Der Diakon Živan (Ivan) Bežić hätte zusammen mit Karl Leisner zum Priester geweiht werden können

2014_04_01_Kapelle Tijhuis

Als Karl Leisner am 14. Dezember 1940 vom KZ Sachsenhausen ins KZ Dachau kam, war er dort der einzige deutsche Diakon. Weitere Diakone waren der Kroate Živan (Ivan) Bežić[1] und die beiden Polen Leon Dankowski[2] und Wiktor Spinek[3]. Manch ande­rer Seminarist mochte bereits die Nie­deren Weihen empfangen haben, wie zum Beispiel der Pole Mi­chał Poplawski[4].
Karl Leisner wurde am 17. Dezember 1944 im KZ Dachau zum Priester geweiht.

[1] Živan (Ivan) Bežić (* 18.5.1921 in Grohote, 17.9.2007 in Split) – Er kam als Diakon wegen Zugehörigkeit zu den Partisanen am 19.11.1943 ins KZ Mauthausen, am 1.12.1944 ins KZ Dachau und wurde am 29.4.1945 be­freit. – Priesterweihe 29.6.1945 in Split
[2] Leon Dankowski (* 2.6.1895 in Argenau/Gniewkowo/PL, † 11.2.1986 in Leslau/ Włocławek/PL) – Er kam als Diakon am 25.4.1941 ins KZ Dachau und wurde am 29.4.1945 be­freit. – Priester­weihe 29.7.1945 in der polni­schen Kirche Mariä Himmelfahrt in Paris durch Bischof Karol Radonski von Włocławek
[3] Spinek, Wiktor
Pater Wiktor Spinek SDS (* 23.11.1900 in Piotrowice/PL, † 5.12.1978) – Er kam am 31.1.1941 als Diakon ins KZ Maut­hausen, am 30.5.1942 in KZ Dachau und wurde am 29.4.1945 be­freit. – Priesterweihe 8.7.1945 in Dachau durch Erzbischof Józef Feliks Gawlina
[4] Pater Michał Poplawski CSSp (*27.10.1909 in Kropiwniki/PL) – Tonsur 5.7.1936 – Ostiarier- und Lekto­renweihe 5.7.1936 – Er kam am 10.12.1940 ins KZ Neuengamme, am 22.1.1941 ins KZ Da­chau und am 11.6.1942 auf Invalidentransport zur Vergasung nach Hart­heim.

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Bezić, Živan (Ivan), U sjeni Krematoria, Uspomene jednog Logo­rasa [Im Schatten des Kre­matoriums, Erin­nerungen ei­nes Gefangenen], Split 21976 (zit.: Bezić).

Živan (Ivan) Bežić schildert in seinem Buch unter anderem seine persönlichen Empfindungen anläßlich Karl Leisners Priesterweihe und Primiz.

