Impuls von Hans-Karl Seeger
9.6.2004
Wenn aber niemand es auslegen kann, dann soll auch keiner vor der Gemeinde so reden (1. Kor 14,28)
Karl Leisner lebte mit der Heiligen Schrift. Viele Redewendungen in seinen Tagebuchaufzeichnungen zeigen, wie vertraut ihm das Wort Gottes war. Sein 1932 erworbenes Neues Testament gibt durch Unterstreichungen und Notizen Zeugnis davon, wie sehr er mit dem Text gearbeitet hat. Auf die erste Seite notierte er:
Grundsätze für die Schrifterklärung:
- Das Anknüpfen an die Fassungskraft der Zuhörer.
- Die Einbeziehung der Umwelt als Mittel für die Verkündigung der Frohen Botschaft.
- Die Heranziehung besonderer Ereignisse aus Geschichte und Gegenwart im Sinne einer Deutung für die Predigt vom Gottesreich.
- Die Kenntnis der Lebenswelt der Zuhörer als Voraussetzung für die lebendige Verkündigung des Wortes Gottes.
Pater Otto Pies SJ schreibt in „Stephanus heute“, seiner Biographie über Karl Leisner: „Die Quelle, aus der Karl immer Fröhlichkeit und Kraft schöpfte, war für ihn das religiöse Innenleben und die heilige Eucharistie. Täglich las er auch im größten Lärm, wie er es schon als Student getan hatte, das Neue Testament. Dann versteckte er sich meist unter der Decke und hielt eine stille Betrachtungsstunde.“
Der Zeitzeuge Theo Wissing erinnert sich an einen Jungschartag mit Karl Leisner in Vreden:
„Karl berichtet von ersten Behinderungen der Jugendarbeit durch den Nazi-Staat. Katholische Jugendgruppen werden bedroht, bedrängt und überwacht, bis hin zu der Überwachung durch die allgewaltige Gestapo.
Begeisternd berichtet er von der Treue der katholischen Jugend zu Christus und seiner Kirche. Mancher hat schon die Begegnung mit dem Andersdenkenden gemacht in der Schule und in der Freizeit. Karl ermuntert zur Treue und zum Durchhalten. Ein Trutz- und Treuelied unterstreicht noch einmal sein Wort. Dann erzählt er vom Glaubenskampf und der Kirchenverfolgung, die zur Zeit in Mexiko entbrannt ist. Er berichtet von einem jungen Jesuitenpater, der den Glauben verteidigte, den Machthabern ein Dorn im Auge war, zum Tode verurteilt bei der Hinrichtung durch Erschießen den Soldaten zurief: ‚Viva Christe Rex – Es lebe Christus der König!’
Zu der Zeit gab es auch für manchen von uns die bange Frage: Wie wird es uns ergehen? Was bringt uns die Zeit? Unser Jungscharlied war unser Bekenntnis in dieser Stunde: ‚Wir sind die Jungschar, Herr und Gott’ Mit diesem Bekenntnis schloß der Jungschartag.“