Paul Hochstadts Erinnerungen an Fronleichnam 1951 in Bad Ems und an Kleve

Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser (* 12.3.1866 in Radevormwald, † 20.12.1951 in Trier) – Priesterweihe 1894 – Weihbischof für das Erzbistum Köln 1921 – Bischof von Trier 12.3.1922 – persönlicher Titel Erzbischof 1944 – Er widersetzte sich dem National­so­zialismus und sprach sich 1935 und 1945 für das Verbleiben des Saarlandes bei Deutsch­land aus.

Fronleichnam 1951 war Paul Hohstadt[1] nicht in Kleve, sondern zur Kur in Bad Ems. Dort begegnete er Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser.

Paul Hohstadt berichtete im Paulinususblatt, der Wochenzeitung im Bistum Trier, von seiner Begegnung mit Erzbischof Bornewasser anläßlich des Fronleichnamsfestes 1951 in Bad Ems

Paulinusblatt (1)

 

Begegnung mit Erzbischof Bornewasser
Eine Fronleichnamserinnerung

Als im Sommer 1952 der französische Bischof von Clermont-Ferrand, Monsignore Gabriel Piguet[2], im Alter von von 65 Jahren starb, der 1944 meinen lieben Nachbarsjungen, dem Diakon Karl Leisner,  im Konzentrationslager Dachau [am 17.12.1944] die heilige Priesterweihe erteilte, mußte ich an den Fronleichnamstag 1951 denken, der in meine Erholungszeit in Bad Ems fiel. Während dieser Kurzeit logierte ich in der Villa „Flora“, in der 1880 bis 1894 Ludwig Windthorst[3] wohnte, um seine Gesundung aufzufrischen. Wegen einer Reportage über die Fronleichnamsprozession in der Kurstadt (die zu schreiben man mich gebeten hatte), in der die Anwesenheit des in Ems zur Kur weilenden 85jährigen Erzbischofs von Trier, Exzellenz Dr. Franz Rudolf Bornewasser erwähnt werden sollte, zog ich es vor, den Hochwürdigsten Herrn aufzusuchen, um sein Einverständnis hierzu einzuholen.
Noch nie in meinem Leben hatte ich einen Besuch bei einem so hochstehenden geistlichen Herrn gemacht und ging auch mit gemischten Gefühlen zu der kurzen Unterredung, zu der mich der erzbischöfliche Geheimsekretär Dr. [Albert] Heintz angemeldet hatte. Wie beglückt war ich jedoch, als mich der Erzbischof in so liebenswürdiger Weise empfing und mich bat, neben ihm Platz zu nehmen. Mit meiner Absicht war er sogleich gern einverstanden.
Auf seine Frage nach meiner Heimat erzählte ich ihm, daß ich aus seiner Jugendheimat, dem schönen bergischen Lande käme, und daß er mich dort vor dreißig Jahren gefirmt habe. Dann sprach er zu mir mit begeisterten Worten aus seiner ersten Weihbischofszeit im alten, heiligen Köln.
Während der weiteren Unterhaltung fragte er mich, ob ich mit meiner Familie den Krieg gut überstanden hätte. Daraufhin erzählte ich ihm, daß wir am 7. Oktober 1944 den schweren Bombenangriff auf Kleve am schönen Niederrhein im Hause der Eltern Karl Leisners (an diesem Tage hatte Pater Pies[4] in der Ferne eine heilige Messe für das Elternhaus Karl Leisners aufgeopfert[5]) wie ein Wunder glücklich überlebten.[6]
Dann sagte der Erzbischof freudebewegt: „Ich habe vor einigen Wochen das von Otto Pies SJ. geschriebene Buch ‚Stephanus heute’[7], welches ein Ruhmesblatt für das Katakombenleben im KZ. Dachau ist, über den leider zu früh verstorbenen Jungpriester Karl Leisner gelesen.“
Als ich merkte, daß seine Stimme müde geworden war, denn der hochwürdigste Herr hatte kurz vorher in Trier eine doppelseitige Lungenentzündung überstanden, schieden wir voneinander, und zwar in solcher Herzlichkeit, als wäre es der Abschied von meinem eigenen Vater gewesen. Ich küßte den großen Bischofsring an seiner dargebotenen Hand, er segnete mich und gab mir Grüße für meine Frau und meinen Sohn mit, da ich im Begriff war, meine Lieben am Emser Bahnhof abzuholen.
Am Fronleichnamsfest muß ich an diese liebe Begegnung im grünblühenden Bad Ems immer wieder zurückdenken, denn es war der letzte Fronleichnamstag des Erzbischofs Dr. Bornewasser auf seiner 85jährigen Lebensreise, denn sieben Monate später, um die Weihnachtszeit wurde er in Trier zum ewigen Hohenpriester heimberufen.
