Dr. Joseph Goebbels und Karl Leisner

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Fotograf: Heinrich Hoffmann / CC BY-SA 3.0 de (abgerufen 11.01.2018)

Dr. Joseph Goebbels (* 29.10.1897 in Rheydt, † Suizid 1.5.1945 im Führerhauptquartier in Berlin) – radikal­er Ver­treter des Nationalsozialis­mus – aufgewachsen in Rheydt in be­schei­denen katholischen Verhältnissen – Studium mit finanzieller Unterstützung des katho­li­schen Al­bertus-Magnus-Vereins 1917–1921 – Mitglied der NSDAP 1924 – Gaulei­ter von Ber­lin 1926 – Heraus­geber der Wochen­zeitschrift Der Angriff 1927–1935 – Reichs­propa­gandaleiter der NSDAP 1929 – Reichsminister für Volksaufklärung und Pro­paganda ab 1933 – Aufruf zum totalen Krieg im Ber­liner Sportpalast nach der ver­lorenen Schlacht von Stalingrad 18.2.1943 – Er gilt u. a. als hauptverantwortlich für die NS-Verbrechen. Nach Adolf Hitlers Selbstmord töteten Magda und Joseph Goebbels ihre sechs Kinder und nah­men sich selbst das Leben.

 

Berliner Sport­palast
vielseitig genutzte Veranstaltungshalle für mehr als 10.000 Besu­cher in Berlin-Schöne­berg – Errichtung 1910 – Abriß 13.11.1973

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / gemeinfrei (abgerufen 06.02.2018)

 

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Fotograf: Schwahn / CC BY-SA 3.0 de (abgerufen 11.01.2018)

Link zur Sendung Zeitzeichen im WDR5 vom 18. Februar 2018 – 18.02.1943 – Goebbels Rede im Berliner Sportpalast
Link zur Goebbels-Rede vom 18. Februar 1943

Es ist zu vermuten, daß Karl Leisner im KZ auch etwas von dieser Rede mitbekommen hat. Vielleicht mußten die Häftlinge sie sich sogar anhören.

 

In Karl Leisners Tagebüchern gibt es zahlreiche Bezüge zu Joseph Goebbels.

Tagebucheinträge

Mittwoch, 11. Mai 1932
Große Rede [Heinrich] Brünings im Reichstag. Er bekommt eine gute Mehr­heit (287 gegen 257). Er behandelte die Außenpolitik besonders und unter­strich noch einmal sein weltgeschichtliches „Nein“ in der Reparati­ons­frage. [Wilhelm] Groener mußte als Reichswehrminister abdanken. (SA-Ver­bot!) – (Am Sonntag sprach Brüning vor der auswärtigen Presse (das heißt der Presse außerhalb Berlins). – Er betonte besonders die Gleichbe­rechti­gung mit den andern Staaten!)

Heinrich Brüning am 11. Mai 1932 im Reichstag:
Es spielt auch gar keine Rolle, was Sie über mich im Lande so […] verbreiten; es läßt mich absolut kühl. Wenn ich mich dadurch beein­drucken ließe […] …, ich würde die Ruhe auch innenpolitisch verlieren, die […] an den letzten hundert Metern vor dem Ziel das absolut Wichtigste ist.[1]
[1] Vernekohl, Wilhelm / Morsey, Rudolf (Hgg.): Heinrich Brüning, Reden und Aufsätze eines deutschen Staatsmannes, Münster 1968: 164

Joseph Goebbels am 11. Mai 1932:
Der Reichstag plätschert weiter. Groeners Stel­lung ist er­schüttert, die Armee will ihn nicht mehr. Selbst seine eigene Umgebung drängt auf seinen Sturz. So muß es anfangen; wenn einer erst fällt, dann kommt das ganze Kabinett und mit ihm das System ins Purzeln. Brüning sucht zu retten, was zu retten ist. Er redet im Reichstag und zieht sich klu­gerweise auf die Außenpoli­tik zurück. Dort wird er sehr aggressiv. Er wähnt sich 100 Meter vor dem Ziel. Von Groener sagt er kein Wort. Er gibt ihn also auf.[1]
[1] Goebbels, Joseph: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei, München 1934: 80

