Unter der Überschrift „»Unsere Freiheit fraß das Schwert« – Frankfurts dunkelste Stunde: Im Herbst 1866 annektiert Preußen die Freie Stadt am Main. Es geht um Geld und Macht – und wider den republikanischen Geist“, veröffentlichte DIE ZEIT vom 27. Oktober 2016 einen Artikel von Ralf Zerback über die Situation der Stadt Frankfurt im 19. Jahrhundert.
Link zur ZEIT ONLINE vom 10. November 2016
Unter der Überschrift „Neues Leben im Herz der Stadt. Frankfurt hatte lange keine Mitte. Heute feiert die Altstadt zwischen Dom und Römer Richtfest. Die Kritik an dem Projekt ist fast verstummt. Das ist gut so. Die Therapie scheint anzuschlagen“, berichtet Rainer Schulze in der F.A.Z. vom 15. Oktober 2016 über die Neugestaltung des „Herzens der Stadt Frankfurt“.
Link zur FAZ.NET vom 15. Oktober 2016
Unter der Überschrift „Die verbaute Zukunft – Die Wohnungspreise sind hoch wie nie, die Qualität des Gebauten ist trübselig, Neubauviertel sehen aus wie Filteranlagen für Menschen. In Frankfurt zeigt sich, wie das Zivilisationsmodell Stadt versenkt wird, wenn die Politik nicht bald umdenkt“, schildert Niklas Maak in der F.A.Z. vom 31. Januar 2017 einen Mißstand in Frankfurt und beklagt unter anderem die hohen Mieten und das lieblose Bauen.
Link zum Artikel unter der Rubrik „Blog“ des Vereins “Vision Werk Klybeck” (VWK) in Basel/CH
Frankfurt 1927 und 1944
* * * * *
Familie Wilhelm[1] und Amalia[2] Leisner sowie ihre Kinder Karl[3], Willi[4], Maria[5], Paula[6] und Elisabeth[7] hatten alle eine Beziehung zu Frankfurt, haben aber die gigantische Entwicklung der Stadt nicht mehr erlebt.
[1] Justizoberinspektor Wilhelm Johannes Josef Leisner (* 26.9.1886 in Goch, † 13.10.1964 in Kleve) – Hochzeit mit Amalia Falkenstein am 25.5.1914 am Grab des heiligen Albertus Magnus in St. Andreas in Köln – Wilhelm Leisner bekam eine Anstellung am Gericht in Rees und 1921 am Gericht in Kleve.
[2] Amalia (Amalie, Maly) Everhardine Maria Mathilde, geb. Falkenstein (* 26.10.1892, † 19.2.1983 in Kleve) – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat sie 1981 als Zeugin ausgesagt.
[3] Karl Friedrich Wilhelm Maria Leisner (* 28.2.1915 in Rees, † an den Folgen seiner fünfeinhalbjährigen KZ-Haft 12.8.1945 im Waldsanatorium Planegg) – Priesterweihe 17.12.1944 im KZ Dachau – Sein Grab befindet sich in der Krypta des Xantener Domes. Am 23.6.1996 sprach Papst Johannes Paul II. ihn in Berlin selig.
[4] Wilhelm (Willi) Josef Maria Antonius Leisner (* 9.5.1916 in Goch, † 24.8.2010 in Berlin) –Elektrolehre bei Firma Reinhold Koenen in Kleve 12.4.1933–12.4.1937 – Gesellenprüfung 17.3.1937 – Werkmeisterprüfung 29.7.1938 – „Not-Ing.“ 25.11.1939 – Mit dem Zeugnis bekam er am 25.1.1940 die Dienstverpflichtung in der Rüstungsindustrie bei Telefunken in Berlin. Am 19.7.1944 heiratete er in der Stiftskirche in Kleve Franziska Sauer, die er am 27.11.1943 in Würzburg kennengelernt hatte. Bis zu seiner Pensionierung am 30.6.1978 arbeitete er für das Nachrichtenwesen in Berlin. Im Seligsprechungsprozeß 1981 und Martyrerprozeß 1990 für Karl Leisner hat er als Zeuge ausgesagt.
[5] Maria Anna Amalie Leisner (* 23.11.1917 in Immenstadt, † 19.6.1999 in Kalkar) – Sie war die letzte aus der Familie, die das Elternhaus in Kleve in der Flandrischen Str. 11 bewohnt hat. Dort umsorgte sie ihre Eltern bis zu deren Tod. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat sie 1981 als Zeugin ausgesagt.
[6] Paula Maria Leisner (* 25.12.1919 in Rees, † an den Folgen eines Verkehrsunfalls vom 14.11.1989 am 19.2.1990 in Kleve) – Praktikum in der gemeinnützigen Anstalt Monikaheim in Frankfurt/M. 3.1.–10.3.1941 – Ausbildung zur Gewerbelehrerin im Berufspädagogischen Institut (BPI) in Frankfurt/M. Ostern 1941 bis Ostern 1943 – Staatsexamen 20.4.1943 – Tätigkeit als Lehrerin an der Städt. Berufsschule in Frankfurt/M. bis Mai 1944 – Während ihrer gesamten Zeit in Frankfurt wohnte sie dort Am Dammgraben 80 bei Familie Cyprian Koberstein. Von Mai 1944 bis Juni 1945 war sie vollbeschäftigte Gewerbelehrerin an der Städt. Berufs- und Handelsschule in Goch. Am 10.11.1944 wurde sie zur Westwallküche dienstverpflichtet. Vom 1.9.1946 bis zum 1.4.1947 war sie Gewerbelehrerin und ab 1.4.1947 bis zu ihrer Pensionierung Gewerbeoberlehrerin an der Städt. Berufs- und Handelsschule in Kleve. Im Seligsprechungsprozeß 1981 und Martyrerprozeß 1990 für Karl Leisner hat sie als Zeugin ausgesagt.
