Der Klever Heimatkalender 2017 hätte Karl Leisner sicherlich sehr interessiert

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In der Ausgabe für das Jahr 2017 gibt es viele Themen, zu denen Karl Leisner eine Beziehung hatte.

Kalender für das Klever Land auf das Jahr 2017
Kleve 2016

 

 

 

Sein Interesse würde vermutlich bereits durch die „Kopfbilder“ zu den Kalenderblättern auf den Seiten 4ff. geweckt, die historische Bahnen im Klever Land zeigen.

Über den Kalenderdaten der Monate Januar und Februar 2017 ist ein „Zug von Spyck über die Altrheinbrücke bei Griethausen nach Kleve“ zu sehen.
Siehe auch Aktuelles vom 9. Januar 2016 – Eisenbahnbrücke bei Griethausen“.

Das „Kopfbild“ der Monate Juli und August 2017 zeigt die Boxteler Bahn an der Station Labbeck. Diesen Bahnhof benutzten viele Ausflügler zur Villa Reichswald. Karl Leisner fuhr bereits 1929 mit der Boxteler Bahn.
Die Boxteler-Bahn (Nordbrabant-Deutsche-Eisenbahn – Noord Brabantsch Duitsche Spoor­­­­weg­maatschappij N.B.D.S.) war Bestandteil der wichtigsten und schnellsten Verbin­dung zwischen London und St. Petersburg/RUS. Ab 1873 fuhr sie von Wesel über Büde­rich, Menzelen/Ginderich, Birten, Xanten-West, Labbeck, Uedemerbruch, Uedem, Goch, Asper­den, Hassum, Gennep nach Boxtel in den Niederlanden. Dazu baute man von 1872–1874 in Wesel eigens eine Brücke über den Rhein. Am 1.7.1878 wurde die Strecke Goch–Wesel für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wur­den 1914 die verschiedenen Eisen­bahn­gesell­schaften in die Hand des Staates überge­ben, darunter auch die Nordbrabant-Deut­sche-Eisenbahn. Der deutsche Strecken­anteil der N.B.D.S. ging am 1.7.1925 an die Deut­sche Reichsbahn über. Bis zur Zerstörung der Brücke in Wesel 1945 wurde die Strecke be­fahren (s. Rund um den Schwanenturm 2, 1983: 17).
Siehe auch Aktuelles vom 3. Dezember 2016 – „Erinnerungen von Karl Leisner an Menzelen-West“.

Auch Karl Leisner gehörte zu den Ausflüglern zur Villa Reichswald.

Kleve, Sonntag, 9. Juni 1929
Ausflug mit dem KBV
Heute fuhren wir um 12.50 Uhr [mit der Eisenbahn] mit dem Katholischen Beamtenverein nach Marienbaum. Von dort gings zu Fuß nach „Villa Reichswald“ bei Labbeck (über den Kai­ser-Otto-Weg), wo zuerst Kaffee getrunken wurde. Dann wurde gespielt, geturnt und Schinken ge­kloppt. Zurück gingen wir über die Landstraße zum Bahnhof Marien­baum. […] Gegen 20.00 bis 20.30 Uhr fuhren wir mit dem Zug nach Cleve zurück, wo wir um 21.00 Uhr eintrafen.

Das „Kopfbild“ der Monate November und Dezember 2017 vermittelt einen Eindruck von der zwei Kilometer langen Weseler Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Hochwasser. Diese Brücke querten die Bahnlinien Goch-Wesel und Geldern-Wesel.
Siehe auch  Aktuelles vom 2. September 2014 – „Karl Leisner und die Rheinbrücken in Wesel und Nijmegen/NL“.

