Das Tagebuch seines Freundes Heinrich Tenhumberg hätte Karl Leisner sicherlich sehr interessiert

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Heinrich Tenhumberg: Als Weihbischof auf dem Konzil. Tagebuchnotizen 1962-1965. Herausgegeben von Joachim Schmiedl, Aschendorff Verlag, Münster 2015, 222 Seiten
ISBN 978-3-402-13114-5, EUR 19,90

 

 

 

 

TenhumbergBischof Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Abitur am Gymnasium Paulinum in Münster – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Karl Leisners Schön­stattgruppen­führer im Collegium Borromaeum in Münster – Auf­nahme in den Apostolischen Bund von Schönstatt 8.9.1936 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Aushilfe in Ossenberg 1939–1940 – Kaplan in Marl-Brassert 9.2.1940 – Mi­litärdienst als Sanitäter (1943 in Stralsund) u. englische Kriegsgefangenschaft 1942–1945 – Vikar in Frecken­horst 1945–1947 – Dom­vikar 1947 – Domkapitular 1954 – Bi­schofs­­weihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bi­schof von Mün­ster 7.7.1969 bis 16.9.1979
Foto IKLK-Archiv

Unter der Überschrift „Als Weihbischof auf dem Konzil – Das Tagebuch des späteren Oberhirten von Münster beschreibt das Konzil aus einer persönlichen Perspektive“ besprach Harm Kluetin in der Tagespost vom 8. September 2016 das in einer Auswahledition von Professor Dr. Joachim Schmiedl herausgegebene Buch.

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Veröffentlichung der Schönstattbewegung
Aus Anlass des 100. Geburtstages von Heinrich Tenhumberg und im 50. Jahr nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils veröffentlicht der Aschendorff Verlag in diesen Tagen das Buch „Heinrich Tenhumberg – Als Weihbischof auf dem Konzil“. Herausgeber des Buches, das die Tagebuchnotizen Tenhumbergs von 1962 bis 1965 editiert, ist Schönstatt-Pater Prof. Dr. Joachim Schmiedl, Vallendar. Heinrich Tenhumberg nahm als Weihbischof des Bistums Münster am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. In seinen ausführlichen Tagebuchnotizen aus dieser Zeit begegnet dem Leser ein als wacher Beobachter und an der Zukunft der Kirche orientierter Denker, dem die Reform der Kirche, besonders der römischen Kurie, und die Sensibilität für die Zeichen der Zeit und die charismatischen Aufbrüche der Kirche ein besonderes Anliegen war. Einen großen Raum in Tenhumbergs Tagebuchnotizen nehmen die Verhandlungen für eine gute Lösung der Fragen um die Schönstatt-Bewegung und ihres Gründers Josef Kentenich ein. In diesem Buch werden wesentliche Teile des umfangreichen Tagebuchs zusammen mit den mündlichen und schriftlichen Beiträgen des damaligen Weihbischofs und späteren Bischofs von Münster zum Konzil publiziert.[1]

[1]    URL http://www.schoenstatt.de/de/news/2784/112/Als-Weihbischof-auf-dem-Konzil-Tagebuchnotizen-von-Heinrich-Tenhumberg-erschienen.htm – 3.10.2016

Karl Leisner lernte Heinrich Tenhumberg im Mai 1934 in Münster kennen, als sie beide, um Priester zu werden, zum Studium der Theologie ins Collegium Borromaeum eintraten und enge Freunde wurden. Heinrich Tenhumberg blieb bis zu seinem Tod mit Familie Leisner, die ihn wie Karl Leisner selbst auch Heini nannte, befreundet.
Karl Leisners Tagebücher sind voll von Notizen über Begegnungen mit seinem Freund. Viele Gespräche zwischen den beiden betrafen die Situation der Kirche in Deutschland.

Zwei Beispiele aus Karl Leisners Tagebuch:

Münster, Samstag, 16. April 1938, Karsamstag
Gedanken verscheucht er mir mit seinem herrlichen Kinderherz. Er macht mich recht froh.
Am Abend spazier’ ich mit Heini T. und Fritz Harten[1] auf dem lindengrünen Domplatz auf und ab. Wir plaudern über Pastor Pasch[2] und seine Kapläne [Theodor Nordhues[3] und Hubert Döker[4]] – wie sie schaffen, über Seelsorge auf dem Land etc., junger Kaplan sein etc. Recht fein und nett. Auch auf das Borro­maeum kom­men wir im Gespräch und meinen, die Erziehung müsse mehr auf Ernst, Autorität, Weitblick, Wissen um die Dinge, die geschehen, aufge­baut sein. – Regens Francken[5] ist da leuchtendes Vorbild. Das erquickt mich sehr. Dazu die gute Frühlingsluft.

