Dr. phil. Augustin Wibbelt (* 19.9.1862 in Vorhelm bei Ahlen, † 14.9.1947 ebd., beigesetzt in der Wibbeltkapelle auf dem Hof Wibbelt ebd.) – Eintritt ins Priesterseminar in Münster Ostern 1887 – Priesterweihe 26.5.1888 in Münster – Pfarrer in Mehr bei Kleve 1906–1935 – Pfr. i. R. in Vorhelm 3.5.1935 bis 14.9.1947 – Heimatdichter – Am 30.12.1997 wurde der Jakobus-Karl-Leisner-Weg vom Schwesternhaus St. Michael Ahlen über die Wibbeltkapelle nach St. Jakobus Ennigerloh eingeweiht.
Quelle des Fotos: Katholische Pfarrgemeinde Sankt Pankratius Vorhelm (abgerufen 14.05.2017)
Karl Leisner lernte Augustin Wibbelt während eines Sonntagsausflugs mit dem Rad unter Leitung von Dr. Walter Vinnenberg[1] im Pfarrhaus von Mehr kennen. In die Gruppenchronik, die er führte, trug er folgenden Bericht ein:
[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Aushilfe in Emsdetten 1926 – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Später unterrichtete er auch Französisch. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
Ausführliche Informationen über seinen Werdegang finden sich unter folgendem Link.
Sonntag, 2. Oktober 1927
(Radfahrt) Fahrt nach Zyfflich – Mehr – Donsbrüggen.
Am 2. im Gilbhardt[1].
Teilnehmer: Dr. Vinnenberg, van Thiel ([Gruppe] Sigismund)[2], Derksen (Sigismund)[3], Ansems[4], Wimmer[5], Meeter[6], Leisner I [Karl] und II [Willi[7]].
Wir fuhren um 15.00 Uhr unten von der Gruft ab; etwas weiter nahe Kranenburg ging ein Weg nach Zyfflich, diesen Weg verfolgten wir bis zur Pastorat, wo leider keiner zu Hause war, was wir arg bedauerten, denn wir hatten uns schon auf den Ku- hoppla Sonntagskuchen – gefreut.[8] Von Zyfflich segelten wir mit Volldampf zur Pastorat Mehr, (wo gerade Kirmes war). Aber hier war Gott sei Dank Herr Pastor Wibbelt selbst zu Hause. Wir hatten gewaltige Freude, daß uns Herr Pastor so freundlich aufnahm, denn wir hatten Magenknurren bekommen. Der hochwürdige Herr Pastor führte uns durch seinen, man kann sagen botanischen Garten, nämlich in diesem Garten waren die feinsten und seltensten Rosen, ein herrlicher Laubengang (leckere Äppelkes), seltene Pflanzen usw., zu sehen.[9] Nach Besichtigung des Gartens führte Herr Wibbelt uns in ein sehr gemütliches Zimmer, wo wir (fürchterlich leckere) Äpfel bekamen, die uns köstlich mundeten. Endlich, nachdem wir so alles Sehenswürdige in der Pastorat Mehr besichtigt hatten, gondelten wir gegen 18.00 Uhr heimwärts. Söhni [Josef Wimmer] blieb in der Wirtschaft Koekkoek in Donsbrüggen hängen, dafür hat Dr. Vinnenberg (unser Kaplan) ihm tüchtig den Kopf gewaschen. Wir nahmen trotzdem unseren Kurs (im Dunkeln) zu unserem Ausgangspunkt, wo wir uns zerstreuten und jeder seinen Weg nach Hause nahm.
[1] altdeutsche Bezeichnung für den Monat Oktober
[2] Alfons (Föns) Matthias van Thiel (* 30.10.1909, † 24.12.1988 in der Pfalz) – Materborn, Königsallee 17 – Schneider – als „Föns“ van Thiel wichtige Person im Gruppengeschehen der Jungen um Karl Leisner – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1982 als Zeuge ausgesagt.
[3] Theodor (Theo) Derksen (* 3.12.1910 in Kleve, † an Lungenentzündung 3.12.1946 in russischer Gefangenschaft in Maginez im dortigen Lazarett) – Mitglied der Jungkreuzbundgruppe Sigismund – Kontakt mit der Jungkreuzbundgruppe St. Werner 2.10.1927
[4] Johann (Jan) Ansems (* 22.4.1915, † gefallen 3.3.1945 in Jönnecken bei Prüm i. d. Eifel) – Er gehörte zu den Gründern der Jungkreuzbundgruppe St. Werner.
[5] Josef Johannes Matthias Wimmer, genannt Söhni, (* 5.1.1915 in Kleve, katholisch getauft, † ?) – Er kam Ostern 1925 in die Sexta des Gymnasiums in Kleve und verließ es aus der Untertertia rg am 24.9.1932, um eine andere Schule zu besuchen. Er hat an der Eifelfahrt 1928 teilgenommen und galt als verweichlicht. Laut Karl Leisners Klassenkameraden Hermann Ringsdorff war er später ein fanatischer Kommunist und arbeitete in den Niederlanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Chef der Entnazifizierungsrichter in Krefeld und Düsseldorf.