* * * * *

Montag, 15. Januar 1934, 4. Tag
Von 21.00 bis 22.00 Uhr liest [Gerd] Tosses aus einem Goebbels­buch[1] vor über dessen Ber­liner Tätig­keit: Spannend steht der tatkräftige, tapfere Kämpfer und Erobe­rer des roten Ber­lins vor uns.[2] Um 22.00 Uhr Ruhe.
[1] vermutlich Goebbels, Joseph: Kampf um Berlin, München: Zentralverlag der NSDAP 1934
[2] Damals war die Angst vor dem Bolschewismus und dem Kommunismus sehr groß. Die bür­gerlich konservativen Kreise sahen den Nationalsozialismus im Ver­gleich zum Kommunismus als das kleinere Übel an.

Mittwoch, 16. Mai 1934
Von 11.00 bis 11.50 Uhr sprechen wir mit Herrn Schild über Wirklichkei­ten im neuen Deutschland. Er gab mancherlei Aufschlüsse über praktisches Handha­ben schöner Theorien. (Führerprinzip = [Adolf] Hitlers Stellung in der Reichsregie­rung. – Die Lügen gegenüber dem Volk in der Presse: Die Re­gierung beraubt sich selbst der gesunden Kritik des Volkes. (Goeb­bels „mo­dernstes Pressege­setz der Welt“[1]) – In allem zuviel Theater und Dämonie, zu wenig Klarheit und Einsicht, die Hitler vielleicht (???) hat, was ich nicht eher glaube, bis er’s bewiesen hat.
[1] Die Presse war im Nationalsozialismus nicht mehr freie Trägerin der öffentli­chen Meinung, sondern als Teil der Propaganda Herrschaftsmittel und Instru­ment der Staatsführung zur Indoktrination der Bevölkerung. Ab 1933 versuchte das NS-Re­gime, eine möglichst lückenlose politisch-ideologische und ökonomische Kon­trolle über die Presse zu erringen.

Dienstag, 15. Januar 1935
Ein dringlicher Brief hält mich von der erhebenden Feierstunde um 8.00 Uhr auf dem Domplatz fern – schade![1] Die Rundfunkfeier mit Reden des Führers [Adolf Hitler] und Goebbels klingt aus in Saarlied [Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar] – und „Großer Gott, wir loben dich“. Die Feier war dramatisch – eine der schönsten deut­schen Stunden in der öden Nach­kriegszeit, mit all ihrem trau­rigen „Zimt“![2]
[1] Um 8.00 Uhr hatte man das Ergebnis der Volksab­stimmung an der Saar bekannt­gegeben. Das Abstim­mungsergebnis wurde als Zustimmung zur national­sozialis­tischen Politik groß gefeiert. An der Saar herrschte Feiertags­freude.
46.613 Saarländer (8,87%) stimmten für den Beibehalt der Völkerbundsregierung (Status quo), 477.119 (90,73%) stimmten für die Vereinigung mit Deutschland und 2.124 (0,40%) für die Vereinigung mit Frankreich. Wahlbeteiligung: 97,88%.
[2] Adolf Hitler:
Wenn heute in wenigen Stunden im ganzen Deut­schen Reich die Glocken läuten werden, um da­durch äußerlich die uns erfüllende stolze Freude zu bekunden, dann verdanken wir dies euch Deutschen an der Saar, eurer durch nichts zu erschütternden Treue, eu­rer Opfergeduld und Beharr­lichkeit, genau so wie eurer Tapferkeit. Weder Gewalt noch Verfüh­rung hat euch wankend gemacht im Bekenntnis, daß ihr Deutsche seid, wie ihr es stets gewesen und wir alle es sind und bleiben werden! So spreche ich euch denn als des deut­schen Volkes Führer und des Rei­ches Kanzler im Namen aller Deutschen, deren Spre­cher ich in diesem Augenblick bin, den Dank der Na­tion aus und versi­chere euch des Glückes, das uns in dieser Stunde be­wegt, da ihr nun wie­der bei uns sein werdet als Söhne unseres Volkes und Bürger des neuen Deut­schen Reiches.

