Duschen Sie schon, oder brausen Sie noch?

 

Früher hatte kaum eine Wohnung eine Dusche. Es gab aber öffentliche Wannen- und Brausebäder.

 

 

Auch in Karl Leisners Elternhaus in Kleve, Flandrische Straße 11, gab es keine Dusche im heutigen Sinn, sondern einen eigenen kleinen Raum, in dem sich in Verbindung mit einer Badewanne eine Brause befand.
Im elterlichen Schlafzimmer standen auf einer Marmorplatte zwei Schalen mit je einer Kanne für Wasser und im Nachtkonsölchen befand sich ein Nachttopf. Die Toilette war damals nicht selten außerhalb der Wohnung in der Zwischenetage im Treppenhaus oder sogar im Garten mit einem Guckloch in Herzform in der Tür.
Dusche von douche (frz.) bzw. ductio (lat.) wird heute synonym für Brause verwendet. Die ersten Duschen führten um 1860 französische Streitkräfte zur Körperpflege ein.
Es ist nicht verwunderlich, daß das Wort Dusche in Karl Leisners Tagebüchern nur zweimal vorkommt und zwar in Verbindung mit Brause. Im Gegensatz zur heutigen Zeit war das Verb brausen damals auf Grund der Gegebenheiten wesentlich gebräuchlicher als duschen.
Vermutlich machte Karl Leisner die ersten Erfahrungen mit einer Dusche außerhalb des Elternhauses. So in der Heimschule in Maria Laach.

Tagebucheinträge

Freitag, dem 13. Juni 1930
Um 15.00 Uhr traten wir in Umstellung gegen die Heimschulelf zum Fußballretour­spiel an. Wir gewannen 3:0. (Ich war rechter Läufer.) Darauf wieder kalt abgebraust. Nach der kalten Dusche war Ruhe. (Tgb. Nr. 4, 77f.)

Auch die Jugendherberge in Köln-Deutz war bereits modern ausgestattet.

Samstag, 13. August 1932
Es ging nun zu viert weiter zur DJH Köln-Deutz [Mindener Straße 22]. Ein kolossales Ding! Ein anständiger Pfefferminztee mit Beilage brachte uns wieder zu Verstand. Nach einer kalten Dusche krochen wir gegen 22.00 Uhr in die sauberen Betten, um uns für die große Fahrt tüchtig auszuschlafen! (Tgb. Nr. 6, 74)

1933 übernachtete er erneut in der Jugendherberge in Köln-Deutz:

Mittwoch, 5. April 1933
Dann los nach Köln. – Vor Köln [hatte] ich Panne auf Panne. Von Mülheim zu Fuß zur DJH in Deutz. Um 20.30 Uhr da. Futtern – Brausen – zu Bett 22.00 Uhr. (Tgb. Nr. 7, 10)

In der Jugendherberge in Diepholz gab es vermutlich auch bereits Duschen.

Freitag, 18. August 1933
Allein langsam „mit Druck“ zur DJH. Von da à tempo zu ei­nem Kaisers Kaffeegeschäft zwecks Reisflocken – gerade noch! Abends gab’s Nudeln mit „Drobst“. – Nachher Brause. (Sehr erfrischend!) Gegen 22.00 Uhr in die Falle. (Tgb. Nr. 10, 16f.)

1934 fand ein Gemeinschaftslager in Reinshagen statt. Untergebracht waren die Schüler in einem Heim.

Freitag, 12. Januar 1934
In 20 Minuten zum Neuendorff-Haus ([in] Reins­hagen). Eine feine JH – (Kreis­heim). Alles schön. […] 7.00 Uhr raus – Brausen etc. Kaffee. – Bettenbaulernen – Ord­nungsübun­gen. (Tgb. Nr. 12, 1f.)

