Nachdem Johannes Paul II. u. a. mehr dem Sacro Pop zugeneigt war und Benedikt XVI. mehr der klassischen Musik, stellt sich die Frage, wie es der neue Papst halten wird. Karl Leisner liebte die klassische Musik in der Liturgie, vor allem Beethoven.
Kleve, Sonntag, 15. März 1931
Karl Leisner im Tagbuch Nr. 5, 20–24
Sonntag, den 15. März 1931. Abends 21.45 Uhr.
Gerade komme ich aus der „Missa solemnis“ [Festmesse] von [Ludwig van] Beethoven. So etwas herrliches, fast übermenschliches an Musik bekam ich bisher noch nicht zu hören. „Das prächtige Kyrie“ mit dem innig flehenden „eleison“. Dann das „Christe, eleison“. – Welch ergreifendes Gebet. Dann das „Gloria“ – himmelanstürmend – Gott dem Herrn mit allen Kräften zujubelnd. – Fast zuviel um „pater omnipotens“ [allmächtiger Vater] und doch überwältigend! Prächtige Stimmungen bis zum Schluß. (Amen) – Dann wieder das unvergeßliche Gloria!! Gloria! (Im Presto [schnell]). Der Chor jubelt es außer sich noch über das Orchester hinaus!!
Credo! Ja, wie glaubt der Beethoven so fest, wie seine wunderbaren „Credo-Motive“ sind. Wuchtig! Alles unbegrenzt schön. – „Judicare“ [richten] mit den mächtigen, eindringlichen Posaunenstößen. (Letztes Gericht!) Schauerlich! – Dann die schwersangliche, aber großartige, einzig dastehende „Et vitam venturi saeculi“ [Und das Leben der zukünftigen Welt]-Fuge. Darauf Amen – Amen!
Als wohl schönster Teil kommt jetzt das „Sanctus“. – Tief in Demut! Dann lobsingend dem Herrn, jubelnd „Pleni sunt caeli et terra, gloria tua, Hosanna in excelsis“ [Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit, Hosanna in der Höhe]. Jetzt das innige, schönste Benedictus. – Die Violine – der soeben vom Himmel herabgestiegene Christus?? – (Herrlich gespielt von dem Virtuosen Hermann Grevesmühl, Duisburg.) Darauf endlich nach langer Ausführung das „Hosanna“ und zum Schluß noch einmal die Geige.
Agnus Dei! Wunderbar hat Beethoven gerade diese, doch so wenigen, aber inhaltsreichen Worte vertont. Krieg – Frieden! Nach langem Kampf mit teils verzweifelten „miserere“ – „pacem“ [erbarme dich – Friedens]-Rufen siegt endlich der Frieden.
Jetzt habe ich erkannt, daß Beethoven der größte Musiker aller Zeiten ist!
Benedikt XVI. schrieb in seinem Apostolischen Schreiben „Sacramentum Caritatis“ [Sakrament der Liebe] (2007): Die Liturgie hat nämlich, wie übrigens auch die christliche Offenbarung, eine innere Verbindung zur Schönheit: Sie ist veritatis splendor [Glanz der Wahrheit]. In der Liturgie leuchtet das Pascha-Mysterium auf, durch das Christus selbst uns zu sich hinzieht und uns zur Gemeinschaft ruft. In Jesus betrachten wir – wie der heilige Bonaventura zu sagen pflegte – die Schönheit und den Glanz des Ursprungs. Dieses Merkmal, auf das wir uns berufen, ist nicht nur bloßer Ästhetizismus, sondern eine Art und Weise, wie die Wahrheit der Liebe Gottes in Christus uns erreicht, uns fasziniert, uns begeistert.
Welche Vorlieben wird der nächste Papst haben?