Nach Verlesen der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ am 14. März 1937 [s. Aktuelles vom 21. März 2014 – Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ im Leben Karl Leisners] gab Reichsju­stiz­minister Dr. Franz Gürtner als Gegenreaktion am 9. April 1937 folgende Anwei­sung bezüglich der propagandistischen Aus­wer­­tung der ge­planten Prozesse gegen katholi­sche Geistli­che für die Leiter der Justizpres­sestelle heraus:
In der heutigen Pressekonferenz der Reichsregierung hat der R.[Reichs]-Minister für Volksaufklärung und Propaganda [Joseph Goebbels] folgen­de Richt­li­nien bekanntgege­ben, die den Landesstellen durch Fernschrei­ben zuge­gangen sind:
Durch eine Rundverfügung d. Hr. Min. d. Justiz werden in kurzer Frist die im vorigen Jahre zurückgestellten Prozesse gegen katho­­lische Geist­liche und Ordensangehörige wegen sittlicher Verfeh­lun­gen usw. nun­mehr durchgeführt. Die Berichterstattung über diese Pro­zesse wird bis auf weiteres durch von hier getroffene Einzel­maß­nahmen geregelt. Im Ein­vernehmen mit dem Justizminister werden die wichtigsten und schwer­wiegendsten Fälle herausgegriffen und zur Berichterstattung frei­gegeben. Welche Schriftleiter zu den einzelnen Prozessen zugelassen werden, wird jedesmal einzeln bestimmt. Aus der großen Masse der üb­ri­gen Prozesse werden den Landesstellen zur örtlichen Berichterstattung jeweils einzelne interessante Fälle zugeteilt.[1]
[1] Neuhäusler, Johannes: Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und der kirchliche Widerstand, München I 1946: 134 (zit. Neuhäusler 1946)

Montag, 31. Mai 1937
Abends Un­terricht bei Ofm. [Oberfeldmeister Heinrich Roos]: „D’ld“ [Panzerkreuzer „Deutschland“] beschossen 27 Tote. – Dr. Goeb­bels Rede [vom 28.5.1937] gegen die „Sexualver­bre­chen“.[1]
[1] Willi Leisner:
Sonntag, den 30. Mai 1937

Um 11.00 Uhr große Fronleichnamsprozession [in Kleve]. Ein gewaltiges Bekenntnis vor allem auch bei den Männern und Jungmännern. Der Schmuck war einzig schön. Zudem begünstigte uns das Wetter. Um 14.30 Uhr endete die Prozes­sion mit dem Te Deum in der Stiftskirche. Und dieses große Bekenntnis war trotz der vielen Verfehlungen, die in der Kirche durch die Sitt­lichkeitspro­zesse etc. aufgedeckt wurden (Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 7: 18).

P. Otto Pies SJ:
Der Trupp muß in der Unterrichtsstunde geschlossen Goebbels Rede gegen [George William] Kardinal Mundelein anhören, […].[1]
[1] Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Prie­ster und Opfer, Kevelaer 1950: 55f. – 7. Auflage 2008 kommentiert von Hans-Karl Seeger

George William Kardinal Mundelein hatte am 18. Mai 1937 in einer Rede vor Geistlichen gesagt: „Ihr werdet vielleicht fragen, wie eine Nation von 60 Millionen Menschen, intelligenten Menschen, sich in Furcht und Knecht­schaft einem Ausländer unterwerfen kann, einem österreichischen Tapezierer, und – wie mir gesagt wird – einem schlechten dazu.“[1] Dazu hatte er Joseph Goebbels als „verschrobenen Propagandaminister“ bezeichnet.
[1] Neuhäusler II 1946: 291

