Heinrich Brey als Präses der Jugend 1934 im Lager in Groesbeek/NL
Die „geistliche“ Kostprobe! Kaplan [Heinrich Brey] und Theologe [Paul Dyckmans] – selbst sie („met öhr verwände Bükskes“ [mit ihren verwöhnten Bäuchen]) können sich des Lobes über unsre Köchinnen nicht genug tun. Denn: Wer probt, der lobt!
Schönstattpriester Heinrich Brey, genannt Bölleke wegen seiner Leibesfülle, (* 26.5.1903 in Capellen, † 23.8.1975) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster Ostern 1923 – Priesterweihe 3.3.1928 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt (Nassauerstr. 51) 12.4.1928 bis 18.7.1935 – als Präses verantwortlich für die Jugend – Kaplan in Duisburg-Hochfeld St. Peter (Gertrudenstr. 41/Walstattstr. 41) 18.7.1935 bis 1947 – Kaplan in Rheinhausen-Hochemmerich St. Peter 1947–1949 – anschließend Pfarrer in Frasselt – Pfarrer in Kranenburg 1954 – Seine Schwester Mathilde führte ihm den Haushalt. Er galt in Kleve als „Wiedererwecker der Palmvögel“. Auf seine Anregung hin trugen die Kinder bei der Prozession am Palmsonntag einen mit einem Palmvogel geschmückten Buchsbaumstock. Diese aus Brotteig gebackenen Vögel nennt man Palmmösse. Kaplan Heinrich Brey war Schriftleiter von „Katholische Jungwelt“, einer Beilage zur Zeitung „Der Volksfreund“. 1931 hat er darin einen Artikel über den Brauch des Palmvogel-Tragens verfaßt (Katholische Jungwelt 3, 1931: 117ff.). Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
Werner Stalder berichtete in der Rheinischen Post vom 28. November 2014 in der Serie „Unsere Seelsorger (5) – Pfarrer Heinrich Brey“ über diesen Priester aus der Sicht des Kranenburger Bürgers Dirk Willemsen.
Link zu RP ONLINE vom 28. November 2014
Heinrich Brey beginnt seine „Erinnerungen aus meiner Klever Kaplanszeit, Typoskript 2.2.1948: 1.f.“ mit einer Würdigung Karl Leisners:
Karl Leisner, der Jungscharführer im Klever Jugendreich
(Erinnerungen aus meiner Klever Kaplanszeit)
Viele Jahre sind vergangen, seit ich von Kleve, Mariä Himmelfahrt [Stiftskirche], der ersten Stätte meines Priesterwirkens, Abschied nahm. Als etwas Kostbares aus diesem Priesterfrühling (1928–1935) nahm ich mit das Bewußtsein eines gesegneten Schaffens in der Jugend der Kirche. Der unselige [Zweite Welt-]Krieg mit seinen schrecklichen Ereignissen wie auch die Nachkriegszeit mit ihrer Not und Sorge haben in keiner Weise die Erinnerung an meine Jugendarbeit von einst verblaßt und getrübt.
Eine Gestalt ragt aus diesen Erinnerungen an das Klever Jugendreich immer wieder leuchtend vor meiner Seele auf: das ist der damalige Jungscharführer Karl Leisner, mein treuer Freund und Mitarbeiter. Als Präses des Jungmännervereins der Oberstadt Kleve hatte ich sehr bald in Karl den geborenen Jugendführer erkannt und stellte ihn deshalb als Jungscharführer hinein in mein Jugendreich. Daß unter seiner Führung die Jungschar in kurzer Zeit sich als eine lebendige Kernschar entfaltete, war nicht anders zu erwarten. War er doch ein Jungmann, der Geist und Leben in sich trug – ein Jungführer mit leuchtenden Augen und einem brennenden Herzen voller Ideale und Pläne – einer, der mit seinen Jungen „durch Dick und Dünn“ ging, der zielbewußt arbeitete und sich deshalb nie beirren ließ, dessen Sonne nie unterging. Karl war wie ein Stephanus, voll des Glaubens und des Heiligen Geistes – der rechte Diakon in der Jungen Kirche, der seinen Jungen das immer zum Siege führende Christentum überzeugt und freudig vorlebte. So verstand er es meisterhaft, die Liebe zum Christkönig in vielen Jungenherzen zu entzünden und sie zu echt katholischen Jungen zu formen, zu frohen Christen, denen der Glaube von der Stirne leuchtet. Hier konnte man die Wahrheit des geflügelten Wortes erleben: „Leben entzündet sich am Leben!“ Karl liebte das Wort des Herrn: „Feuer zu senden, bin ich auf die Erde gekommen. Was will ich anders, als daß es brennet“ [Lk 12,49].
