Dr. Joseph Goebbels (* 29.10.1897 in Rheydt, † Suizid 1.5.1945 im Führerhauptquartier in Berlin) – radikaler Vertreter des Nationalsozialismus – aufgewachsen in Rheydt in bescheidenen katholischen Verhältnissen – Studium mit finanzieller Unterstützung des katholischen Albertus-Magnus-Vereins 1917–1921 – Mitglied der NSDAP 1924 – Gauleiter von Berlin 1926 – Herausgeber der Wochenzeitschrift Der Angriff 1927–1935 – Reichspropagandaleiter der NSDAP 1929 – Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda ab 1933 – Aufruf zum totalen Krieg im Berliner Sportpalast nach der verlorenen Schlacht von Stalingrad 18.2.1943 – Er gilt u. a. als hauptverantwortlich für die NS-Verbrechen. Nach Adolf Hitlers Selbstmord töteten Magda und Joseph Goebbels ihre sechs Kinder und nahmen sich selbst das Leben.
Berliner Sportpalast
vielseitig genutzte Veranstaltungshalle für mehr als 10.000 Besucher in Berlin-Schöneberg – Errichtung 1910 – Abriß 13.11.1973
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / gemeinfrei (abgerufen 06.02.2018)
Link zur Sendung Zeitzeichen im WDR5 vom 18. Februar 2018 – 18.02.1943 – Goebbels Rede im Berliner Sportpalast
Link zur Goebbels-Rede vom 18. Februar 1943
Es ist zu vermuten, daß Karl Leisner im KZ auch etwas von dieser Rede mitbekommen hat. Vielleicht mußten die Häftlinge sie sich sogar anhören.
In Karl Leisners Tagebüchern gibt es zahlreiche Bezüge zu Joseph Goebbels.
Tagebucheinträge
Mittwoch, 11. Mai 1932
Große Rede [Heinrich] Brünings im Reichstag. Er bekommt eine gute Mehrheit (287 gegen 257). Er behandelte die Außenpolitik besonders und unterstrich noch einmal sein weltgeschichtliches „Nein“ in der Reparationsfrage. [Wilhelm] Groener mußte als Reichswehrminister abdanken. (SA-Verbot!) – (Am Sonntag sprach Brüning vor der auswärtigen Presse (das heißt der Presse außerhalb Berlins). – Er betonte besonders die Gleichberechtigung mit den andern Staaten!)
Heinrich Brüning am 11. Mai 1932 im Reichstag:
Es spielt auch gar keine Rolle, was Sie über mich im Lande so […] verbreiten; es läßt mich absolut kühl. Wenn ich mich dadurch beeindrucken ließe […] …, ich würde die Ruhe auch innenpolitisch verlieren, die […] an den letzten hundert Metern vor dem Ziel das absolut Wichtigste ist.[1]
[1] Vernekohl, Wilhelm / Morsey, Rudolf (Hgg.): Heinrich Brüning, Reden und Aufsätze eines deutschen Staatsmannes, Münster 1968: 164
Joseph Goebbels am 11. Mai 1932:
Der Reichstag plätschert weiter. Groeners Stellung ist erschüttert, die Armee will ihn nicht mehr. Selbst seine eigene Umgebung drängt auf seinen Sturz. So muß es anfangen; wenn einer erst fällt, dann kommt das ganze Kabinett und mit ihm das System ins Purzeln. Brüning sucht zu retten, was zu retten ist. Er redet im Reichstag und zieht sich klugerweise auf die Außenpolitik zurück. Dort wird er sehr aggressiv. Er wähnt sich 100 Meter vor dem Ziel. Von Groener sagt er kein Wort. Er gibt ihn also auf.[1]
[1] Goebbels, Joseph: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei, München 1934: 80
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Montag, 15. Januar 1934, 4. Tag
Von 21.00 bis 22.00 Uhr liest [Gerd] Tosses aus einem Goebbelsbuch[1] vor über dessen Berliner Tätigkeit: Spannend steht der tatkräftige, tapfere Kämpfer und Eroberer des roten Berlins vor uns.[2] Um 22.00 Uhr Ruhe.
[1] vermutlich Goebbels, Joseph: Kampf um Berlin, München: Zentralverlag der NSDAP 1934
[2] Damals war die Angst vor dem Bolschewismus und dem Kommunismus sehr groß. Die bürgerlich konservativen Kreise sahen den Nationalsozialismus im Vergleich zum Kommunismus als das kleinere Übel an.
Mittwoch, 16. Mai 1934
Von 11.00 bis 11.50 Uhr sprechen wir mit Herrn Schild über Wirklichkeiten im neuen Deutschland. Er gab mancherlei Aufschlüsse über praktisches Handhaben schöner Theorien. (Führerprinzip = [Adolf] Hitlers Stellung in der Reichsregierung. – Die Lügen gegenüber dem Volk in der Presse: Die Regierung beraubt sich selbst der gesunden Kritik des Volkes. (Goebbels „modernstes Pressegesetz der Welt“[1]) – In allem zuviel Theater und Dämonie, zu wenig Klarheit und Einsicht, die Hitler vielleicht (???) hat, was ich nicht eher glaube, bis er’s bewiesen hat.