Montag, 15. Januar 1934
7.00 Uhr raus. – Frühsport in der Turnhalle. – Brausen. – Anschließend Kaffee. (Tgb. Nr. 12, 6)

Im Collegium Borromaeum in Münster fand Karl Leisner zwar fließendes, wenn auch kaltes Wasser auf dem Zimmer vor, was für damalige Verhältnisse schon etwas Besonderes war. Um zu „brausen“, gingen die Studenten in den Keller, wo sich Kabinen mit einer „Brause“ befanden, die wir heute Duschkabinen nennen würden.

Donnerstag, 17. Mai 1934
Dann am Bahnhof den Fahrschein [nach Kleve] geholt. Dann Brause. (Tgb. Nr. 13, 20)

Samstag, 2. Juni 1934
Morgens von 8.15 bis 9.45 Uhr Sport. Das tut einem gut, besonders mit dem Brausen nachher. Ha! (Tgb. Nr. 13, 48)

Samstag, 9. Juni 1934
8.15 bis 9.45 Uhr Faustball – Weitsprung – Brausen. (Tgb. Nr. 13, 52)

Freitag, 29. Juni 1934
Um 18.15 Uhr wieder im „Bau“! Brause! – Gedus­selt, plötzli­ches Erwa­chen beim Schellen zum Essen. (Tgb. Nr. 13, 81)

Samstag, 30. Juni 1934
15.00 bis 19.15 Uhr Ausmarsch mit Gepäck. Nachher Brause! (Wir mar­schierten über Roxel weiter nach Münster (18–20 km!) (Tgb. Nr. 13, 82)

Sonntag, 15. Juli 1934
Von 9.22 bis 11.57 Uhr Gepäck­marsch [Exerzieren] für das [Reichs]Sportabzeichen: Nachher hunds­müde und kaputt! Nach dem Brausen um 12.30 Uhr Mittagessen. – Dann bis 15.10 Uhr Ruhe. (Tgb. Nr. 13, 101)

Donnerstag, 19. Juli 1934
Brause! Um 22.00 Uhr Falle. (Tgb. Nr. 13, 106)

Sonntag, 22. Juli 1934
20.15 Uhr Andacht! – 21.45 Uhr in die Falle. Vorher Brause! (Tgb. Nr. 13, 110)

Sonntag, 24. November 1935
5.45 Uhr Brausen – hei, ich werde wach! – Es wird mir klar: Es geht nach Dortmund [zu einem Treffen mit Ludwig Wolker]. (Tgb. Nr. 16, 100)

Dienstag, 12. April 1938
Einen abgehärteten Leib schaffen, der fähig ist, Glut und Hitze, Eis und Kälte zu leiden, ebenso Schmerz und Leid! Gesundes Blut, starke Nerven!
Das heißt tagtäglich: Morgens früh raus, gleich zur festgesetzten Minute – mit Schneid das Tagewerk beginnen. Frühsport, Mutübungen, kalte Waschung. Mindestens zweimal in der Woche Brause, wenn möglich. (Tgb. Nr. 23, 37)
Auf der Rückfahrt vom Jungscharführerwochenende in Uedem empfand Karl Leisner den Platzregen ähnlich angenehm wie eine Dusche
.

Sonntag, 29. Juli 1934
Gegen 18.15 Uhr fahren Willi und ich schon vor nach Goch [zu den Tanten Maria und Julchen Leisner]. Unterwegs Mordsre­gen! In Goch niemand da. Zettel zurückge­lassen und dann durch den Wolkenbruch. Wir werden immer nässer. Bis auf die Haut. In den Schuhen steht Hochwasser. Es gießt in Kübeln. Un­ter der Brause könnte’s nicht schö­ner sein. Zu Hause umgezogen. Gegen 22.30 Uhr in die Falle. (Tgb. Nr. 13, 117)

Als Brause bezeichnet man auch bestimmte kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke und in Tütchen abgepacktes oder zu Würfeln gepreßtes Brausepulver in verschiedenen Geschmacksvarianten. Der Begriff Brause wird außerdem in bestimmten Landstrichen als Synonym für Limonade gebraucht. Zu Karl Leisners Zeit war das zum Beispiel Ranja. Diese Limonadenmarke gibt es heute noch in den Niederlanden.