Deshalb war er erfüllt von einer heiligen Unruhe. Wo immer er zur Jugend sprach, da loderte in der Tat ein Christusfeuer auf, das weiter zündete und Leben weckte. Wie echtes Christentum immer weltbejahend ist, so sagte auch Karl ein Ja zu allem Guten und Schönen in der Welt. Er liebte Buch und Spiel, Kunst und Musik. Auf seinen Apostelpfaden waren Klampfe und Bücher seine treuesten Begleiter. Er liebte mit der ganzen Glut seiner Seele seine Heimat: die stolze Vaterstadt Kleve und den weiten Niederrhein mit seinen verborgenen Schönheiten – die Blumen und Kräuter, die Tiere in Wald und Feld. Er liebte die Berge und Täler, die Flüsse und Wälder, die unendlichen Weiten des Meeres. Er liebte das Fahrtenleben, das Wandern und Zelten – die wehenden Banner und flatternden Wimpel, die Lieder zur Laute und das frohe Spiel im freien Gelände – die ganze Welt der Jugendbewegten.
Was Karl auf Fahrt mit seinen Jungen so oft sang, das lebte in seiner Seele: „Wir sind jung, die Welt ist offen, o du schöne, weite Welt. Unser Sehnen, unser Hoffen zieht hinaus in Wald und Feld. Bruder, laß den Kopf nicht hängen, kannst ja nicht die Sterne sehen – aufwärts blicken, vorwärts drängen, wir sind jung, und das ist schön.“ In ihm lebte etwas vom Geiste eines hl. Franz von Assisi. So sah und liebte er wie dieser „Bruder Immerfroh“ die Herrlichkeiten Gottes in der Schöpfung und wußte stets ein lautes Lob zu singen auf seinen Schöpfer Gott. Karl war durch und durch Sanguiniker mit cholerischem Einschlag – die glücklichste Mischung der Temperamente für einen Jugendführer. Ein gesunder Eroberungswille war ihm eigen. Dank der glücklichen Fähigkeiten und Kräfte seiner Natur konnte er eine reiche Initiative entfalten, viele Pläne verwirklichen und dabei erleben ein Wachsen seines Jugendreiches in die Breite und Tiefe. Enttäuschungen und Schwierigkeiten blieben auch ihm nicht erspart. Aber von dem Gedanken und dem Willen beseelt: trotz allem muß das Werk gelingen, lebte und verwirklichte er das Wort des Herrn: „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube“ [1 Joh 5,4].[1]
[1] Brey, H. 1948: 1f.
Karl Leisner erwähnt Heinrich Brey immer wieder in seinem Tagebuch. Alle Einträge aufzuführen, würde den Umfang dieses Berichtes sprengen; daher folgen nur zwei Auszüge, zu denen es unter anderen direkte Kommentare von Heinrich Brey gibt.
Kleve, Sonntag, 18. März 1934
Heute – am 18.3. Jungscharführerlehrgang mit „Abbruch“ [durch Besuch eines Kriminalbeamten] um 15.30 Uhr! Um 22.00 Uhr P. [Heinrich] Horstmann [SJ] zur Bahn gebracht. „Also, Karl, du machst die Sache im Bezirk [Kleve]!“
Heinrich Brey:
Um diese Zeit brauchte ich als Bezirkspräses der Jugend des Dekanates einen Dekanatsjungscharführer. Es war für mich klar, daß kein anderer dafür in Frage kam als Karl. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. So war es auch bei ihm, der seine besondere Aufgabe sah in der Schulung der Jungscharführer des Dekanates. Das Kreuzbanner zog erobernd durch die Klever Lande.[1]
[1] Brey, H. 1948: 3
Groesbeek, Samstag, 25. August 1934, Heiliger Bartholomäus – Apostel – in der Diözese Utrecht Heiliger Ludwig IX.
Der letzte Tag:
Nach dem Kaffee Aufräumen! Der Küchendienst für den Tag tritt an, zugleich Wachdienst für Tag und Nacht. Dann „Religiöse Stunde“. Grundstimmung: Apostolat, Sendung des katholischen Jungen in unserer Zeit. (Gehalten vom Herrn Präses Kaplan Brey, von Paul Dyckmans, der als Pfarrhelfer mit war und sich prächtig bewährt hat, und mir.) Danach Wanderung, Geländespiele, Zeltstunden etc. für die Jungens in Gruppen zu 10 bzw. in Doppelgruppen.
Paul Dyckmans:
Mir war damals als Theologiestudent bewußt, daß meine erste und wichtigste Aufgabe als junger Kaplan die Jugendarbeit sei, und da ich darin noch wenig Erfahrung hatte, sagte ich [meine Teilnahme am Lager in Groesbeek] sofort zu. […] Jeden Tag geistliche Stunde, die meistens der Lagerführer [Karl Leisner] mit begeisternden Worten hielt, dann auch der Präses Kaplan Brey, wenn er dasein konnte, und gelegentlich auch ich. Ich war weiter zuständig für die Lagerapotheke und mußte die Lagerwache halten, wenn die Jungens unterwegs waren.[1]
[1] Dyckmans, Paul: „Das geweihte Banner hoch auf vor uns“. Das Jungscharzeltlager 1934 in Groesbeek. In: Heimatkalender für das Klever Land 1992, Kleve 68–70
Anna Vehreschild, geborene Kempkes:
Manche Vorgesetzte, darunter auch der Präses Kaplan Brey, waren besorgt wegen der Gefährdung durch die Nazi-Behörden. Aber im Grunde war Karl Leisner doch vorsichtig und sehr erleichtert, als wir von Groesbeek ungehindert wieder über die Grenze kommen konnten.[1]
[1] Seligsprechungsprozeß: 268
Heinrich Brey:
Unvergeßlich bleibt mir und allen, die es miterlebten, das Zeltlager in Groesbeek (Holland) im Jahr des Herrn 1934. Nach dem nationalen Umbruch in unserm Vaterlande war für katholische Jugend das Zelten auf deutschem Boden nicht mehr möglich. Dieses wie auch andere Verbote bezüglich unserer Jugendarbeit konnten uns, erst recht unsern Jungscharführer Karl nicht beirren. Die Liebe macht erfinderisch und sucht neue Wege zur Lösung auftretender Schwierigkeiten und Probleme. Wir ließen uns von dem Vikar aus Groesbeek [Kaplan Johannes Josephus Pulles] als Feriengäste einladen, um jenseits der Grenzen unsere Zelte aufschlagen zu können. So erhielten wir anstandslos den Sammelpaß, und die Fahrt in die Niederlande konnte steigen. Bei der Vorbereitung dieses dreiwöchentlichen Zeltlagers für 45 Jungen zeigte sich Karl als der große Organisator. Das mußte jetzt erst recht zu einem Erlebnis werden, das die Jungen für den bevorstehenden Kampf mit dem Nationalsozialismus stark machte in ihrer inneren Haltung. Mit wehenden Bannern zogen wir siegesgewiß in Holland ein unter dem Singen des Fahrtenliedes: „Kameraden, wir marschieren, wollen fremdes Land durchspüren, wollen fremde Sterne sehn. Kameraden, wir marschieren, laßt die bunten Fahnen wehn!“
Zwar wurden wir in den ersten zwei Tagen mißtrauisch unter die Lupe genommen und für eventuelle, verkappte HJ angesehen. Aber sehr bald wurde den Holländern klar, daß wir Kerle „von echtem Schrot und Korn“ waren, – katholische, deutsche Jugend mit guter Haltung und echter Gesinnung. Damit hatten wir ihre Herzen gewonnen und das Land erobert. Sieghaft wehte das Kreuzbanner der Jungschar im Zeltlager über dem Land der Windmühlen. Die Gemeinschaftsmesse und Lagerstunde an jedem Morgen, das Geländespiel, die Singkreise und Feierstunden am Abend formten unsere Kerle und machten sie zu jungen Streitern Christi, auf die wir uns später verlassen konnten. So lebte in ihnen der Geist, der Ausdruck findet in dem Lied: „Wir sind die Jungschar, Herr und Gott, auf ewig dir verschworen. Wir fürchten Teufel nicht und Spott, weil du uns auserkoren. Wir wollen treu dem Banner sein, Soldaten deiner Kriege, und wollen uns dem Zeichen weihn, dem Kreuz im Leid und Siege.“
Auf einem der Lagerbilder steht Karl als Fanfarenbläser, der mit seinem Fanfarenruf die Jungen weckt und ruft zum Gemeinschaftsopfer, dann wieder zur Lagerrunde, zum frohen Spiel und Singsang und schließlich zur Feierstunde und zum Nachtgebet.
Ja, Karl selber wurde zu einer lebendigen Fanfare, der in seinem schaffensfrohen Drang alle Jungen, die noch ferne standen, aufweckte und unter das Kreuzbanner rief.[1]
[1] Brey, H. 1948: 2f.
Fotos IKLK-Archiv