[1] Eheleute Paul Hohstadt (* 5.10.1895 in Solingen, † 7.12.1978 in Kleve) u. Emma Hohstadt, geb. Nie­len (* 13.1.1891 in Kleve, † 7.2.1981 in Kleve) – Kleve, Flan­drische Straße (bis 1930) – 1944 lebte Emma Nielen bei ihrem Bruder Erwin Nielen im Haus von Familie Wilhelm Leisner, Flandrische Straße 11. Ihr Mann erreichte noch recht­zeitig den Luft­schutzkeller bei Familie Leisner, als Kleve am 7.10.1944 zer­stört wurde.
[2] Bischof Gabriel Emmanuel Joseph Piguet von Cler­mont (* 24.2.1887 in Ma­con-sur-Saône/Saône-et-Loire/F, † 3.7.1952) – Priesterweihe 2.7.1910 in Paris (St. Sul­pice) – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Autun/Saône-et-Loire 27.2.1934 – Bischof von Clermont 11.3.1934 – Ob­wohl Ver­ehrer von Marschall Philippe Pétain, widersetzte er sich wäh­rend der deut­schen Besatzung (1940–1944) den Na­tional­so­zialisten. Er wurde am 28.5.1944 ver­haf­tet, kam über das Ge­fäng­nis in Clermont-Ferrand und das KZ Natzwei­ler-Struthof am 6.9.1944 ins KZ Da­chau und wurde am 4.5.1945 von den Amerikanern auf der Evakuie­rungs­fahrt vom 24.4.1945 nach Südti­rol in Niederdorf/Villabassa/I be­freit. Am 22.6.2001 verlieh ihm Yad Vas­hem po­stum den Titel „Ge­rechter unter den Völ­kern“, weil er wäh­rend des Zwei­ten Welt­krieges jüdi­sche Kin­der gerettet hatte.
[3] Ludwig Windthorst (* 17.1.1812 auf Gut Caldenhof in Ostercappeln, † 14.3.1891 in Ber­lin) – Politiker – nach 1871 Fraktionsfüh­rer u. (nicht nomineller) Führer der Zentrums­partei
[4] Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ (* 26.4.1901 in Arenberg bei Koblenz, † 1.7.1960 in Mainz) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 14.4.1920 – Priesterweihe 27.8.1930 – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klosteraufhebung von der Gestapo verhaftet. Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Gefängnis in Dresden ins KZ Dachau und am 27.3.1945 wurde er ohne Angabe des Grundes und ohne Be­dingung entlassen. Bereits im KZ und auch nach seiner Entlassung setzte er sich unermüdlich für Karl Leisner ein. Ohne ihn wäre es vermutlich nicht zur Priesterweihe im KZ gekommen (zur ausführlichen Vita s. Aktuelles vom 15. März 2018 – Pater Otto Pies SJ als wichtiger Vorreiter des Ständigen Diakonates).
[5] Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 22. Oktober 1944, an seine Familie in Berlin und Niedermörmter:
Der Tag und die Stunde des furchtba­ren Angriffs [am 7.10.1944] waren der Morgen des Rosenkranzfestes, als Hans [P. Otto Pies SJ] das heilige Opfer für uns alle darbrachte.
[6]  Paul Hohstadt:
Als die Hölle hereinbrach – Ein Augenzeuge überlebt im Hause Karl Leisners die Zerstörung von Kleve
[…]
Am Samstagvormittag des 7. Oktober [1944] stand ich auf dem Turm der Ölmühle [bei Spyck] und schaute über das von Aufklärungsfliegern umflogene Klever Land. Von Unruhe gepackt und Unheilvolles ahnend holte ich zu Hause mein Gepäck und eilte unter Tieffliegergeschossen in die Oberstadtwohnung mei­nes Schwagers [Erwin Nielen]. Kaum in der Flandrischen Straße ange­langt, zogen plötzlich dunkle Geschwader über die Stadt. Während unseres Skat­spiels im [Luftschutz-]Keller [von Familie Wilhelm Leisner] heulten um halb zwei sämtli­che Sirenen. Kurz darauf begann ein fürchterliches Bombarde­ment. In Erge­bung des Todes wie er uns auch treffen mochte, mit all seinen Ängsten und Schmerzen, haben wir während des sinnlosen Angriffes betend bei der Got­tesmutter Schutz gesucht, als der Hölle Nacht über uns stürmte. Gottdank hatte das Haus W. L. [Wilhelm Leisners] keinen Volltreffer bekom­men, so daß alle 17 Personen wie durch ein Wunder gerettet wurden (Kirche + Leben vom 11.10.1964).
[7] Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Prie­ster und Opfer, Kevelaer: Butzon & Bercker 1950 (1.–5. Td.), 21950 (6.–8. Td.), 31951 (9.–13. Td.), 41953 (14.–18. Td.), 51958 (19.–21.Td.), 61962 (2.000), 7. Auflage 2008 kommentiert von Hans-Karl Seeger

