Impuls von Hans-Karl Seeger
Freitag 29.6.2001
Wenn ihr ein Wort des Zuspruchs für das Volk habt, so redet (Apg 13,15)
Wie wir von vielen Zeitzeugen wissen, hat Karl Leisner vor allem im KZ Dachau dieses Wort praktiziert. Obwohl selbst sehr krank, hatte er für viele ein Wort des Trostes. Er ließ sich eine Gitarre ins KZ schicken, um mit seinem Spiel und den Liedern aus der Jugendbewegung die Mitgefangenen aufzumuntern.
Am Sonntag, dem 6. April 1941, schrieb Karl Leisner in dem offiziell alle 14 Tage erlaubten Brief:
Die Gitarre macht uns allen seit 10 Tagen Freude.
Der KZler Giovanni Incerpi berichtete später:
„Ich war wie alle anderen auch nur noch Haut und Knochen. Aber viel mehr als der Hunger haben mir das Fieber zu schaffen gemacht – und der Durst. Als ich erkannte, daß meine Lungen löchrig waren wie ein Sieb, begriff ich, daß es für mich nicht mehr die kleinste Hoffnung gab. Da traf ich Pater Karl. Als ich meine Baracke mit der Nr. 29 verließ, schüttelte mich das Fieber und nach etwa 20 Metern bekam ich keine Luft mehr. Ein Hustenanfall zwang mich zum Stehenbleiben, und an die Wand gelehnt spuckte ich Blut. Ich wußte: das ist das Ende. Eine Stimme zerstreute die dunklen Gedanken: „Na, Italiener, geht´s dir nicht gut?“ Diese Frage war ernst gemeint von dem, dessen hageres Gesicht freundlich ist und dessen Augen hinter den Brillengläsern lächeln. Wir trugen beide das rote Dreieck der ‚Politischen’, er hatte ein Kreuz für Priester auf seinem Hemd und ich ein IT für Italiener. Zwischen mir, dem Partisanen, und ihm, dem Priester, entwickelte sich ein Gespräch. Das wiederholte sich in den folgenden Tagen. Er verbreitete Optimismus: die Alliierten seien nicht mehr weit, die Befreiung nur noch eine Frage von Tagen. So hat er mir das Leben gerettet. Ohne ihn hätte ich diese letzten Tage in all meiner Verzweiflung nicht überstanden.“
Durch seine auch im KZ frohe und zuversichtliche Lebensart war der Diakon Karl Leisner unter den Mitgefangenen im KZ sehr geschätzt. So waren sie sehr bemüht, ihm die Priesterweihe zu ermöglichen. Die anderen Diakone, vorwiegend aus Polen und Frankreich wurden nach der KZ-Zeit geweiht.