Impuls von Hans-Karl Seeger
Montag 7.6.2004
Jagt der Liebe nach! (1. Kor 14,1)
„Trachtet nach der Liebe!“ Diesen ersten Vers des ersten Korintherbriefes hat Karl Leisner in seinem Neuen Testament unterstrichen. Voraus geht im 13. Kapitel das „Hohelied der Liebe“.
Am 31. März 1933 notierte er nach einer Fastenpredigt in sein Tagebuch:
So [wie Johannes] auch wir Christen mutig im Glauben und – wie er – stark in der Liebe. (Nos autem credidimus caritati [Wir aber haben der Liebe geglaubt (1 Joh 4,16)]) – Kein „Stacheldraht“-Christentum, sondern frohes „Mittenchristentum“.
Menschen, die Karl Leisner gekannt haben, bezeugen, daß er bestrebt war, dem Aufruf des Apostels Paulus an die Korinther zu folgen. Das hörte nicht einmal auf, als er Grund hatte, an Gottes Liebe zu zweifeln. Viele seiner Briefe aus dem KZ Dachau geben davon Zeugnis.
Dachau, Samstag, 17. Juli 1943
Der letzte Brief und die beiden wunderfeinen Pakete haben mich sehr froh und dankbar gestimmt. Wie seid Ihr doch so gut und lieb zu mir. Ich danke Gott jeden Tag dafür. Er ist es ja, der uns so reich mit Liebe beschenkt.
Dachau, Sonntag, 5. September 1943
[…] Euer aller Liebe beglückt mich immer wieder. Ich danke Gott alle Tage dafür. Die Liebe des göttlichen Herzens und die Seiner lieben Mutter durchströmt uns Tag für Tag. Und das ist alles.
Dachau, Freitag, 3. März 1944
Wieviel Liebe schenkt Ihr mir doch immer wieder in der langen Haftzeit. Bald sind’s vier Jahre, daß ich den schweren Weg nach Sachsenhausen antreten mußte. Vier lange Jahre! Mögen sie vor Gott ein wenig wiegen, und ich will – mit Euch – zufrieden sein! […]
Dachau, Samstag, 13. Januar 1945
Jetzt ist die stille, gnadenreiche Advents- und Weihnachtszeit zu Ende […]. So tief und reich war diesmal die Zeit, ich bin noch ganz voll des Glanzes, den das göttliche Kind mit Seiner Liebe hat aufleuchten lassen [vgl. 2 Kor 4,6].
Dachau, Samstag, 27. Januar 1945
So haben wir doch mitten in aller Not soviel Freude, Trost und inneren Frieden, wie ihn nur Gott uns schenkt in der Liebe des Heilandes. Was uns allen noch bevorsteht, wissen wir nicht, aber auf jeden Fall bewahren wir kühnes Vertrauen auf den Herrn.
Im Waldsanatorium Planegg notierte er am 23. Juli 1945 in sein Tagebuch:
O wiedergefundene Liebe und Würde des Menschen! Wir armen KZ-ler. Sie wollten unsere Seele töten! O Gott, wie danke ich Dir für die Errettung ins Reich der Liebe und Menschenwürde. Ja, es ist in Dachau viel echt und unter Leid Liebe und Würde erwiesen worden, und doch, wie arm waren unsere äußeren Möglichkeiten. – Und wie gräßlich Haß und Stumpfheit, die einen wider Willen umgab. HERR, gib, daß ich immer mehr Dich liebe! Liebe und Sühne!