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Ulrich Bornmann berichtet unter dem Titel „Neue Antikenbegeisterung – Nikolaus Meyer (1775–1855) und die Anfänge der Grabungen am Niederrhein“ (S. 35–40) unter anderem von Grabungen in Xanten. Neben Köln war Xanten einer der bedeutendsten archäologischen Orte in Deutschland.
Dort hatte Dr. Walter Bader am 26. Oktober 1933 unter dem Dom ein Dop­pelgrab mit Gebeinen, die die Tradition dem hl. Viktor und einem Ge­fährten zuordnet, entdeckt. Die Auffindung des Martyrergrabes und die Einweihung der darüber errichteten Krypta im Dom hingen eng mit der 1936 begangenen Großen Viktortracht zusammen, an der Karl Leisner teilnahm. Bischof Clemens August Graf von Galen hielt am 9. Februar 1936 vom Lettner des Chores aus eine viel beachtete Pre­digt anläßlich der Weihe des Altares in der 1935 künstlerisch gestalte­ten Kryptakapelle.

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Im Bericht von Helga Ullrich-Scheyda unter dem Titel „‚Ich habe 40 Jahre meine Pflicht getan’ – Ein Klever Finanzbeamter und seine Verstrickung in den Nationalsozialismus“ (S. 67–83) geht es um die Deportation der 1941 noch in Kleve lebenden Juden. Dabei findet unter anderen die Familie Gonsenheimer Erwähnung. Sie führte das Kaufhaus Gonsenheimer, später Doherr. Zu seinen Tagebucheinträgen vom 27. April 1935 hat Karl Leisner die Todesanzeige von Paul Gonsenheimer geklebt:

gonsenheimerStatt jeder besonderen Anzeige!
Heute nachmittag, 4¼ Uhr, entschlief mein guter Sohn, unser lieber Bru­der Paul im Alter von 26 Jahren, nach langem schweren, mit großer Ge­duld ertra­genem Leiden.
In tiefer Trauer:
Frau Wwe. Hermann Gonsenheimer,
Sophie geb. Löwenstein,
Henny Gonsenheimer,
Max Gonsenheimer.
Kleve, den 28. April 1935, Tiergarten 24
Die Beerdigung findet statt am Dienstag, dem 30. April 1935, nach­mittags 3 Uhr, vom St. Antoniushospital aus.
Kranzspenden und Beileidsbesuche dankbar verbeten.

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„Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium feiert sein 200-jähriges Bestehen – Zu einer Schulgeschichte im Gleichklang mit ihrer Zeit“ (S. 94–104) lautet ein Bericht von Jochem Reinkens. Er schildert auch die Zeit von 1925, als Karl Leisner in die Sexta der Schule eintrat, bis zu dessen Abitur 1934.

2014_03_22_Abiturkartevorne2014_03_22_Abiturkartehinten

 

 

2013_07_04_Abiturklasseobere Reihe v. l.: 1. Johann van Aken, 2. Josef Gerlings, 3. Hermann Mies,
mittlere Reihe v. l.: 4. Emil de Vries, 5. Hermann Rings­dorff, 6. Gerhard Tos­ses, 7. Karl Leis­ner, 8. Gerhard Siebers, 9. Johann van Lier, 10. Otto Andrae,
untere Reihe v. l.: 11. Lambert Michels, 12. Wilhelm Hom­righausen, 13. Dr. Karl Hofacker, 14. Studienrat Dr. Josef Müller, 15. Paul Brückner, 16. Ed­mund van Fon­deren

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Johann Kühnen beschreibt in seinem Artikel „Als Laufjunge bei der Bellevue“ (S. 139 –141) das Leben von Familie Hiby.

Hiby in Kleve
Industriellenfamilie – einst eine der angesehensten Familien in Kleve – Erwerb u. a. des ehemaligen adeligen Landgutes Villa Bellevue an der heutigen Nassauer Allee 49 1887 – Es war ein beliebter Treffpunkt für die Jungen um Karl Leisner. Ein Sohn von Familie Hiby besuchte mit Karl Leisner das Gymna­sium. Am 7. Februar 1945 wurden die Villa und der Garten zerstört. Nach dem Krieg errichtete man dort unter anderen Gebäude der Kreisverwaltung Kleve

Samstag, 2. November 1929
Am Samstag, den 2.11., trafen wir […] uns um 14.00 Uhr bei Hiby (Ecke Nassauerallee-Lindenallee).

Karl Leisner aus Kleve am 24. November 1929 an Walter Vinnenberg in Maria Laach:
Sams­tags um 14.00 Uhr gings von der Ecke bei Hiby ab.