[1] Die Presse war im Nationalsozialismus nicht mehr freie Trägerin der öffentlichen Meinung, sondern als Teil der Propaganda Herrschaftsmittel und Instrument der Staatsführung zur Indoktrination der Bevölkerung. Ab 1933 versuchte das NS-Regime, eine möglichst lückenlose politisch-ideologische und ökonomische Kontrolle über die Presse zu erringen.
Dienstag, 15. Januar 1935
Ein dringlicher Brief hält mich von der erhebenden Feierstunde um 8.00 Uhr auf dem Domplatz fern – schade![1] Die Rundfunkfeier mit Reden des Führers [Adolf Hitler] und Goebbels klingt aus in Saarlied [Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar] – und „Großer Gott, wir loben dich“. Die Feier war dramatisch – eine der schönsten deutschen Stunden in der öden Nachkriegszeit, mit all ihrem traurigen „Zimt“![2]
[1] Um 8.00 Uhr hatte man das Ergebnis der Volksabstimmung an der Saar bekanntgegeben. Das Abstimmungsergebnis wurde als Zustimmung zur nationalsozialistischen Politik groß gefeiert. An der Saar herrschte Feiertagsfreude.
46.613 Saarländer (8,87%) stimmten für den Beibehalt der Völkerbundsregierung (Status quo), 477.119 (90,73%) stimmten für die Vereinigung mit Deutschland und 2.124 (0,40%) für die Vereinigung mit Frankreich. Wahlbeteiligung: 97,88%.
[2] Adolf Hitler:
Wenn heute in wenigen Stunden im ganzen Deutschen Reich die Glocken läuten werden, um dadurch äußerlich die uns erfüllende stolze Freude zu bekunden, dann verdanken wir dies euch Deutschen an der Saar, eurer durch nichts zu erschütternden Treue, eurer Opfergeduld und Beharrlichkeit, genau so wie eurer Tapferkeit. Weder Gewalt noch Verführung hat euch wankend gemacht im Bekenntnis, daß ihr Deutsche seid, wie ihr es stets gewesen und wir alle es sind und bleiben werden! So spreche ich euch denn als des deutschen Volkes Führer und des Reiches Kanzler im Namen aller Deutschen, deren Sprecher ich in diesem Augenblick bin, den Dank der Nation aus und versichere euch des Glückes, das uns in dieser Stunde bewegt, da ihr nun wieder bei uns sein werdet als Söhne unseres Volkes und Bürger des neuen Deutschen Reiches.
Nach Verlesen der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ am 14. März 1937 [s. Aktuelles vom 21. März 2014 – Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ im Leben Karl Leisners] gab Reichsjustizminister Dr. Franz Gürtner als Gegenreaktion am 9. April 1937 folgende Anweisung bezüglich der propagandistischen Auswertung der geplanten Prozesse gegen katholische Geistliche für die Leiter der Justizpressestelle heraus:
In der heutigen Pressekonferenz der Reichsregierung hat der R.[Reichs]-Minister für Volksaufklärung und Propaganda [Joseph Goebbels] folgende Richtlinien bekanntgegeben, die den Landesstellen durch Fernschreiben zugegangen sind:
Durch eine Rundverfügung d. Hr. Min. d. Justiz werden in kurzer Frist die im vorigen Jahre zurückgestellten Prozesse gegen katholische Geistliche und Ordensangehörige wegen sittlicher Verfehlungen usw. nunmehr durchgeführt. Die Berichterstattung über diese Prozesse wird bis auf weiteres durch von hier getroffene Einzelmaßnahmen geregelt. Im Einvernehmen mit dem Justizminister werden die wichtigsten und schwerwiegendsten Fälle herausgegriffen und zur Berichterstattung freigegeben. Welche Schriftleiter zu den einzelnen Prozessen zugelassen werden, wird jedesmal einzeln bestimmt. Aus der großen Masse der übrigen Prozesse werden den Landesstellen zur örtlichen Berichterstattung jeweils einzelne interessante Fälle zugeteilt.[1]
[1] Neuhäusler, Johannes: Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und der kirchliche Widerstand, München I 1946: 134 (zit. Neuhäusler 1946)
Montag, 31. Mai 1937
Abends Unterricht bei Ofm. [Oberfeldmeister Heinrich Roos]: „D’ld“ [Panzerkreuzer „Deutschland“] beschossen 27 Tote. – Dr. Goebbels Rede [vom 28.5.1937] gegen die „Sexualverbrechen“.[1]
[1] Willi Leisner:
Sonntag, den 30. Mai 1937
Um 11.00 Uhr große Fronleichnamsprozession [in Kleve]. Ein gewaltiges Bekenntnis vor allem auch bei den Männern und Jungmännern. Der Schmuck war einzig schön. Zudem begünstigte uns das Wetter. Um 14.30 Uhr endete die Prozession mit dem Te Deum in der Stiftskirche. Und dieses große Bekenntnis war trotz der vielen Verfehlungen, die in der Kirche durch die Sittlichkeitsprozesse etc. aufgedeckt wurden (Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 7: 18).
