Nach der Machtübernahme 1933 in Deutschland durch Adolf Hitler war es für die katholische Jugend eine besondere Herausforderung, sich zum katholischen Glauben zu bekennen.
Klever Stiftskirche
Karl Leisner schrieb in sein Tagebuch:
Kleve, Sonntag, 27. Mai 1934, Dreifaltigkeitssonntag
Tag der öffentlichen Aufnahme in den katholischen Jungmännerverein[1]
5.15 Uhr Wecker! – Noch zu müd’ und faul. 6.15 Uhr Sprung raus. 6.25 Uhr an der [Stifts]Kirche. – „Junge Front“ – „Unser Glaube“ als Leitartikel![2] – verkloppt. Es klappt. Bis nach der 10.00-Uhr-Messe alles weg![3] – In der 7.00-Uhr-Messe bei Kaplan [Theodor] Pasch gebeichtet.[4] „Dreifaltigkeit – Taufgnade – Kind Gottes – Liebe zu jedem Nächsten.“
11.30 Uhr Probe zur Aufnahmefeier! – 13.00 Uhr zum Essen zu Hause. – Abends 18.40 Uhr im [Jungmänner-]Heim mit den Neuaufzunehmenden. Jedem mache ich noch einmal klar, was die Feier bedeutet: Aufnahme!! Punkt 19.00 Uhr setzt die Orgel brausend ein. Kerzen brennen in Fülle – „Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre!“ klingt es begeistert in der großen [Stifts-]Kirche. Unser Präses [Heinrich Brey] spricht zu uns von der großen Sendung des Jugendreichs – wir treten unter die Banner Christi und stehen unter dem besonderen Beistand der Mutter Gottes. Ein Jugendreich der Freude. – Eine Lebensschule junger Christen. – Eine jungkatholische Aktion wollen wir sein.[5] Nicht so viele zwar wie in den früheren Jahren nehmen wir auf in unsere Reihen, aber die jetzt zu uns kommen, das sind ganze Kerle (hoffentlich! Den Willen, welche zu sein, haben sie jedenfalls).[6] Von 20.00 bis 21.30 Uhr haben wir dann im Heim einen Heimabend mit Eltern. Eine nette Schar von Jungens aus [dem Katholischen Jungmänner] Verein und [der] Jungschar und die Neuaufgenommenen mit ihren Eltern sind zu einer schönen Feierstunde da. Ohne ein offizielles Programm entwickelt sich die Stunde. Im Nu entwickelt sich aus den Liedern, lustigen Stücken und den Ansprachen eine nette Folge. Alles aus dem Augenblick geboren wächst die Feier. Wir singen – Grammophon – Jungschar singt unter Theo Gerritzen – Empfang des Fürsten Bonzelwatz [? O hängt ihn auf] (Thej Köster Dirigent!). – Als Gruppenführer erzähle ich den Eltern vom Wachsen und Werden der Jungschar und besonders meiner Gruppe. Eins vergesse ich, (nicht so nur ego [ich], mehr an andre mitdenken!) Theo Derksen als neuen Gruppenführer vorzustellen und ihn für heute abend zu entschuldigen. – Wir singen: „Das Regiment Forcade“, zwei Teilnehmer „Fuldaer Bekenntnis“, „Laßt die Banner wehen“. Dann spreche ich – allerdings viel zu lang! – von der rechtlichen und sittlichen Lage unserer Katholischen Jugend. – Mit dem von Hein Kempkes wunderbar eingeübten Sprechchor „Mariengarde“[7] und „Meerstern, ich dich grüße“ schließt die schöne Stunde. – „Gott, segne Du mit Deinen heiligen segenspendenden Händen das Werk, das ich beginnen durfte, und gib meinem Nachfolger [Theo Derksen] im Jungführeramt Deine heilige Kraft, und schenke Du durch ihn den Jungens Dich in Deiner Freude, in Deinem Leben und in Deiner allvermögenden Kraft“. – Die Eltern drücken mir zum Abschied die Hände. Heiliger Stolz und tiefe Freude beseelt mich. Mit frohem Herzen lege ich mich schlafen. – Gott gib Du mir Kraft zu dem neuen großen Lebensberuf, zu dem Du mich – wie ich demütig glaube und kindlich hoffe – in meiner Erbärmlichkeit berufen hast. – Herr gib tausendfältige Kraft und tiefes Leben in Dir. Amen. Alleluja.
Freitag, 1. Juni 1934
Durch Erlaß des Regierungspräsidenten [Rudolf Diels] von Köln Verbot jeglichen geschlossenen Auftretens in der Öffentlichkeit für die katholischen Verbände (Börger, Bernd / Schroer, Hans (Hg.): Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutschlands, Düsseldorf 1990: 272, zit. Börger 1990).
[2] Junge Front 1934 – Nr. 21 vom 27.5.1934: 1: Leitartikel „Unser Glaube“ von M. C. [Dr. Maria Clermont]
[3] Willi Leisner:
300 Stück. Nach der 10.00-Uhr-Messe alles fort (Leisner, W. Nr. 5: 44).
Bernd Börger:
26. Mai [1934]
Durch Polizeiverordnung für die Regierungsbezirke Aachen und Düsseldorf Verbot des Verkaufes von Presse-Erzeugnissen jeder Art in der Nähe der Gotteshäuser zur Zeit des Gottesdienstes (Börger 1990: 272).
[4] Es war früher üblich, daß auch während einer Eucharistiefeier andere Priester das Bußsakrament spendeten.
[5] Unter Papst Pius XI. nahm die Katholische Aktion 1925 reife Gestalt an. Dort wurde das Spezifische der Laien herausgestellt, die in der Welt das Christentum verwirklichen. Unter Leitung der Bischöfe sollten katholische Laien verstärkt Aufgaben im öffentlichen Leben übernehmen. Das Bild der Katholischen Aktion war die acies bene ordinata – die gut geordnete Schlachtordnung.
Der Bischof von Münster Clemens August Graf von Galen hatte am 24.4.1934 Richtlinien für die Arbeit der Katholischen Aktion in der Diözese Münster erlassen (s. KA 1934 – Nr. 9, Art. 87: 55–58).
[6] Willi Leisner:
Ist die Zahl der „Neulinge“ auch nicht so groß wie in früheren Jahren, so sind es doch Kerls, oder wollen es wenigstens sein. – Karl und ich sind auch [bei] den Neulingen. […] Wir geloben die Treue und unser Präses [Heinrich Brey] überreicht uns das Christuszeichen, das wir nicht mehr öffentlich tragen dürfen, das wir aber um so mehr in uns haben müssen (Leisner, W. Nr. 5: 44f.).
[7] Ein Sprechchor von Josef Ortkamp aus Münster. Der Text war im Jungführer 1929: 184 veröffentlicht.