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Fronleichnam in Kleve
Seit Menschengedenken ist in Kleve keine Fron­leichnamsprozession am eigentlichen Fron­leich­namstag, dem Donnerstag nach dem Dreifal­tigkeitssonntag, sondern am darauf­fol­gen­den Sonntag. Die seit dem 1.10.2005 fusionierten Pfarren von Kleve haben eine ge­mein­same Prozession durch die Straßen der Stadt. Die Pro­zession begann zur Zeit Karl Leisners in der Stiftskirche und endete auf dem Kleinen Markt. Von dort wurde das Aller­heiligste in die Stiftskirche zurück­getragen. Die Prozession verlief durch folgende Straßen: Kapitel­str., Hag­sche Str. – 1. Segensaltar in der Toreinfahrt der Firma Wilhelm Mertens – Hagsche Straße bis Ha­senberg, Grüner Heideberg, Großer Heide­berg – 2. Segens­altar auf dem Gro­ßen Markt – Marktstr., untere Große Str. – 3. Segensal­tar in der Toreinfahrt des St.-Anto­nius-Hospitals – Klosterstr., Münze, Gasthaus­str., Große Str., Kirchstr. zum Klei­nen Markt: 4. Se­gensaltar. An den Prozessionsweg angrenzende Straßen waren ebenfalls geschmückt.
Karl Leisner hat dieses Fest mit offenen Augen und wachem Herzen erlebt und in vielen Jahren nicht nur Notizen dazu in sei­nen Tagebüchern gemacht, sondern auch Zeitungs­ausschnitte eingklebt.

Foto von einem Segensaltar in Kleve 1942: Dechant Jakob Küppers als Offiziant am Altar stehend; Pfarrer Ferdinand Stegemann als Subdiakon hält das Evangeliar, aus dem Kaplan Dr. theol. Ludwig Deimel das Evangelium verkündet.
Während Karl Leisner die Priester Jakob Küppers und Ferdinand Stegemann persönlich kannte, hoch verehrte und schätzte, hat er Kaplan Ludwig Deimel nicht kennengelernt. In seinen Briefen aus dem KZ Dachau schrieb er dessen Namen zunächst auch falsch.

Siehe auch Aktuelles vom 30. Mai 2013 – Fronleichnam in Kleve und im KZ Dachau
und
Aktuelles vom 15. Juni 2017 – Fronleichnamsprozessionen 1935 bis 1939 in Kleve.

Quelle der Fotos: Karl Leisner-Archiv