Das Eifelstädtchen Nideggen gelangte in die Schlagzeilen der Medien

2013_05_11_Nideggen_Tor

 

Karl Leisners erste Fahrt mit seiner Gruppe St. Werner ging nach Nideggen.

Dürener Tor

 

 

Im bundesdeutschen Wahlkampf spielen die Themen Sparen und Wachstum eine große Rolle. Was im Großen in Europa daraus folgt, daß viele Menschen über ihre Verhältnisse gelebt haben, zeigt sich auch im Kleinen. Nordrhein-Westfalen hat den landesweit ersten Sparkommissar eingesetzt. Der Sparkommissar soll die Finanzen der Stadt Nideggen sanieren.

Bericht vom 26. April 2013 im Deutschlandfunk – Griechische Verhältnisse in der Eifel – Nideggen droht der Sparkommissar

Karl Leisner erlebte in Nideggen sozusagen noch eine „Heile Welt“.
Nach Ausflügen in die nähere Umgebung machte die Gruppe St. Werner aus Kleve ihre erste größere Fahrt mit ihrem Mentor Dr. Walter Vinnenberg in die Eifel. Für Karl Leisner war das ein Anlaß, neben der Gruppenchronik als Schriftführer ein eigenes Tagebuch zu beginnen.

2012_02_03_Vinnenberg

 

 

 

Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lipp­stadt, † 1.12. 1984 in Bocholt)

 

 

 

2013_05_11_Nideggen

Wir Clever in Nideggen

erste Reihe v. l.: 2. Carl von Vogelsang
zweite Reihe v. l.: 3. Karl Leisner, 5. Walter Vinnenberg

 

 

Samstag, 7. April 1928, Karsamstag
Un­ser Zug nach Nideggen fuhr gegen 18.15 Uhr ab. Gegen 18.45 Uhr langten wir in Nideggen an. Dort suchten wir erst in der Nideggener Jugendher­berge Ob­dach. Diese war leider überfüllt und der Herbergsvater wies uns einen Rek­tor [Heinrich] Viethen an. Bei des­sen Bru­der konnten wir nach vielem Hin- und Herge­plänkel im Kuh­stall schla­fen. Dort kam abends (als wir schon in der Falle lagen) Herr Rektor Viethen her­ein und begrüßte uns. Nachts schliefen wir Ia prima und lecker warm. Es gab Klätschkäse …. klätsch klätsch und Nia­gara­anfälle[1].
[1] Ausscheidungen der Kühe mit den entsprechenden Geräuschen

2013_05_11_Nideggen_Burg

 

Burg Nideggen

 

 

 

Nideggen, Sonntag, 8. April 1928, Ostersonntag
Ostermorgen (8.4.1928) wurde andere Wäsche angezogen, die Kleider ab­ge­bürstet und sich tüchtig gewaschen. Morgens 8.00 Uhr war gemein­schaft­liche Messe und gemeinschaftliche Kommunion der Westmark[-Jun­gen­schaft] in der Pfarrkirche [St. Johannes Baptist] zu Nideg­gen.

2013_05_11_Nideggen_Kirche

Pfarrkirche St. Johannes Baptist

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Author: Chris06 / CC-BY-SA 3.0 (abgerufen 18.05.2018)

 

Die Messe las Dr. [Walter] Vinnenberg (unser berühmter Führer). Nach der Messe gings, nach­dem wir die anderen Gruppen [des Jungkreuzbundes] aus Mön­chen­glad­bach, Dü­ren, Aachen usw. begrüßt hatten, gemeinsam singend zum Zeltla­ger auf der Rather Heide. Hier wurde Kakao getrunken und Butter­brote ge­gessen. Der Morgen verging durch Singen, Spielen und in der Heide lie­gen. Zum Mittag­essen gabs Linsensuppe (Ia prima). Wir wurden auch fotogra­fiert. Um 4 Uhr nachmittags war Knappenprüfung. (Vor­her war an die Vaganten die Gau­schnur verteilt worden.) Alle bestanden sie. Um 18.00 Uhr gings zur Andacht.[1] Nach der Andacht wurde erst zu Abend „Risse­papp [Milchreissuppe]“ gegessen. Dann war Osterfeuer und Knappen­weihe.
Es wurden Lieder gesun­gen, Gedichte vorgetragen und von Carl von Vogel­sang einige Worte an die Knappen gerichtet. Gegen 11.00 Uhr nachts war die Knappen­weihe. Nachher wurde das Abendge­bet ver­richtet und wir mar­schierten mit den Ratingern [Jungkreuzbündlern] und Carl von Vogel­sang zu einer nahe dabei liegenden Scheune. (Ratten­scheune, weil Rat­ten drin wa­ren.) Wir schliefen gegen 23.45 Uhr ein und pennten fein.