[6] Karl Meeter (* 12.9.1912, katholisch getauft, † ?) – Mitglied der Jungkreuzbundgruppe Sigismund – dann in der Jungkreuzbundgruppe St. Werner – später im Katholischen Wandervogel (KWV)
[7] Wilhelm (Willi) Josef Maria Antonius Leisner (* 9.5.1916 in Goch, † 24.8.2010 in Berlin) – Von seinem Bruder Karl übernahm er am 22.4.1934 das Amt des Bezirksjungscharführers. Vom 12.4.1933 bis zum 12.4.1937 war er in der Elektrolehre bei Firma Reinhold Koenen, Schloßstr. 11 in Kleve, und legte am 17.3.1937 seine Gesellenprüfung ab. Nach Beendigung seines Ingenieurstudiums bekam er am 25.1.1940 die Dienstverpflichtung in der Rüstungsindustrie bei Telefunken in Berlin. Am 19.7.1944 heiratete er in der Stiftskirche in Kleve Franziska Sauer, die er am 27.11.1943 in Würzburg kennengelernt hatte. Bis zu seiner Pensionierung am 30.6.1978 arbeitete er für das Nachrichtenwesen in Berlin. Im Seligsprechungsprozeß 1981 und Martyrerprozeß 1990 für Karl Leisner hat er als Zeuge ausgesagt.
[8] Es gab einen Unterschied zwischen Kuchen und „Sonntagskuchen“. Früher machte man einen solchen Unterschied auch beim Brot, sonntags gab es Weißbrot oder Rosinenbrot.
[9] Schon im Frühjahr 1907 hatte Augustin Wibbelt, nachdem er 1906 nach Mehr gekommen war, zusammen mit einem Klever Gärtner die neue Gartenanlage geplant und anschließend auch verwirklicht: Er legte kleine Rasenflächen, Beete mit Sträuchern und Stauden, Blumenrabatten, Gartenwege, Laubengänge und Sitzplätze an, so daß im Laufe der Jahre fast ein Gartenparadies entstand. Dieser Pfarrgarten wurde 1912 titelgebend für seinen zweiten Lyrikband in niederdeutscher Sprache „Pastraoten Gaoren“.
Bericht über den Besuch in Mehr im Johannisfeuer 1928: 137
Johannisfeuer (1)Karl Leisner:
Ein Einfall ins Pfarrhaus
Am 2. im Gilbhardt fuhren wir per Rad um 3.00 Uhr unten an der Gruft ab; es ging immer die Landstraße entlang, bis ein Weg bei Kranenburg nach Zyfflich abbog. Leider war dort keiner zu Hause, was wir arg bedauerten, denn wir hatten uns schon auf den Sonntagskuchen gefreut. Von Zyfflich segelten wir mit Volldampf nach Mehr (wo gerade Kirmes war). Hier war, Gott sei Dank, Herr Pastor Wibbelt selbst zu Hause. Wir hatten gewaltige Freude, daß er uns so freundlich aufnahm; denn wir hatten schon viel von ihm und seinen schönen Büchern gehört. Er führte uns durch seinen, man kann sagen, botanischen Garten; nämlich dort waren die feinsten und seltensten Rosen, ein herrlicher Blumengang, (leckere Äppelkes) und seltene Pflanzen. Beinahe hätten wir auch einen Teich gesehen; leider enthielt er kein Wasser. Dann nahm der Herr Pastor uns mit in ein gemütliches Zimmer, wo wir leckere Aepfel bekamen, die uns Ia. schmeckten. Er erzählte uns von seiner Heimat in Westfalen und von den Fahrten, die er dort gemacht hatte. Später zeigte er uns seine große Bücherei und sehr alte Bilder, die auf die Wand gemalt waren. Endlich, nachdem wir alles Sehenswürdige der Pastorat Mehr besichtigt hatten, gondelten wir gegen 6.00 Uhr heimwärts. Söhni blieb unterwegs irgendwo hängen, weil er seine Eltern entdeckt hatte. Weil er still ausgekratzt war, ohne was zu sagen, hat ihm unser Führer [Walter Vinnenberg] nachher tüchtig den Kopf gewaschen. Wir nahmen trotz der Dunkelheit unsern Kurs heimwärts. Am Rand der Stadt zerstreuten wir uns, und jeder ging seinen Weg nach Hause. So hatten wir eine saubere Fahrt erlebt.
Cleve (Horde[1] [Jungkreuzbundgruppe] St. Werner) Karl Leisner, Vagant [2]
[1] Ausdruck der Jugendbewegung für eine kleine Gruppe – daher die Begriffe Hordenkeile, Hordenpott u. a.
[2] von vagari (lat.) = umherschweifen, -ziehen – umherziehender, fahrender Student od. Kleriker im Mittelalter; Spielmann – in der Jugendbewegung Anwärter auf die Mitgliedschaft in einem der Bünde
Siehe auch Aktuelles vom 27. August 2014 – „Pfarrers Garten – Karl Leisner hat ihn kennengelernt“.
