Impuls von Hans-Karl Seeger
Dienstag 8.6.2004
Wahrhaftig, Gott ist bei euch! (1. Kor 14,25)
Ein Konzentrationslager wird oft als eine Welt ohne Gott, als Hölle dargestellt. Aber mitten in dieser Welt der Unmenschlichkeit läßt Gott sich erfahren. Die Priester im KZ Dachau hatten die Möglichkeit, in ihrem Block eine Kapelle zu errichten. Hier feierten sie ihre Gottesdienste. Neben dem Tabernakel mit dem Allerheiligsten war den Häftlingen eine Madonna wichtig. Der KZ-Priester Johannes Sonnenschein schrieb zu Weihnachten 2002: „Die Marienstatue wurde dann Anlaß ständiger Marienverehrung. Wer immer nur sich ein wenig Freizeit ermöglichen konnte, lag oder kniete betend und bittend davor. Gott allein weiß, wie viele Gebete da gen Himmel gerichtet worden sind. Gott allein weiß, wie viele Gefangene, Geistliche aller Konfessionen und auch Laien da in aller Mut‑ und Hoffnungslosigkeit Trost, neue Hoffnung und Gottvertrauen wieder oder mehr gefunden haben. Gott allein weiß, wie viele Bitten da auf Mariens Fürsprache erfüllt wurden und wie viel Gnadenhilfe der Geber alles Guten uns so gegeben hat.“
Trost und Hoffnung drücken sich in dem im KZ gemalten „Grünen Bild“ aus, das Karl Leisners Bruder Willi aus dem KZ Dachau mit der Post zugeschickt bekam. Es stellt Karl Leisner dar. Der Maler ist unbekannt. Dachau war eine Welt im Kleinen. Während der Freizeit gab es viele Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Das erforderliche Material zur Gestaltung dieses Bildes befand sich entweder in Paketen, die die Häftlinge empfangen durften, oder es wurde „organisiert“. Man erkennt auf diesem Bild nicht auf den ersten Blick einen KZ-Häftling. Die vorwiegend grüne Farbe verweist auf Hoffnung, und der Gesichtsausdruck läßt kommende Erlösung ahnen.
Daß Gott sie nicht alleine läßt, erkannten die Häftlinge vor allem am Ereignis der Priesterweihe, die der französiche Bischof Gabriel Piguet dem Diakon Karl Leisner im Konzentrationslager spendete. Hierbei ist nicht nur bemerkenswert, daß alles vor der Lagerleitung geheim blieb, sondern auch daß die Feindschaft zwischen Deutschen und Franzosen überwunden wurde. Während Deutsche und Franzosen noch aufeinander schießen, kniet der Feind vor dem Feind, und der Feind legt dem Feind die Hände auf, so wie sich am 8. Juli 1962 Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in Reims, am 22. September 1984 François Mitterand und Helmut Kohl in Verdun und am 22./23. Januar 2003 Jacques Chirac und Gerhard Schröder sowie viele Deutsche und Franzosen in Versailles und Berlin die Hände reichen.
Pater Otto Pies SJ schrieb verschlüsselt aus dem KZ:
„Die Trauung fand am Sonntag Gaudete statt, in aller Form und Feierlichkeit, unter großer Beteiligung der ganzen Verwandtschaft. Die Freude war unbeschreiblich. […] Der Sonntag Gaudete hat mit seinem Glück für alles Bisherige reichlich entschädigt. Für mich war es freudige Genugtuung, ihn nach langem Warten und Hoffen, nach viel gemeinsamem Leiden und Beten zum Standesamt führen und Trauzeuge sein zu dürfen.“