Kleve, Samstag, 5. Juli 1930
Samstag, den 5. Juli bis Sonntag, den 6. Juli. Fahrt nach Süchteln
Um 14.00 Uhr sollten wir uns bei Hiby treffen. Ich kam 20 Minuten zu spät. Es ging sofort los.

Kleve, Sonntag, 21. Mai 1933
9.45 Uhr ab Hiby zum Eisernen Mann – sauber!

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Franz Gommans erwähnt in seinem Artikel „Die Sperrzone im Amt – Asperden anno 1945 – Die britische Besatzungsmacht treibt die Grenzlandbevölkerung erneut in die Evakuierung“ (S. 156–171) Pater Wilhelm Vollmerig MSC[1] aus Freudenberg. Der mit Familie Leisner befreundete Pater berichtet, wie er auf dem Heyhof eine Sonntagsmesse zelebrierte. Im KZ Dachau bedenkt Karl Leisner ihn immer wieder mit Grüßen.
[1] Pater Wilhelm Vollmerig MSC (* 8.8.1904 in Hamm, † durch einen Motor­radunfall 27.10.1950 in Kleve) – Eintritt bei den Hiltruper Herz-Jesu Missionaren 29.8.1925 in Herten – Ein­klei­dung u. Beginn des Noviziats 14.9.1925 in Herten – Profeß 15.9.1926 in Herten – Priester­weihe 10.8.1931 in Paderborn – als Mitbegründer des Exerzitienwerkes bis zu des­sen Auflö­sung Stationierung im Kloster Freudenberg 1938

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 26. Juli 1941, an seine Familie in Kleve:
[…] herz­liche Grüße zurück. Auch […] P. Voll­merig!

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 17. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
Herz­liche Grüße […] auch Kollegengruß an P Vollme­rig.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 18. September 1943, an seine Familie in Kleve:
Als zweites [Paket] kam Dein von Vollmerig und Hannes Poll­mann gegengezeich­neter Abendgruß, Elisabeth. Das war aber allerhand: eine Dose Speck, ein Kilo Aprikosen, ein Pfund Erbsen, ein Pfund Tomaten und ein Pfund Honig. Ich war platt. Herzlichen Dank Dir und erwi­dere P. Voll­merig und Hannes die Grüße aufs beste.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Donnerstag, 10. Februar 1944, an seine Kinder und Ver­wandten:
Vergangenen Freitag [4.2.] las PWV [P. Wilhelm Vollmerig MSC] im [Spyck-]Klösterchen für die beiden [Tanten Julchen und Maria Leisner] eine heilige Messe, in der […] wir […] zur heiligen Kommunion gingen. Dann geht man wieder getröstet nach Hause und schafft und sorgt weiter für die Leben­den.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Mittwoch, 16. Februar 1944, an seine Kinder:
Um 22.00 Uhr war ich zu Hause, wo ich Karls und Paulas Briefe vorfand und dann mußte ich über mich ergehen lassen, was den ganzen Tag passiert war. PWV ist bedingt k. v. [kriegsverwendungsfähig = tauglich für jeden Dienst in der Wehr­macht ] geschrieben, er war natürlich bei uns.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Montag, 6. März 1944, an seine Kinder:
Unsere Mutter ist am Samstag [4.3.] nach Geldern gefahren, um Willi Hartjens und Frau ein Kreuz zu bringen, was uns PWV besorgt hatte.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 22. April 1944, an seine Familie in Kleve:
An […] P. Voll­merig und die ganze geistliche Bruderschaft frohe Maiengrüße. Für den Maimonat halte ich mich Euer und aller Gebet besonders empfoh­len.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Freitag, 28. April 1944, an seine Kinder:
Wir hatten morgens heilige Messe im [Spyck-]Klö­ster­chen mit PWV, der dann mit uns Kaffee trank. Er stiftete sogar Boh­nenkaf­fee.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Mittwoch, 31. Mai 1944, an seine Kinder:
Zu Mittag war der hl. Wilhelm-PWV unser Gast, der sich dadurch revan­chierte, daß er uns zum Bohnenkaffee einlud. Alle schoben wir zur Mater­bornerallee [96], und der Kaffee sorgte da­für, daß wir bei der großen Hitze nicht einschlie­fen. Gegen 19.30 Uhr ging es eilenden Schrittes nach Hause.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 10. Juni 1944. an seine Familie in Kleve:
Am Wilhelmstag dachte ich auch an P. Vollme­rig, (herzlichen Dank für seine guten Gaben),