Eine zweite Begegnung mit Augustin Wibbelt hatte Karl Leisner bei Pfarrer Augustinus Winkelmann in Marienthal bei Wesel, dem Zentrum der Katholischen Jugendbewegung am Niederrhein.
Marienthal, Dienstag, 17. Mai 1932, 6. Tag
Gegen 7.00 Uhr erscheinen Willi und Fränz[1] und wecken uns. Es hat aufgehört zu regnen. Schnell ziehen wir uns an und brechen das Zelt ab. Sachen packen! Willi und Fränz kochen inzwischen im Dorf „Kakaogries“, unsern Spezialfraß. – Wir gehn zur Scheune und können uns an den gedeckten Tisch setzen. Nachher haben wir die Spielwiese aufzuräumen. Zwei Schiebkarren voll Dreck aller Art tragen wir zusammen. So geht der Vormittag dahin. Um 11.00 Uhr sind wir fertig. Pfarrer Wibbelt ist auf Besuch zu Pfarrer Winkelmann gekommen. Wir bringen ihm ein Ständchen. Er freut sich und erzählt uns Geschichten auf Münsterländisch Platt. „De Mergelkuhl“[1] und andere gefielen mir gut. Die Schlesier tanzten. Noch einmal erzählt der Dichter. Er versteht es meisterhaft. So väterlich kann er lachen und zugleich so schalkhaft.
[1] Franz (Fränz) Ebben, genannt Schluff wegen Gehbeschwerden durch Blasen auf einer Wanderfahrt, (* 20.10.1920 in Kleve, † 30.9.1994 ebd.) – Nach der Volksschule besuchte er die Höhere Landwirtschaftsschule in Kleve und wurde kaufmännischer Angestellter. Er gehörte zu der von Karl Leisner geführten Gruppe. 1940/1942 war er als Soldat in Norwegen und bis 1948 in russischer Gefangenschaft. Dort erhielt er Anfang 1945 einen Brief mit einem Primizbild von Karl Leisner. Später arbeitete er in der Molkerei Wöhrmann zwischen Kalkar und Marienbaum und war im IKLK lange Jahre als Beisitzer tätig. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
[2] „De Miärgelkuul“. In: Schepper, Rainer (Hg.): De Kiepenkäärl. Vertellßels uut’n Möänsterlann von Augustin Wibbelt, Münster 61991: 251–263
Mergel ist ein aus Ton und Kalk bestehendes Sedimentgestein. Sein Abbau hinterläßt Mergelkuhlen. Einige davon befinden sich in Augustin Wibbelts Heimat rund um Vorhelm.
Hans-Karl Seeger:
Zwei außergewöhnliche Priester am Niederrhein. Karl Leisner traf Augustin Wibbelt und Augustinus Winkelmann. In: Kalender für das Klever Land auf das Jahr 2003, Kleve 2002: 129–137
Auch Karl Leisners Bruder Willi beschäftigte sich mit Augustin Wibbelt, leider ist nur ein Zeugnis im Nachlaß vorhanden.
Sonntag, 21. Februar 1943
Willi Leisner im Taschenkalender:
13.00 Uhr zur Bahn – 13.32 Uhr über Erfurt, Leipzig nach Berlin – „Die Erbschaft“ von Wibbelt gelesen[1] – 23.40 Uhr in Berlin Anh.-Bhf. [Anhalter-Bahnhof] – 00.15 Uhr zu Hause [in Kleve]
[1] Wibbelt, Augustin: Die Erbschaft. Eine heiter-herzhafte Bauerngeschichte, Essen 21941
Link zu „Fotos und Gedichte von Dr. Augustin Wibbelt“
Link zum Jakobus-Karl-Leisner-Weg
In der Lebens-Chronik zu Karl Leisner[1] sind folgende literarische Werke von Augustin Wibbelt erwähnt:
Wibbelt, Augustin
De Miärgelkuul – Die Mergelkuhle. In: Schepper, Rainer (Hg.): De Kiepenkäärl. Vertellßels uut’n Möänsterlann von Augustin Wibbelt, Münster 61991: 251–263
ders.
Nur ein Viertelstündchen, Essen 1930
ders.
Pastraoten-Gaoren. Gedichte in münsterländischer Mundart, Essen 1912
ders.
De Pastor von Driebeck, Essen 1908
ders.
Missa cantata, Paderborn 1940
ders.
Die Erbschaft. Eine heiter-herzhafte Bauerngeschichte, Essen 21941
ders.
Der versunkene Garten, Münster 1969
[1] Karl Leisner – Tagebücher und Briefe – Eine Lebens-Chronik, 5 Bände, herausgegeben von Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel im Auftrag des Internationalen Karl-Leisner-Kreises (IKLK) unter besonderer Mitarbeit von Christa Bockholt, Hans Harro Bühler und Hermann Gebert, Kevelaer 2014
Siehe auch Aktuelles vom 27. August 2014 – „Meister des geschliffenen Wortes“.