[1]  Gruppenchronik vom 5.4.1928: Ostersonntagnachmittag Andacht und nach der An­dacht Tellspiele.
Vermutlich spielten die Jugendlichen nach folgendem Buch: Weinrich, Franz Johannes: Das Tellspiel der Schweizer Bauern, Frankfurt 1923, Berlin 1926.

Nideggen, Montag, 9. April 1928, Ostermontag
Ostermontag morgens gings um 6.15 Uhr heraus (ich habe einen Turn­schuh verloren) und es wurde sich angezogen und gewaschen. (Schang [Jo­hannes] Kerst war Ostersonntag erst nachgekommen.) Um 7.00 Uhr war wieder Gemein­schaftsmesse mit gemein­schaftlicher heiliger Kommunion in der Pfarr­kirche [St. Johannes Baptist] zu Nideggen. Nachher wurde wieder Kakao getrunken und But­terbrote ge­gessen. Wieder von der Sonne verbren­nen las­sen und Wasser geholt. – Um 12.00 Uhr gab’s Graupen­suppe. – Um 14.00 Uhr war Schluß­feier, bei der Rektor [Heinrich] Viethen eine Schlußan­spra­che hielt. Um 15.00 Uhr kochten wir Tee. Wir spielten Speer[werfen] und warfen mit dem Schlag­ball. – Dann gingen wir vom Zeltlager herunter zur Stadt. Hier gings zur Andacht, nachdem in der Jugendherberge alle Sachen abgela­den waren.

2013_05_11_Nideggen_DJH.jpeg

 

 

 

Jugendherberge in Nideggen

 

 

Unser Führer Dr. [Walter] Vin­nenberg fragte den Her­bergs­vater, ob er uns wohl einen tüchtigen Pudding kochen möchte. Die­ser willigte sofort ein. Nach der Andacht gingen wir mit Herrn Rektor Viethen durch Nideggen. Als wir uns von ihm verab­schiedet hatten, gingen wir zur Jugendherberge, wo der Pud­ding gegessen wurde. Am selben Abend wur­den noch Teller und [Horden]Pott ge­spült, da wir am andern Mor­gen früh weg­fahren wollten. Gegen 20.00 Uhr gings ins Bett. Man schlief in der Ni­degge­ner Jugendherberge sehr fein.

Nideggen, Dienstag, 10. April 1928
Dienstagmorgen standen wir um 5.30 Uhr auf. Die Meßdiener Jan [An­sems] und Peter [Drie­ßen] noch etwas früher, da Dr. [Walter] Vinnenberg um 5.30 Uhr schon Messe las. Als Dr. Vinnenberg u. d. M. [und die Meßdiener] von der Messe wie­derkamen, standen wir schon fix und fertig vor der Jugend­herberge. Nun marschierten wir zum Bahnhof. – Leider mußte Jan A. [Ansems] an der Kir­che [St. Johannes Baptist] feststellen, daß er die Decke der Jugendherberge mit­ eingepackt be­kommen hatte; und nun hieß es, flott einer wieder um. Ich lief im Tempo zur Jugend­herberge zurück, Decke hin­geworfen und wieder zurück den Burgberg her­unter. Dabei machte ich eine kleine Kletterpartie, (nämlich ich hielt mich an einem Baum fest, auf eine vorspringende Stelle stellte ich mich hin und sprang herunter). Die andern traf ich auf der Brücke und wir erreichten noch ganz gemütlich unsern um 6.45 Uhr abfahren­den Zug. […]
Zu Hause kamen wir frisch und froh an und mußten von der ganzen Fahrt erzählen.

Quelle der nicht ausgewiesenen Fotos: Karl Leisner-Archiv