Impuls von Hans-Karl Seeger
Donnerstag 26.5.2005
Selbst die Kranken trug man auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Bahren, damit, wenn Petrus vorüberkam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel (Apg 5,15)
Die Begegnung mit Jesus hatte heilende Kraft. Viele Menschen wurden geheilt. Ihr Glaube hat ihnen geholfen. Auch von den Aposteln und Jüngern Jesu ging Heilkraft aus. Wie die Apostelgeschichte berichtet, wollte Simon der Magier ihnen diese Kraft abkaufen (Apostelgeschichte 8,18ff). Was verleiht gläubigen Menschen heilende Kraft? Was heilt sie?
Es ist erstaunlich, was Häftlingen im Konzentrationslager half zu überleben. Ein gutes Wort wirkte oft Wunder, weil es den Glauben an sie selbst stärkte. Der Psychologe Viktor E. Frankl (1905-1997), der selbst Jahre der Haft im KZ verbrachte, hat daraus die Logotherapie entwickelt. Wenn Menschen mit einem Sinn leben, können sie schlimme Situationen wie zum Beispiel die eines KZ überleben. Viktor Frankl hatte sich im Lager vorgestellt, er müsse in Wien in einem großen, schönen, warmen und hellen Saal einen Vortrag über seine Erlebnisse im KZ mit dem Titel „Psychotherapeutische Erfahrung im Konzentrationslager“ halten. Das gab seinem Leiden einen gewissen Sinn. Ein Jahr nach seiner Befreiung realisierte er seine Idee und hielt in einer dramatischen Skizze fest, was er ganz konkret und persönlich erlebt hatte. Dabei kam es ihm darauf an, zu beschreiben, durch welche Phasen der Entmenschlichung die KZ-Häftlinge gehen mußten und wie es doch einigen von ihnen möglich war, innerlich zu vollbringen, was das „Buchenwald-Lied“ forderte: „… trotzdem Ja zum Leben sagen“.
Viktor Frankl konnte diesen Vortrag halten, weil er ihn im Geiste vorwegnehmend damals erlebt hatte. Viktor Frankl hat gelebt, was er lehrte. Er kam aus der Hölle zurück in seine Vaterstadt, er hatte seine Eltern, seinen Bruder, seine Frau, er hatte alles verloren ‑ doch er war frei von allen Impulsen nach Rache und Vergeltung. Nur ganz wenige Menschen, die aus den Lagern gekommen waren, waren wie er. Er war alsbald wieder, was er gewesen war: ein Wiener Arzt. Er betonte immer wieder die positiven Ausnahmen von der unmenschlichen Regel. Er sah das Gute, das ihm und manchem Seinesgleichen geschehen war, und überwand dadurch das ihm widerfahrene Böse.
Will man die Grundlagen der von Viktor Frankl begründeten Logotherapie verstehen, so muß man wissen, daß er selbst ein tief religiöser Mensch war. Was aber setzt jemand an die Stelle der Religiosität, wenn er logotherapeutisch arbeitet, von Spiritualität jedoch keine Ahnung hat?
In der extrem trostlosen und hoffnungslosen Situation des Lagers fand Viktor Frankl Trost und setzte seine Hoffnung auf die Zukunft. Von solcher Hoffnung lebte auch Karl Leisner, und mit Hilfe vieler Freunde realisierte sich seine Hoffnung auf den Empfang der Priesterweihe und auf die Befreiung aus dem KZ. Seine ebenfalls ersehnte Gesundheit erlangte er allerdings nicht. Er starb am 12. August 1945.