Brot für den Tag 38

Impuls von Hans-Karl Seeger

Mittwoch 29.11.2006

Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. (Jes 2,2)

Verhandlungen zwischen dem Vatikan in Rom und der Reichsregierung in Berlin brachten den Priestern in den Konzentrationslagern einige Erleichterungen. Sie wurden alle im KZ Dachau zusammengeführt und bekamen dort sogar eine eigene Kapelle. Das war etwas ganz Besonderes, aber der Zutritt war nur den Priestern gestattet, für Laien war sie absolut verboten, eine Zeitlang sogar den polnischen Priestern. Nach der Befreiung des KZ am 29. April 1945 durch die Amerikaner bauten die polnischen Häftlinge auf dem Appellplatz ein riesiges Kreuz auf.

Am 3. Mai 1945, dem Nationalfeiertag der Polen, schrieb Karl Leisner in sein Tagebuch:
Große Feier der Po­len auf dem Appell­platz mit Feldgottesdienst. Herrlicher Altar.

Als er am 4. Mai aus dem KZ über den Appellplatz herausgeführt wurde, sah er das große Kreuz:
[Pater] Otto [Pies SJ] muß mich durchs Revier führen. Schlapp bin ich! Über den Appellplatz. Abschied. Das Riesenkreuz und der Altar mit den Fahnen stehen noch da. Ab­schied vom Lager! Gut durchs Tor und Entlas­sung.

Otto Pies in „Stephanus heute“:
„Mit dem Pass [ier­schein] des Stadtpfarrers von Dachau ausge­rüstet, in den Kleidern seiner Freunde[, die Otto Pies ihm mit­ge­bracht hatte,] schritt er durch das Revier, über den Appellplatz, schaute sich wie einer der vielen fremden Besu­cher mit innerlichem In­teresse die ge­schmück­ten Baracken und die gewaltige Frei­heitstribüne mit dem Riesen­kreuz an und verließ dann see­lenruhig und uner­kannt das große eiserne Tor, durch das er vor fünf Jah­ren diesen Ort des Grauens, aber auch der reichsten Gna­den betre­ten hatte. Im Re­vier war sein Name durch den absolut treuen Oberpfleger, ei­nen Barm­her­zigen Bruder aus Prag, aus der Liste gestri­chen wor­den. Es gab keinen Häftling Nr. 22356 mehr; der Neupriester Karl Leis­ner war frei. Vor dem Tor stand das Auto bereit.“

Johann Steinbock in „Das Ende von Dachau“:
„Es [das Kreuz] mochte wohl eine Höhe von zehn Metern haben. An seinem Fuß wurde eine Frei­treppe von mehr als zehn Stufen gebaut, darauf der Altartisch mit den Leuch­tern gestellt und al­les mit einer Fülle von Blumen und Kränzen ge­schmückt. Als Hin­tergrund beiderseits des Kreu­zes wur­den acht Masten mit den Fah­nen der Na­tionen aufgerichtet. Hoch auf jedem Mast über der Fahne war in großer Ausführung das rote Häft­lingsdreieck mit darüber ge­setztem wei­ßen Feld für die Nummer ange­bracht, und das Ganze krönte jedesmal ein Adler. Auf den wei­ßen Feldern stan­den statt der Häft­lingsnummern mahnend die Jahreszahlen 1940-1945.“