Das Karl Leisner-Erinnerungsmal auf dem Weg der Jakobspilger in Kleve

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An markanter Stelle vor der Klever Stiftskirche steht auf den Wegen der Jakobspilger im Rheinland seit Dezember 2014 das vom Düsseldorfer Bildhauer Bert Gerresheim geschaffene Karl Leisner-Erinnerungsmal.

 

 

 

 

Unter der Überschrift „Pilgerspuren…“ heißt es im Pilgerführer[1] u. a.:
„In Kleve war Jakobus der Schutzheilige der Gilde der Bäcker, Brauer und Müller, die erstmalig im ältesten Stadtrecht aus der ersten Hälfte des 15. Jh. genannt wird. 1522 wird ein Altar dieser Gilde in der Klever Stiftskirche erwähnt.
Die Schwanenburg in Kleve, das Residenzschloß der Klever Grafen und Herzöge, war Ausgangspunkt adliger Pilgerfahrten. Graf Adolf I. besuchte 1375 Jerusalem. Sein Nachfolger Adolf II. reiste zum Heiligen Blut nach Wilsnack. Dessen Sohn Herzog Johann I. hat mit Santiago de Compostela, Jerusalem und Rom die drei großen Pilgerziele der Christenheit aufgesucht. Als 19jähriger begleitete er 1438 seine drei Jahre jüngere Schwester Agnes an den navarresischen Königshof von Olite (in der Nähe von Pamplona), um sie dort mit dem Prinzen Karl von Viana zu vermählen. Bei dieser Gelegenheit besuchte Johann das Apostelgrab in Santiago de Compostela. Im Heiligen Jahr 1450 pilgerte er nach Jerusalem, wo er die Würde eines Ritters vom Heiligen Grab erlangte. Die Rückreise führte ihn nach Rom. Dort erhielt er eine Audienz bei Papst Nikolaus V. und besuchte die sieben Hauptkirchen der Ewigen Stadt.
St. Mariä Himmelfahrt in Kleve wurde nach 1341 zum Ziel von Wallfahrten, als mit der Verlegung des Stiftes Monterberg an die Klever Pfarrkirche eine Marienverehrung einsetzte. Zusammen mit Ginderich ist Kleve somit die früheste Stätte zur Verehrung der Muttergottes am Niederrhein.
Ende des 16. Jh. bestanden in Kleve acht Gast- und Armenhäuser, von denen jedoch nur eines, das 1335 erstmals erwähnte „Gemeine Gasthaus am Brücktor“, auch Fremden und Pilgern offenstand[2].

[1] Landschaftsverband Rheinland/Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft (Hrsg.), Jakobswege, Wege der Jakobspilger im RHEINLAND, Band 4, Köln 2009 (zit.: Jakobswege)
[2] Jakobswege: 43f.

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Als Bert Gerresheim und sein Mitarbeiter Francisco Ces Hernandez am 25. Juli 2013 in Santiago de Compostela beim traditionellen Treffen der Freunde von Jakobus und Karl Leisner die oben dargestellten historischen Fakten erfuhren, war für beide klar: Das Erinnerungsmal bekommt eine Pilgermuschel!

 

 

Kunstler_9581Sie befindet sich hinten rechts im oberen Teil des unteren Sockels der Skulptur. In der Mitte der Muschel erscheint das Logo des Künstlers und daneben entdeckt man die Unterschriften der beiden Gestalter und Jakobspilger Bert Gerresheim und F. Ces Hernandez.

Folgt der Pilger der offiziellen europäischen Wegmarkierung mit der gelben Muschel auf blauem Grund, so kommt er unausweichlich zum Erinnerungsmal und wird sicher ein wenig dort verweilen.
Vertieft er sich in das Antlitz des Seligen, dann stellt er fest, daß dessen Blick weit in die Ferne schweift, Richtung Westen. Das wird den Jakobspilger erfreuen; denn sein Ziel Santiago de Compostela liegt im Westen, nur ca. 90 km entfernt von einem der westlichsten Punkte Europas, dem Cabo Fisterra an der galicischen Küste in Nordwestspanien, dem Ende der Welt für den mittelalterlichen Pilger.

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Karl Leisner, ganz Niederrheiner und zugleich Europäer, schaut über den Tellerrand hinaus. Er war nicht nur in seiner näheren Heimat, zu der auch die benachbarten Niederlande zählen, und Deutschland unterwegs, sondern unternahm auch Fahrten in die Schweiz, nach Belgien, Italien und Frankreich.
Auch der Jakobspilger blickt über den Tellerrand. Er verläßt für eine gewisse Zeit seine Heimat und bricht auf zum weit entfernten Ziel.

 

 

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IMG_9583Auf diesem Weg lernt er unterschiedliche Menschen und Regionen kennen und ist offen für Unbekanntes und Neues, macht frohe aber auch leidvolle Erfahrungen. Insofern spricht ihm das auf der Stele verewigte Zitat aus Karl Leisners Tagebuch: „Lachend Lasten tragen – und froh leiden. Das gibt den rechten Klang des Herzens.“ sicherlich aus der Seele.

 

Tief berühren wird ihn auch die Bitte, die Karl Leisner heute vor 70 Jahren, am 25. Juli 1945, dem Festtag des heiligen Jakobus, unter seinen letzten Tagebucheintrag geschrieben hat:
Segne auch, Höchster, meine Feinde!

 

 

Fotos Gabriele Latzel