[1] Friedrich (Fritz) Harten (* 11.6.1915 in Recklinghausen, † 3.3.1950) – Eintritt ins Colle­gium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster
[2] Theodor Pasch (* 31.12.1886 in Duisburg, † 5.11.1969) – Eintritt ins Collegium Borro­maeum in Münster Ostern 1907 – Priesterweihe 1.4.1911 in Mün­ster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmel­fahrt 19.3.1926 bis 1928 – Religi­ons­lehrer in Kleve 18.7.1928 bis 1937 – Pfarrer in Recklinghausen St. Paul 28.7.1937 bis 1959
[3] Theodor Nordhues (* 25.2.1903 in Vellern, † 6.6.1955) – Eintritt ins Collegium Borro­maeum in Münster Ostern 1924 – Priesterweihe 22.12.1928 in Münster – Kaplan in Reck­linghausen St. Paul bei Pfarrer Theodor Pasch 8.6.1937 bis 9.8.1948
[4] Hubert Döker (* 3.10.1912 in Coesfeld, † nach 1940) – Eintritt ins Collegium Borro­maeum in Münster 1.5.1932 – Priesterweihe 18.12.1937 in Mün­ster – Kaplan in Reck­linghausen St. Paul bei Theodor Pasch 14.6.1938 – Kaplan in Ahlen St. Marien 1940
[5] Prälat Dr. h. c. Arnold Francken (* 6.8.1875 in Ker­venheim, † 31.3.1954) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 24.4.1896 – Priester­weihe 9.6.1900 in Münster – Sub­re­gens im Priesterseminar in Münster 1908–1933 – Regens 8.11.1933 bis 1948 – Domkapi­tular 1923 – Päpstlicher Hausprälat 1936 – Aposto­lischer Protonotar 1948 – Bei seiner Be­erdigung waren ca. 400 Priester an seinem Grab versammelt. Er schick­te Pakete für Karl Leisner ins KZ Dachau.

Münster, Dienstag, 28. Juni 1938
Mit meinem Freund Heini war ich bei Familie E. [Heinrich Eyink[1]] kurz zu Gast. – Ein wenig hat’s uns beide wohl schon ge­packt: Der Ernst der Entscheidung [vor dem Empfang der Niederen Weihen] zu­mal in dieser so gewaltigen Stunde der Welt und der Kirche. Ein wenig möchten wir verzagt werden, wenn wir das Menschliche – Allzumen­schliche an uns selbst vor allem und an unserer lieben Mutter, der Kirche, so nackt und nüchtern sehen. – Aber wir richten unser Auge auf Gott und Sein Reich und die heilige Sendung und die göttlich große Aufgabe, die Er uns über­tragen will. – Was uns so entsetzlich auf die Seele fällt, ist dies vor allem, daß wir das Erstarrte, Verkrampfte, Altmodische und Hinterwäld­leri­sche im äußeren Gebaren der Kirche so scharf durchschauen und so bitter am eige­nen Leib und am Leibe des Herrn vor allem verspüren. Der Geist der Frei­heit, des Vertrauens, der Weite, der Liebe und Größe ist durch diesen alten Klüngel und Krimskrams gehemmt – nicht nur das, sondern manch­mal in Fesseln geschlagen und in eine leben- und glaubenertötende Zwangsjacke gebannt. – Aber wir wollen nicht nörgeln. Was siegt, ist die Kraft der größe­ren Liebe – so sagte uns Michael Schmaus[2] heute morgen im Kolleg [um 10.15 Uhr] zu den Kämpfen der Zeit. Und die größere Liebe wird auch die Kraft zur inneren Reform (Erneuerung) der heiligen Kirche finden. Die zähe, klebrige, quallige Geruhsamkeit und Faulheit, das pharisäische Ge­nießer- und Muckertum, das sich hinter den Barrikaden von wohlgetürm­ten Geset­zesklötzen versteckt und versteift – das muß schwinden aus uns, aus dem geistlichen Stande und der ganzen heiligen Kirche. – Schau auf Gott und die große Aufgabe. – Gott weiß alles. Er ist größer als unser kleines, er­bärm­li­ches Herze! [vgl. 1 Joh 3,20] Gib dich Ihm hin, dem Drei-Einen, der dich da gerufen hat zu Seinem heiligen Priestertum auf dieser Erde zur Weihe der Welt. Consecratio mundi, deificatio terrae! [Weihe der Welt, Ver­göttlichung der Erde!] Und nun wirf dich hinein in die liebend aufgespann­ten Arme Dei­nes Herrn, des Erlösers der Welt, der dich in beson­derer Weise zur Fort­set­zung Seines Erlösungs­werkes, zur Fortpflan­zung der heiligenden Kraft Sei­nes gottmenschlichen Lebens gerufen hat.

[1] Eheleute Heinrich Eyink u. Frau, geb. Schulenkorf – Münster, Maximilianstr. – Sie kann­ten Karl Leisner durch Heinrich Tenhumberg. Im Juli/August 1938 hat ihr Sohn Karl-Heinz (* 11.4.1923) mit Karl Leisner an der Allgäufahrt teilgenommen. Heinrich Tenhumberg hat Karl-Heinz Eyink und Gisela Eyink, geb. Plesser 1951 getraut.
[2] Prof. Dr. theol. Michael Schmaus (* 17.7.1897 in Oberbaar/Bayern, † 8.12.1993 in Gau­ting) – Prie­sterweihe 29.6.1922 – Professor für Dogma­tik an der Deutschen Universität in Prag 1928–1933 – an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1933–1945 – an der Ludwig-Maximili­ans-Universität Mün­chen 1945–1965 – Rektor ebd. 1951/1952 – Er ver­stand seine Dogmatik als Verkündigung und schrieb eine achtbän­dige leicht lesbare „Katholische Dogmatik“.

Siehe Rundbrief des IKLK Nr. 48 / August 2003.

Mit großem Interesse hätte Karl Leisner das Konzil verfolgt und sicherlich vieles aus dem Munde seines Freundes Heinrich Tenhumberg von dem erfahren, was dieser in seinem nun veröffentlichten Tagebuch festgehalten hat.

Siehe auch Aktuelles vom 9. Juni 2015
und Aktuelles vom 14. September 2015.