Živan (Ivan) Bežić:
Am schönsten feierten wir Weihnachten in der Baracke 26, in unserer Kapelle. Den ganzen Morgen fanden feierliche, gesungene heilige Messen statt. Besonders zeichneten sich die Polen mit ihren Weihnachtschorälen aus, dann auch unsere Slowenen, und auch die Tschechen …
Am folgenden Tag [26. Dezember 1944], dem Fest des heiligen Stefans, erlebten wir die größte Weihnachtsfreude. Der deutsche Theologiestudent und Diakon Karl Leisner feierte in der Kapelle seine erste (und letzte!) Heilige Messe. Primizmesse im Lager! Unerhört und unglaublich! Am Ort, wo die „Popen“ zugrunde gehen sollten, wurden neue Priester geboren. Das Lager wurde zu einer Pflanzstätte des Glaubens, das Krematorium ein Seminarium. Wer konnte das glauben?
Der immer fröhliche Leisner hatte lange auf diese Gnadenstunde gewartet. Geboren in Rees bei Kleve (Diözese Münster), hatte er schon als Student und Führer der katholischen Jugend vom Priestertum geträumt. Er trat ins Seminar ein und wurde Diakon. Einige Wochen vor seiner Weihe wurde er im Krankenhaus [Lungensanatorium Fürst-Abt-Gerberthaus in St. Blasien] verhaftet ([9.XI.]1939), als er seine Lungentuberkulose ausheilen sollte. Seine Sträflingszeit begann er in Sachsenhausen und setzte sie in Dachau fort. Nach fünf Jahren Lagerhaft, vollständig erschöpft und schwer tuberkulosekrank, verlor er die Hoffnung auf Erlangung der Befreiung und der Priesterweihe. Jedoch die Priesterweihe (die man ihm im letzten Moment verwehrt hatte) war der höchste und letzte Wunsch im Leben Karls. Die Dachaupriester wollten ihm diesen Wunsch erfüllen. Mit Hilfe anderer erlangte Dekan Schelling[1] die Erlaubnis von Karls Bischof von Galen[2] und des Kardinals Faulhaber[3], daß die Weihe stattfinden könne. In größter Verschwiegenheit wurde Leisner vom Kranken-Revier auf Block 26 gebracht und dort in der Kapelle am Sonntag vor Weihnachten [3. Adventssonntag, dem Sonntag Gaudete] (17.XII.1944) geweiht. Die Priesterweihe nahm der französische Bischof Gabriel Piguet[4] vor, das hl. Öl und die Pontifikalien hatte man heimlich aus München herbeigeschafft.
An der Weihefeier nahm nur der engste Kreis der Freunde Karls teil, so daß es für uns übrige geheim blieb. Karl war danach so sehr erschöpft, daß er am Weihnachtstag nicht die Primizmesse, wie er es gewünscht hatte, feiern konnte. Am Tag des heiligen Diakons Stefanus konnte Diakon (und Priester) Karl soviel Kraft sammeln, daß er die Primiz feiern konnte. An dem Tag ließ man niemand in die Kapelle außer seine Landsleute und uns, einige aus dem Block 28. Mich hatte man eigens zu dieser Primizfeier gerufen, da ich wie Karl Diakon war, der an der Primiz gehindert worden war und sein Lebensziel nicht erreicht hatte. Ich glaube nicht, daß in der Kapelle ein Auge trocken blieb. Ältere Priester erneuerten bei der Heiligen Messe Karls ihre eigene Jugend. Wir jungen Theologen (unter uns waren ziemlich viele polnische und französi­sche Theologiestu­denten) haben an Karls Glück unser eigenes er­ahnt. Wir erhofften uns auch, vor dem Tod noch die Gnade der Priesterweihe zu erlangen. Wir lebten mit vielen Professoren der Theologie zusammen, oft hörten wir ihre Vorlesungen, wir hatten unter uns auch einen Bischof, so daß wir hoffen konnten, daß eines Tages auch für uns die Möglichkeit zur Primiz komme.
Mich hat dieser Tag mit Freude und Bitterkeit erfüllt. Die Erinnerung an meine entgangene Priester­weihe, in der Furcht, daß ich sie überhaupt nicht lebend erwarten könne, das unverhoffte Auf­strahlen der Hoffnung darauf und das begeisterte Zureden der Polen, daß auch ich hier im Lager Primiz feiern möge, das warf mich in eine tiefe Unruhe und in einen geistlichen Kampf. Die Polen versprachen mir feierlich, daß sie alles beim (Lager-)Dekan [Georg Schelling], beim Bi­schof [Gabriel Piguet] und Kardinal [Mi­chael von Faulhaber] vorbereiten wür­den, daß ich eine noch schönere „Pir“ (Feier) hätte als Karl Leis­ner. Die unerwartete und glückliche Möglichkeit der Weihe zog mich mit großer Kraft an. Wenn ich jetzt nicht mein Ziel erlange, werde ich es – Gott weiß wann – jemals erreichen? Viel­leicht ist das die letzte Chance in meinem Leben? Aber wiederum – hier in dieser Mordstätte, am größ­ten Priester­friedhof, den die Geschichte kennt, in tiefster Fremde, fern von Mutter, Brüdern und Schwestern und später das bittere Andenken an die Primiz­messe – das war mir zu schmerzlich.
Ich dankte den lieben Polen für ihre Anre­gung, aber ich blieb entschieden da­bei, daß ich einzig in meiner kroatischen Heimat und in Ge­genwart mei­ner Mutter die Kraft finde, um gänz­lich mein so früh begonnenes Opferleben zu krönen. Ich bedachte: Das Blut Christi ist bereits vergossen und – ohne einen sakrilegischen Vergleich zu machen – meines auch. Es fehlen nur noch die kroatische Weintraube und Ähre, daß mein Meßopfer bereit ist. Siehe, auch der Neupriester Leisner hat fünf Jahr auf diese Stunde gewartet und wartete bereits im 29. Lebensjahr. Ich warte erst das zweite Jahr und habe noch nicht 24 Jahre, was kanonisch für das Priestertum vorgeschrieben ist. – Auch die Priesterkandidaten haben nicht, auch nicht die älter waren als ich, im Lager das Glück Karls erlangt. Die Hindernisse waren unübersteigbar.[5] Diese Primizmesse blieb die einzige und alleinige im Lager. Sofort danach mußte Karl sich legen und konnte sich nicht vom Krankenlager erheben. Die schwere Krankheit hat ihn weggerafft zum himmlischen Tempel und ihm die ewige Liturgie ermöglicht[6].[7]

