Dreifaltigkeitssonntag 1934 im Leben Karl Leisners

2013_05_26a_Stiftskirche

 

Nach der Machtübernahme 1933 in Deutschland durch Adolf Hitler war es für die katholische Jugend eine besondere Herausforderung, sich zum katholischen Glauben zu bekennen.

 

2013_05_26a_Stiftskirche_innen

Klever Stiftskirche

Karl Leisner schrieb in sein Tagebuch:

Kleve, Sonntag, 27. Mai 1934, Dreifaltigkeitssonntag

Tag der öffentlichen Aufnahme in den katholischen Jungmännerverein[1]
5.15 Uhr Wecker! – Noch zu müd’ und faul. 6.15 Uhr Sprung raus. 6.25 Uhr an der [Stifts]Kirche. – „Junge Front“ – „Unser Glaube“ als Leitarti­kel![2] – ver­kloppt. Es klappt. Bis nach der 10.00-Uhr-Messe alles weg![3] – In der 7.00-Uhr-Messe bei Kaplan [Theodor] Pasch gebeichtet.[4] „Dreifal­tigkeit – Tauf­gnade – Kind Gottes – Liebe zu jedem Nächsten.“
11.30 Uhr Probe zur Aufnahmefeier! – 13.00 Uhr zum Essen zu Hause. – Abends 18.40 Uhr im [Jungmänner-]Heim mit den Neuaufzunehmenden. Jedem mache ich noch ein­mal klar, was die Feier bedeutet: Aufnahme!! Punkt 19.00 Uhr setzt die Orgel brausend ein. Kerzen brennen in Fülle – „Lobt froh den Herrn, ihr jugendli­chen Chöre!“ klingt es begeistert in der großen [Stifts-]Kirche. Unser Präses [Heinrich Brey] spricht zu uns von der gro­ßen Sendung des Jugen­dreichs – wir treten unter die Banner Christi und ste­hen unter dem besonde­ren Beistand der Mutter Gottes. Ein Jugend­reich der Freude. – Eine Lebens­schule junger Christen. – Eine jungkatholi­sche Ak­tion wollen wir sein.[5] Nicht so viele zwar wie in den früheren Jahren neh­men wir auf in un­sere Rei­hen, aber die jetzt zu uns kommen, das sind ganze Kerle (hoffentlich! Den Willen, welche zu sein, haben sie jedenfalls).[6] Von 20.00 bis 21.30 Uhr haben wir dann im Heim einen Heimabend mit Eltern. Eine nette Schar von Jungens aus [dem Katholischen Jungmän­ner] Verein und [der] Jungschar und die Neu­aufgenommenen mit ihren Eltern sind zu einer schö­nen Feierstunde da. Ohne ein offizielles Programm ent­wickelt sich die Stunde. Im Nu entwickelt sich aus den Liedern, lustigen Stücken und den Ansprachen eine nette Folge. Alles aus dem Augen­blick geboren wächst die Feier. Wir singen – Grammophon – Jungschar singt unter Theo Gerritzen – Empfang des Fürsten Bonzelwatz [? O hängt ihn auf] (Thej Köster Diri­gent!). – Als Gruppen­führer erzähle ich den Eltern vom Wachsen und Wer­den der Jungschar und besonders meiner Gruppe. Eins vergesse ich, (nicht so nur ego [ich], mehr an andre mitdenken!) Theo Derk­sen als neuen Gruppen­führer vorzustellen und ihn für heute abend zu ent­schuldigen. – Wir singen: „Das Regiment Forcade“, zwei Teilnehmer „Ful­daer Bekennt­nis“, „Laßt die Banner wehen“. Dann spreche ich – aller­dings viel zu lang! – von der rechtlichen und sittli­chen Lage un­serer Katholi­schen Jugend. – Mit dem von Hein Kempkes wun­derbar einge­übten Sprech­chor „Marien­garde“[7] und „Meerstern, ich dich grüße“ schließt die schöne Stunde. – „Gott, segne Du mit Deinen heiligen segenspendenden Händen das Werk, das ich beginnen durfte, und gib mei­nem Nachfolger [Theo Derksen] im Jungführeramt Deine heilige Kraft, und schenke Du durch ihn den Jun­gens Dich in Deiner Freude, in Deinem Leben und in Deiner all­ver­mö­genden Kraft“. – Die Eltern drücken mir zum Abschied die Hände. Heili­ger Stolz und tiefe Freude beseelt mich. Mit fro­hem Herzen lege ich mich schla­fen. – Gott gib Du mir Kraft zu dem neuen großen Lebensberuf, zu dem Du mich – wie ich demütig glaube und kindlich hoffe – in meiner Erbärmlich­keit berufen hast. – Herr gib tausend­fältige Kraft und tiefes Le­ben in Dir. Amen. Alleluja.

[1]    Bernd Börger:

Freitag, 1. Juni 1934
Durch Erlaß des Regierungspräsidenten [Rudolf Diels] von Köln Ver­bot jeglichen ge­schlos­senen Auftretens in der Öffent­lichkeit für die katholi­schen Ver­bände (Börger, Bernd / Schroer, Hans (Hg.): Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutschlands, Düsseldorf 1990: 272, zit. Börger 1990).
[2]    Junge Front 1934 – Nr. 21 vom 27.5.1934: 1: Leitartikel „Unser Glaube“ von M. C. [Dr. Maria Clermont]
[3]    Willi Leisner:
300 Stück. Nach der 10.00-Uhr-Messe alles fort (Leisner, W. Nr. 5: 44).
Bernd Börger:
26. Mai [1934]
Durch Polizeiverordnung für die Regierungsbezirke Aachen und Düs­sel­dorf Verbot des Verkaufes von Presse-Erzeugnissen jeder Art in der Nähe der Gotteshäuser zur Zeit des Gottesdienstes (Börger 1990: 272).
[4]    Es war früher üblich, daß auch während einer Eucharistiefeier andere Priester das Bußsakrament spendeten.
[5]    Unter Papst Pius XI. nahm die Katholische Aktion 1925 reife Gestalt an. Dort wurde das Spe­zifische der Laien herausgestellt, die in der Welt das Christentum verwirklichen. Unter Leitung der Bischöfe sollten katholische Laien verstärkt Aufgaben im öffentlichen Leben übernehmen. Das Bild der Katholischen Aktion war die acies bene ordinata – die gut geordnete Schlachtordnung.
Der Bischof von Münster Clemens August Graf von Galen hatte am 24.4.1934 Richtlinien für die Arbeit der Katholischen Aktion in der Diözese Münster erlas­sen (s. KA 1934 – Nr. 9, Art. 87: 55–58).
[6]    Willi Leisner:
Ist die Zahl der „Neulinge“ auch nicht so groß wie in früheren Jahren, so sind es doch Kerls, oder wollen es wenigstens sein. – Karl und ich sind auch [bei] den Neulingen. […] Wir geloben die Treue und unser Präses [Heinrich Brey] über­reicht uns das Christuszeichen, das wir nicht mehr öffentlich tra­gen dür­fen, das wir aber um so mehr in uns haben müssen (Leisner, W. Nr. 5: 44f.).
[7]    Ein Sprechchor von Josef Ortkamp aus Münster. Der Text war im Jungführer 1929: 184 veröffentlicht.