Brot für den Tag 39

Impuls von Hans-Karl Seeger

Donnerstag 30.11.2006

Der Herr geht ins Gericht mit den Ältesten und den Fürsten seines Volkes: Ihr, ihr habt den Weinberg geplündert; eure Häuser sind voll von dem, was ihr den Armen geraubt habt. (Jes 3,14)

Die Nationalsozialisten horteten im KZ Dachau alle Schätze, die sie den Häftlingen abgenommen hatten. Vor allem den Besitz der Juden rissen sie an sich.

Wer im KZ „organisieren“ konnte, bekam alles, was er wollte. Besonders erfindungsreich waren die Häftlinge, als es darum ging, die Priesterweihe und Primiz Karl Leisners vorzubereiten.

Der KZ-Priester Johannes Burkhart erinnert sich:
„Es herrschte große Freude auf Block 26, als im September 1944 der Bischof von Clermont‑Ferrand mit einem Transport aus Natzweiler bei Straß­burg eintraf. Nun hatten wir einen Bischof unter uns. Der Gottesdienst konnte also noch feierli­cher gestaltet werden, ein Pontifikalamt konnte gefeiert werden. Aber zunächst galt es, die Pon­tifikalgegenstände zu beschaffen. Viele Hände rührten sich, um zu ‚organisieren’. Ein kunster­fahrener Benediktinerpater, der in der DAW [Deutsche Ausstattungs­werke]‑Spielzeugabteilung beschäftigt war, schnitzte einen prächti­gen Stab. Ein Silber­schmied verfertigte in ‚Schwarz­arbeit’ ein einfa­ches nettes Brustkreuz und ei­nen Ring. In der sogenannten Wäschekammer durchsuchten wir alle Deckenbezüge, die die SS zusammenge­stohlen und nach Dachau ins Ma­gazin verbracht hatte. Und wirklich, wir fanden einen brauchba­ren Deckenbezug in violetter Farbe. Dieser wurde von einem Mitbruder, der vor seinem Stu­dium das Schneiderhandwerk erlernt hatte, zu einem violetten Talar umgear­beitet. Auch weißer Seidenstoff fand sich, aus dem eine Mitra gefer­tigt werden konnte. Ein französischer Geistlicher hatte in seinem Besitz rote Hausschuhe. Diese wurden zu Pontifikal­schuhen erhoben. Beson­dere Schwierigkeit bot die Herstellung des violetten Pileolus (kleines Käppchen). Ein evangelischer Schneidermeister aus Frankfurt verfertigte 7 Stück, bis endlich ei­nes die richtige Form besaß, von dem der Bi­schof auch dann erklärte, er hätte noch nie eines getragen, das so gut paßte. Es war also alles vorbereitet. Halt! In den späten Abendstunden fiel noch einem ein, daß die Pontifikal­hand­schuhe fehlten. Ich eilte in die Kleiderkammer, hatte Glück. Da lagen frisch gerichtete Operati­onshandschuhe, schnell packte ich ein Paar und eilte fort. Nachher stellte es sich heraus, daß ich in der Eile zwei gleiche rechte Handschuhe er­wischt hatte. Aber die feinen Handschuhe ließen sich dehnen und strecken und paßten schließ­lich doch.
So fehlte nun wirklich gar nichts, um ein Pontifikalamt in voller Prachtentfaltung zu feiern. Ich glaube beinahe, daß weder der Bischof noch die anwesenden Priester je mit solcher Andacht und Herzensfreude einem Pontifikalamt beige­wohnt haben.“