[1] Georg Schelling (* als Sohn eines Bergbauern 26.9.1906 in Buch bei Bregenz/A, † 8.12. 1981 in Nenzing/A) – Priesterweihe 29.6.1930 in Innsbruck/A – 1934 wurde er mit der Re­dak­tion des Vorarlberger Volksblattes betraut und auf Grund dessen am 21.3.1938 ver­haf­tet. Er kam am 31.5.1938 ins KZ Dachau und dort in die Strafkompa­nie. Am 27.9.1939 kam er ins KZ Buchenwald und dort eben­falls in die Strafkompanie. Am 8.12.1940 kam er erneut ins KZ Dachau und wurde dort am 16.(17.)3.1943 dritter Lagerka­plan als Nach­fol­ger von Franz Ohnmacht und ab 1.10.1944 Lagerdekan, außerdem war er Blockschrei­ber. Am 10.4.1945 wurde er aus dem KZ Dachau entlas­sen. Im Selig­sprechungs­prozeß für Karl Leisner hat er 1982 als Zeuge ausgesagt.
[2] Clemens August Graf von Galen (* 16.3.1878 auf Burg Dinklage i. O., † 22.3.1946 in Münster) – Priesterweihe 28.5.1904 in Münster – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Mün­ster 28.10.1933. Am 18.2.1946 wurde er zum Kardinal ernannt und am 9.10.2005 in Rom se­ligge­sprochen.
[3] Dr. Michael Kardinal von Faulhaber (als bayerischer Bischof geadelt) – (* 5.3.1869 in Klo­ster­heidenfeld, † 12.6.1952 in München) – Priesterweihe 1.8.1892 in Würz­burg – Bi­schofs­weihe zum Bischof für das Bistum Speyer 19.2.1911 – Erzbischof von München und Frei­sing 1917 – Kardinal 1921
[4] Bischof Gabriel Emmanuel Joseph Piguet von Cler­mont (* 24.2.1887 in Ma­con-sur-Saône/Saône-et-Loire/F, † 3.7.1952) – Priesterweihe 2.7.1910 in Paris (St. Sul­pice) – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Autun/Saône-et-Loire 27.2.1934 – Bischof von Clermont 11.3.1934 – Ob­wohl Ver­ehrer von Marschall Philippe Pétain, widersetzte er sich wäh­rend der deut­schen Besatzung (1940–1944) den Na­tional­so­zialisten. Er wurde am 28.5.1944 ver­haf­tet, kam über das Ge­fäng­nis in Clermont-Ferrand und das KZ Natzwei­ler-Struthof am 6.9.1944 ins KZ Da­chau und wurde am 4.5.1945 von den Amerikanern auf der Evakuie­rungs­fahrt vom 24.4.1945 nach Südti­rol in Niederdorf/Villabassa/I be­freit.
[5] Bi­schof Gabriel Piguet kam am 22.1.1945 in den „Ehrenbun­ker“, von dort aus war keine Weihe mehr möglich.
[6] Karl Leisner starb am 12. August 1945 an den Folgen seiner KZ-Haft im Waldsanatorium Planegg bei München.
[7] Bezić S. 195ff.