P. Otto Pies SJ:
Der Trupp muß in der Unterrichtsstunde geschlossen Goebbels Rede gegen [George William] Kardinal Mundelein anhören, […].[1]
[1] Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Priester und Opfer, Kevelaer 1950: 55f. – 7. Auflage 2008 kommentiert von Hans-Karl Seeger
George William Kardinal Mundelein hatte am 18. Mai 1937 in einer Rede vor Geistlichen gesagt: „Ihr werdet vielleicht fragen, wie eine Nation von 60 Millionen Menschen, intelligenten Menschen, sich in Furcht und Knechtschaft einem Ausländer unterwerfen kann, einem österreichischen Tapezierer, und – wie mir gesagt wird – einem schlechten dazu.“[1] Dazu hatte er Joseph Goebbels als „verschrobenen Propagandaminister“ bezeichnet.
[1] Neuhäusler II 1946: 291
Nachdem die Rede in der Weltpresse bekannt geworden war, hielt Joseph Goebbels am 28. Mai 1937 in der Berliner Deutschlandhalle seine sogenannte Brandrede. Auf infame Weise verunglimpfte er den deutschen Klerus. Er betonte immer wieder, er, der Propagandaminister, beschäftige sich von Amts wegen mit diesen Prozessen (Sexualverbrechen) und sagte u. a.:
Eine große Zahl katholischer Geistlicher ist wegen Sexualverbrechen verhandelt worden. Das ist nicht mehr eine Angelegenheit bedauernswerter Einzelverfehlungen, sondern eine solche allgemein sittliche Korruption, wie sie die Geschichte der Zivilisation kaum jemals gekannt hat. Keine andere Gesellschaftsschicht hat je solche Verderbtheit zu verbergen gehabt. Es ist kein Zweifel, daß die Tausende von Fällen, die ans Licht gekommen sind, nur ein kleiner Bruchteil des ganzen moralischen Sumpfes sind![1]
[1] URL http://www.verfolgte-schueler.org/1933-45.htm – 28.4.2011
Helmut Heiber:
Es war am 28. Mai 1937, als er [Joseph Goebbels] in der Berliner Deutschlandhalle angesichts solcher „haarsträubenden Sittenverwilderung“ und solch „abgrundtiefen Morastes“ seine sorgenvollen Gedanken offenbarte – ganz der verstörte „Familienvater, dessen kostbarstes persönliches Gut auf Erden seine vier Kinder sind“. Er beschwor diese und die anderen „unschuldigen Kinder“, die es vor der „herdenmäßigen Unzucht“ der „Sexualpest im Priesterrock“ zu bewahren gelte, und strapazierte den Fall [Ernst] Röhm als Beispiel dafür, wie andererseits die Partei „60 Personen, die dieses Laster zu züchten versuchten, kurzerhand erschossen“ habe (wobei nicht recht klar wurde, ob er von der Kirche ein entsprechendes Verfahren erwartet hatte). Und in dem Stil ging es weiter, und in dem Stil stand es überall zu lesen. Die ganze deutsche Presse glich zeitweilig einem einzigen „Stürmer“ [Zeitschrift Der Stürmer].[1]
[1] Heiber, Helmut: Joseph Goebbels, München: dtv 271/72 1965: 261
s. Tagebucheintrag 7. April 1937:
Die Zeitungsschauen[1], in denen es Sittlichkeitsprozesse hagelt, verderben mir meinen Löwenappetit keineswegs, im Gegenteil![2]
[1] Ehrhart Lotter/Arbeitsdienst-Archiv Hamburg am 5.2.2001 an Hans-Karl Seeger:
Die Zeitungsschauen fanden anscheinend jeweils mittwochs zum Frühstück statt; jedenfalls wäre das eine Erklärung für beigefügten Wochendienstplan, in dem für Mittwoch anstelle Frühstück „Stapo“ (= staatspolitischer Unterricht) angegeben ist. Ebenso könnte hier die Tagebuchnotiz gerade an einem Mittwoch ein Indiz in dieser Richtung sein! Der Hinweis auf den Truppführer Kowzak, der diese Zeitungsschauen häufig selbst hielt, spricht für eine gewisse Unsicherheit, diese Aufgabe an die Arbeitsmänner zu delegieren – wie mir entsprechend aus dem RADwJ bekannt ist. Dort wurden diese Zeitungsschauen zum Frühstück gegeben, wechselnd von den einzelnen Arbeitsmaiden.
[2] Aus der Zeitschrift Der Jungführer:
Zu den Sittlichkeitsprozessen
[…] Den tausend und abertausend Priestern aber, die uns in treuem Dienst die Reinheit und die Wahrheit Christi gelehrt, sagen wir Dank in Treuen […] (Jungführer 1937: 95f.).