[7] Elisabeth Juliane Maria Haas, geb. Leisner (* 14.8.1923 in Kleve, † 9.9.2014) – RADwJ in Nochern, Kreis St. Goarshausen 2.4.1942–26.10.1942 – Kriegshilfsdienst in Frankfurt-Höchst bei den IG-Farben 27.10.1942–21.3.1943 – Während dieser Zeit wohnte sie in Bad Soden, Hotel Europäischer Hof. Vom 3.5.1943 bis zum 29.7.1943 war sie zwecks Aufnahme des Studiums zur Gewerbelehrerin als Praktikantin im Monikaheim in Frankfurt/M. in der Küche tätig. Ab 14.4.1945 arbeitete sie als Dolmetscherin für Englisch im Lager Bedburg und später bei der Stadt Kleve. Am 29.9.1946 verlobte sie sich mit Wilhelm Haas und heiratete ihn am 28.5.1947. Nach dem Tod ihres Mannes (1993), der im IKLK vor allem nach seiner Pensionierung seine ganze Kraft für die Seligsprechung seines Schwagers eingesetzt hatte, übernahm sie bis 2004 die Geschäftsführung des IKLK. Im Seligsprechungsprozeß 1981 und Martyrerprozeß 1990 für Karl Leisner hat sie als Zeugin ausgesagt.
Eltern Wilhelm und Amalia Leisner
Vater Wilhelm Leisner beschreibt in einem eindrucksvollen Bericht die abenteuerliche Reise mit seiner Frau von Kleve nach Planegg bei München, wo sie ihren sterbenden Sohn Karl besuchten.
Vater Wilhelm Leisner:
24.6.1945
7.30 Uhr mit englischem Urlauberzug, der nach Bremen fuhr, über die Brücke bei Spyck nach Haltern, wo wir 10.00 Uhr eintrafen; von Haltern auf einer Karre (2,00 Rm) nach Block Lippe. Von Block Lippe nach Recklinghausen H. [? Hochlar] (1,30 Rm). 11.30 Uhr nach Recklinghausen-Süd (1,20 Rm); von R.-Süd zu Fuß nach Herne; von Herne nach Hagen über Wanne-Eikel Witten (3,60 Rm); in Hagen im Vinzenzheim – St. Josephshospital übernachtet, wo wir mit Butterbroten und Kartoffelsalat als Abendessen versehen wurden (10,00 Rm).
25.6.1945
Von Hagen über Letmathe, Siegen-Ost (zu Fuß), Dillenburg (durchs Gitter gekrochen) und einen H. [Herrn Georg] Breitbach aus Kleve im Vorbeigehen begrüßt, nach Gießen; im Wartesaal von Gießen Gesangverein eröffnet und uns so die Zeit (die Nacht) vertrieben.
26.6.1945
Von Gießen über Friedberg (im Kohlenwagen – teils zu Fuß) nach Frankfurt am Main, wo wir im Monikaheim[1] gut verpflegt wurden und herrlich schliefen. [Vertreterin der] Schwester Oberin: Schwester Melitina[2], die uns für Karl eine große Flasche Tonikum[, ein Mittel zur Kräftigung des Körpers,] mitgab. In Frankfurt zur Fahrbereitschaft und da uns kein Auto mitnahm.
27.6.1945
Von Frankfurt Ost über Hanau nach Aschaffenburg, wo wir Tante Thekla[3] und [ihre Kinder] Rita und Otto besuchten und eine Flasche Wein – eine Wohltat – [bekamen]; nachdem wir an einer Ecke lange auf Fahrgelegenheit vergebens gewartet, fuhren wir um 13.00 Uhr mit einem Gefangenenzug (Deutsche) unter französischer Begleitung in dem Verpflegungswagen die Nacht durch nach Bamberg.
28.6.1945
7.30 Uhr ab Bamberg nach Fürth, wo wir vor Fürth ausstiegen und eine halbe Stunde zu Fuß nach Fürth gingen. Ab Fürth 19.30 Uhr bis Treuchtlingen, wo wir 21.00 Uhr ankamen und liegenblieben und 12 Stunden im offenen Güterwagen bei strömendem Regen saßen.
29.6.1945
Ab Treuchtlingen 8.30 Uhr bis Augsburg, wo wir 14.00 Uhr eintrafen – alles heraus –. Ein Privatauto nahm uns mit bis Dachau. 17.07 Uhr Dachau-München; mit der Trambahn nach Pasing; von dort eineinhalb Stunden zu Fuß nach Planegg, wo wir 21.00 Uhr eintrafen.[4]
[1] Zum Monikaheim in Frankfurt/M. hatten die Eltern Leisner eine Beziehung auf Grund der Praktika ihrer Töchter Paula und Elisabeth.
Monikaheim in Frankfurt/M. – Fürsorgeverein für sittlich gefährdete katholische Mädchen u. Frauen – