Die gehören zusammen, die zusammen hören

2013_03_18_Kirche_Pflazd

 

 

Als Kind erlebte Karl Leisner eine Glockenweihe in Pfalzdorf.

Bereits zu Anfang seines Tagebuchschreibens trug Karl Leisner manches Erlebnis nach. Auf dem Weg von Kleve nach Goch zu seinen Tanten hatte ihn in Pfalzdorf eine Glockenweihe beeindruckt.

Kleve, Samstag, 2. Juni 1928
Mit Papa zur Niers gefahren. Dort Protokoll bekommen. Dann nach Tante Julchen gefahren. Dort lecker Kaffee getrunken. Dann nach Haus gefah­ren. In Pfalzdorf Glockenweihe gesehn.[1] Rückkehr gegen [?]

Später lernte Karl Leisner das Gedicht „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich von Schiller und zitierte in seinen Tagebucheintragungen immer wieder daraus. Vor allem den Vers „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“.

 


[1]  Den Satz In Pfalzdorf Glockenweihe gesehn hat Karl Leisner nachgetragen, aber entweder an falscher Stelle, oder er hat bereits das Abholen der Glocke als Weihe ver­stan­den.
R. Thamm:
25jähriges Priesterjubiläum unseres Hochw. Herrn Pfarrers
Unter Anteilnahme der ganzen Kirchengemeinde feierte am 3. Juni (1928) unser allverehrter Herr Pfarrer Johan­nes Bruns sein 25jähriges Prie­sterjubi­läum. Ein­geleitet wurde die Feier am Tage vorher mit der festlichen Abholung der neuen Glocke – das Jubiläumsgeschenk der Pfarrge­meinde – woran sich auch die Schulkinder beteiligten. Die Glocke, dem hl. Johan­nes dem Täufer geweiht (der Namens­patron unseres hochw. Herrn Pfarrers), trägt die In­schrift: Christi Verkünder, Mah­ner der Sünder, heiliger Täufer, bitte für uns! […] Am Tage selbst wurde der Ju­bi­lar um 9 Uhr an der Pastorat abgeholt. Im Anschluß an das Hochamt fand die Weihe der neuen Glocke statt (Katholische Pfarrge­meinde St. Martinus zu Pfalzdorf: 21).

2013_03_28_Glocke_RomDie Campanone im Petersdom zählt mit ihrem Gewicht von neun Tonnen
zu den „Leichtgewichtigen“ unter den großen Glocken in Europa.
Sie ertönt eher selten, u. a.
nach dem Segen Urbi et Orbi oder auch beim Tod eines Papstes.

Die Glocke, welche aus der Höhe ihren schweren Baß hinausstürmen läßt, ist ein Attribut der Kunst, des Kultes und natürlich auch der Kultur. Trotz ihrer Tonnenschwere schwebt sie über uns zwischen Himmel und Erde. Von der Glocke geht eine Faszination aus, welche den Menschen zuweilen bis ins Mark treffen kann.
Eine gewaltige künstlerische Auffassungsgabe und mehr noch gehört dazu, die Idee der Glocke zu verwirklichen, zu berechnen, zu bauen. Das, was am Ende zählt, sind nicht Form und Gewicht, so beeindruckend diesbezügliche Fakten auch sein mögen, sondern die Sprache der Glocke, ihr unvergleichlicher, ihr mahnender Klang.
Warum übt die Glocke eine solche Faszination aus – gerade so, als wäre sie tatsächlich himmlischen Ursprungs? Wenn sie schwingt ist sie nicht aufzuhalten. Nur ihr eigenes Gewicht zwingt sie zur Ruhe. Warum diese Faszination?
Friedrich Schiller hat in über 20 geballten Sprachversen [seines Gedichtes „Das Lied von der Glocke“] ein Lebensbild des Menschen mit dem Werden und Wesen der Glocke verbunden. So tauft Schiller seine Glocke im vorletzten Versreim „Concordia“, was Eintracht bedeutet, und gibt damit ein Zeichen, daß ihr Ruf Gemeinsamkeit und Geschlossenheit wecken möge in allen und in allem, was der Mensch zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen wirkt und in Gedanken anregt. [„Herein! herein! Gesellen alle, schließt den Reihen, daß wir die Glocke taufend weihen, Concordia soll ihr Name sein, zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine versammle sich die liebende Gemeine.“]
„Fest gemauert in der Erden steht die Form, aus Lehm gebrannt“ – so begann der Dichter sein „Lied von der Glocke“ vor gerade einmal 200 Jahren.
Lehm ist ein Stoff, der der Erde entnommen wird. Dem Lehm begegnen wir am Beginn unserer Geistesgeschichte. Dort finden wir den biblischen Hinweis, daß der Mensch aus einem Lehmkloß geformt und daß ihm der Odem eingehaucht wurde.
Die Glocke ist geeignet, ein direktes Vergleichsbild zu zeichnen vom Werden des Menschen und seiner Bestimmung. Auch hier wird dem Lehm Leben eingehaucht.
Antoine de Saint-Exupéry beschließt sein schriftstellerisches Werk „Wind. Sand und Sterne“ mit dem Satz: „Nur der Geist, wenn er den Lehm behaucht hat, kann den Menschen erschaffen.“
Erz und Herz – ein beeindruckender Gleichklang von innen und außen.
(Gedanken von Hermann Wurzel aus seinem Artikel „Von Erz und Herz. Der Bezug des Menschen zur Glocke“ in der Zeitschrift GralsWelt, Mai/Juni 2012, S. 58f.)

Am Gründonnerstag, so sagt man, fliegen die Glocken nach Rom. Bis zur Osternacht schweigen sie. Dann aber erschallt ihr Ruf beim Gloria in aller Welt und verkündet die Botschaft von der Auferstehung unseres Herrn.