Bevor sich Menschen Europäer nannten, gab es Europa. In einer Zeit, in der Deutsche und Franzosen noch Erzfeinde waren und Kriege gegeneinander führten, konnte man Karl Leisner bereits als Europäer bezeichnen, wovon seine Tagebucheinträge Zeugnis geben.
Tagebucheinträge:
Samstag, 23. April 1938
Bis 23.00 Uhr las ich grad’ noch August Winnig: „Europa“ [1] – Ich bin erschlagen. – Ich finde bei ihm, was ich irgendwie alles schon einmal mir erspürt habe aus dem Geschehen der Zeit. – Christus, das Geheimnis der Kraft Europas?! Sicher das größte, tiefe und unergründlichste; in Ihm gründen alle andern. – Ich bin niedergekniet und hab’ Gott gedankt und Ihn gebeten in ernstem Gebet, mir den rechten Platz in dem großen Zusammenhang der Dinge zu geben. – Alles ist Gnade und Berufung.– Wohin will er mich? Was ist meine letzte Wesensbestimmtheit? Hier auf Erden natürlich – ich meine, was für eine Aufgabe habe ich zu lösen? – Ich fühle große Kraft in mir und sehe unendliche Möglichkeiten. – Herr, wohin Du mich willst, dahin geh’ ich – auch in Nacht und Not und Leid. Ja – – Gib mir Befehl!
[1] August Winnig; Europa. Gedanken eines Deutschen; Witten und Berlin 1937
Diese Europaschrift, die Karl Leisner so sehr beeindruckte, war ein deutliches Bekenntnis zur christlichen Herkunft Europas gegenüber dem Germanenkult der Nationalsozialisten. Zugleich war es eine Abwehr des russischen Bolschewismus, die mit antisemitischen Argumentationen verknüpft war. Vermutlich war mit Bolschewismus – unausgesprochen – auch der Nationalsozialismus gemeint. Karl Leisner hat offensichtlich vor allem die Sprache beeindruckt, die eigentlichen Zusammenhänge waren ihm vermutlich kaum bewußt.
Samstag, 16. Juni 1945
„Zwischendurch schaue ich herrliche Bilder aus Dr. Cormans „Europa“-Buch des Atlantisverlages – Zürich.[1] Ich bin auf Fahrt und staune, und freue mich. Nur eins: Du armes Europa, zurück zu Deinem Herrn Jesus Christus! (Dort ist Deine Quelle für das Schönste, was Du trägst.) Zurück zu den frischen Quellen an göttlich, wahrer Kraft!! Heiland, laß mich ein wenig Dir dabei Instrumentum sein, o ich flehe Dich an!“
[1] Martin Hürlimann; Europa: Bilder seiner Landschaft und Kultur; Zürich 1943; Einleitung von Carl J. Burckhard
Siehe auch Aktuelles vom 13. August 2012 – Karl Leisner – Visionär eines geeinten Europas,
Aktuelles vom 19. Februar 2013 – Karl Leisner und Europa,
Aktuelles vom 30. Juni 2015 – Karl Leisner – Griechenland – Europa
und
Aktuelles vom 11. Mai 2016 – Karl Leisner: Ganz Niederrheiner – ganz Europäer.
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Im Waldsanatorium Planegg ist Karl Leisner gestorben. Ein Karl-Leisner-Weg und eine Gedenkstätte erinnern an ihn.
Unterhalb der Büste befindet sich vorne auf dem Sockel die Inschrift:
Seliger Karl Leisner Priester Märtyrer.
An der linken Sockelseite steht: * 1915 in Rees + 1945 im Waldsanatorium und auf der rechten Seite: Seliggesprochen 1996 von Papst Johannes Paul II.
Vor dem Denkmal grenzen rechts und links zwei Stelen die Gedenkstätte ab. Auf der linken ist der Ring mit dem Bild der Madonna von Dachau zu sehen, den der französische Bischof Gabriel Piguet[1] bei Karl Leisners Priesterweihe trug. Darunter steht: „Du armes Europa, zurück zu Deinem Herrn Jesus Christus!“, ein Tagebucheintrag von Karl Leisner vom 16. Juni 1945.
[1] Bischof Gabriel Emmanuel Joseph Piguet von Clermont (* 24.2.1887 in Macon-sur-Saône/Saône-et-Loire/F, † 3.7.1952) – Priesterweihe 2.7.1910 in Paris (St. Sulpice) – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Autun/Saône-et-Loire 27.2.1934 – Bischof von Clermont 11.3.1934 – Obwohl Verehrer von Marschall Philippe Pétain, widersetzte er sich während der deutschen Besatzung (1940–1944) den Nationalsozialisten. Er wurde am 28.5.1944 verhaftet, kam über das Gefängnis in Clermont-Ferrand und das KZ Natzweiler-Struthof am 6.9.1944 ins KZ Dachau und wurde am 4.5.1945 von den Amerikanern auf der Evakuierungsfahrt vom 24.4.1945 nach Südtirol in Niederdorf/Villabassa/I befreit. Am 22.6.2001 verlieh ihm Yad Vashem postum den Titel „Gerechter unter den Völkern“, weil er während des Zweiten Weltkrieges jüdische Kinder gerettet hatte.
Auf der rechten Stele befindet sich das Motiv eines seiner Primizbilder, einen Kelch haltende gefesselte Hände mit der Aufschrift „Victor in vinculis[1]“. Darunter steht der letzte Tagebucheintrag Karl Leisners: „Segne auch Höchster meine Feinde!“, den er am 25. Juli 1945 schrieb.
[1] Die Schönstattgruppe im KZ Dachau unter Führung von Heinz Dresbach und später Hermann Richarz, zu der auch Karl Leisner gehörte, begann in der Fastenzeit 1944 mit der Suche nach ihrem Gruppenideal und entschied sich für den Vorschlag von Robert Pruszkowski „Victor in vinculis (Mariae)“. Die Idealsuche war stark inspiriert von der Spiritualität der Marianischen Werkzeugfrömmigkeit, über die P. Joseph Kentenich SAC im Frühjahr 1944 eine Studie diktierte. Es geht um die Bindung an Maria im Sinne des Werkzeuges, der Vernetzung. Maria steht als Symbol für den Dreifaltigen Gott. P. Makarius Spitzig OSB schnitzte im KZ Dachau einen Bischofsstab mit dem Wappen von Bischof Gabriel Piguet und der Inschrift Victor in Vinculis.
Quelle der Fotos: Christa Bockholt
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Zum religiösen Aspekt der Europaflagge siehe Aktuelles vom 11. Februar 2015 – Die Gottesmutter Maria und die Europaflagge.
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Gehen wir zur Wahl, damit gegen allen aufkommenden Nationalismus ein geeintes Europa bestehenbleibt!