Sammelbrief von Familie Wilhelm Leisner am Donnerstag, 28. Dezember 1944, an Karl Leisner:
Jean op Gen Oorth, Kalkar brachte für Dich Speck, Vollmerig Speck und vier Würste; wir gaben sie Hannes P. [Pollmann] mit, damit er sie von Iserlohn aus fortschicke.

Karl Leisner aus Dachau M Samstag, 27. Januar 1945, an seine Familie:
Hannes Pollmann, P. Vollmerig und Jean op Gen Oorth besonders dankbare Segens- und Dank­grüße.

Propst Viktor Roeloffs charakterisierte bei der Beer­digung von Mutter Amalia Leisner († 19.2.1983) Karl Leisners Eltern unter anderem mit Worten von P. Wilhelm Vollmerig MSC:
[Pater Wilhelm Vollmerig MSC äußerte einmal,] Wilhelm Leisner senior [† 13.10.1964], der zuletzt Justiz-Oberinspektor in Kleve war, sei „eine gelungene Mischung aus Weihwasser, Benzin und Limonade“. Er wollte damit sagen: Dieser Mann ist fromm, unbedingt kirchentreu, auch wenn das öffentliche Glaubenszeugnis viel Mut kostete in der Nazizeit, so verkehrte er weiter mit Kaplan [Ferdinand] Stegemann, dem alten [Johann] Pollmann, Kaplan [Ludwig] Deimel und Herrn van Appeldorn [von der Zentrumspartei]; und sie besuchten im Gefängnis an der Krohne­straße Pater Titus Brandsma [OCarm] 1942, bevor dieser im KZ Dachau umkam.
„Benzin“ – Vater [Wilhelm] Leisner war spontan-impulsiv – tempera­ment­­­voll; er wußte, was er wollte, dabei leutselig, er sprach mit jeder­mann.
„Limonade“ – das meinte: er hatte ein wenig von der Rheinpfälzischen Süßlichkeit und Sentimentalität, Erbstück von seiner Mutter [Anna Hen­rich], die von der Rheinpfalz stammte.
Im Unterschied dazu war Mutter [Amalia] Leisner still, zurückhaltend, bescheiden, dabei aber sehr konsequent; sie erzog ihre fünf Kinder ohne viel Worte; war eine vorbildliche Hausfrau – noch die 90jährige wollte ihren Teil zur Hausarbeit beitragen! Ihr ruhiges Wesen war immer auf Ausgleich bedacht; und die Harmonie zwischen den Gatten übertrug sich auf die ganze Familie. Grundlage für diese Harmonie aber war ihr Glaube, ihre Gottverbundenheit. Diese christliche Überzeugung vor allem wollten die Eltern ihren Kindern mitteilen. Von dorther gewann auch Frau Amalia ihr klares Urteil angesichts der politischen und weltanschaulichen Umwäl­zungen um und nach 1933.

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In einem Bericht von Theodor Brauer unter dem Titel „Et Krüss“ (S. 205f.) erzählt Karl Leisners Klassenkamerad Pastor Gerd Siebers[1] die Legende von einer am Treppkesweg in Kleve ermordeten Landfrau.
[1] Gerhard (Gerd) Siebers (* 7.11.1913 in Nütterden, † 17.6.1982) – Konabiturient von Karl Leisner – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1935 – Priesterweihe 19.3.1941 in Münster – Er wurde nur Priester, weil ihm seine Tante Christina Siebers, genannt Tante Kitta, außer dem Theologiestudium kein anderes finan­ziert hätte. Im Selig­spre­chungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.

Quelle der Fotos: Karl Leisner-Archiv