauben oder wem wir glauben? Für Karl Leisner war es klar: Gott ist die Liebe. In griechischer und lateinischer Sprache schrieb er diesen Satz aus dem 1. Johannesbrief immer wieder in sein Tagebuch. Aus einer Fastenpredigt vom 31. März 1933 übernahm er die Überzeugung des Lieblingsjüngers Jesu als seine eigene:
„Johannes! Nicht sentimental, sondern mutig (unter dem Kreuz), hart, felsig! So auch wir Christen mutig im Glauben und – wie er – stark in der Liebe. (Nos autem credidimus caritati [Wir aber haben an die Liebe geglaubt (1 Joh 4,16)]) – Kein ‚Stacheldraht’-Christentum, sondern frohes ‚Mittenchristentum’.“
Pater Otto Pies SJ, Karl Leisners erster Biograph, schrieb in „Stephanus heute“ aus der Zeit des KZ:
„Da gab es Zeiten, in denen die Versuchung heftig auf ihn eindrang. Zeiten, in denen Zweifel und Verzweiflung über ihn kommen wollte. Da wurde er nicht immer fertig mit dem gläubigen Denken über Gottes Führung und dem Verstehen von Gottes Liebesabsichten. Um die Zweifel abzuschütteln und wieder frei und froh zu werden, hat er manchesmal seine Not ausgesprochen und manchmal auch unter den Decken ausgeweint. Dann konnte er wohl einem vertrauten Kameraden die bittere Frage stellen, warum das alles, wo ist denn da noch Liebe, wie kann Gott das zulassen, wenn er der Vater aller ist? Warum sperrt er mich ein? Warum läßt er mich nicht frei? Warum muß es immer schlimmer werden? Ich werde wie ein Vogel im Käfig eingesperrt, ich schlage mir die Flügel wund und kann aus dem Käfig nicht heraus! Was hat das alles für einen Sinn? Hat das Beten überhaupt Zweck, wenn das die Antwort und Erhörung ist? Bin ich den rechten Weg gegangen, weil ich soviel opferte und auf ein menschliches Lebensglück verzichtete um Christi Willen, aber jetzt in Elend und Schmutz hilflos untergehe? […] Das Wort, an das er sich klammerte und das ihm Licht und Halt gab, war das Wort des Lieblingsjüngers: ‚Wir haben an die Liebe geglaubt’. Den Glauben an die Liebe wollte er nie aufgeben.“