Nachdem die Rede in der Weltpresse bekannt geworden war, hielt Joseph Goebbels am 28. Mai 1937 in der Berliner Deutschlandhalle seine sogenannte Brandrede. Auf infame Weise verunglimpfte er den deutschen Klerus. Er betonte immer wieder, er, der Propagan­da­minister, beschäftige sich von Amts wegen mit diesen Prozessen (Sexualverbrechen) und sagte u. a.:
Eine große Zahl katholischer Geistlicher ist wegen Sexualverbrechen ver­handelt worden. Das ist nicht mehr eine Angelegenheit bedauernswer­ter Ein­zelverfehlungen, sondern eine solche all­gemein sittliche Korruption, wie sie die Ge­schichte der Zivilisation kaum jemals gekannt hat. Keine andere Ge­sellschaftsschicht hat je solche Verderbtheit zu verbergen ge­habt. Es ist kein Zwei­fel, daß die Tausende von Fällen, die ans Licht ge­kommen sind, nur ein kleiner Bruchteil des ganzen moralischen Sump­fes sind![1]
[1] URL http://www.verfolgte-schueler.org/1933-45.htm – 28.4.2011

Helmut Heiber:
Es war am 28. Mai 1937, als er [Joseph Goebbels] in der Berliner Deutsch­landhalle angesichts solcher „haarsträubenden Sittenverwil­de­rung“ und solch „abgrundtiefen Mo­rastes“ seine sorgenvollen Gedanken offen­barte – ganz der verstörte „Fami­lienvater, dessen kostbarstes persön­liches Gut auf Erden seine vier Kinder sind“. Er beschwor diese und die anderen „unschuldigen Kinder“, die es vor der „herdenmäßigen Unzucht“ der „Sexualpest im Priesterrock“ zu bewah­ren gelte, und strapazierte den Fall [Ernst] Röhm als Beispiel dafür, wie andererseits die Partei „60 Per­sonen, die dieses Laster zu züchten versuchten, kurzerhand erschossen“ habe (wobei nicht recht klar wurde, ob er von der Kirche ein ent­sprechen­des Verfahren erwartet hatte). Und in dem Stil ging es weiter, und in dem Stil stand es überall zu lesen. Die ganze deutsche Presse glich zeitwei­lig einem einzi­gen „Stürmer“ [Zeitschrift Der Stürmer].[1]
[1] Heiber, Helmut: Joseph Goebbels, München: dtv 271/72 1965: 261

s. Tagebucheintrag 7. April 1937:
Die Zeitungsschauen[1], in denen es Sittlichkeits­pro­zesse hagelt, verderben mir meinen Löwen­ap­petit keineswegs, im Gegenteil![2]
[1] Ehrhart Lotter/Arbeitsdienst-Archiv Hamburg am 5.2.2001 an Hans-Karl Seeger:
Die Zeitungsschauen fanden anscheinend jeweils mittwochs zum Frühstück statt; jedenfalls wäre das eine Erklärung für beigefügten Wochendienstplan, in dem für Mittwoch anstelle Frühstück „Stapo“ (= staatspolitischer Unterricht) angegeben ist. Ebenso könnte hier die Tage­buch­notiz gerade an einem Mitt­woch ein Indiz in dieser Richtung sein! Der Hinweis auf den Truppführer Kowzak, der diese Zeitungsschauen häufig selbst hielt, spricht für eine ge­wisse Unsicherheit, diese Aufgabe an die Arbeitsmänner zu delegieren – wie mir entsprechend aus dem RADwJ bekannt ist. Dort wurden diese Zeitungs­­schauen zum Frühstück gegeben, wechselnd von den einzelnen Arbeitsmai­den.
[2] Aus der Zeitschrift Der Jungführer:
Zu den Sittlichkeitsprozes­sen
[…] Den tausend und abertausend Priestern aber, die uns in treuem Dienst die Reinheit und die Wahrheit Christi gelehrt, sagen wir Dank in Treuen […] (Jung­führer 1937: 95f.).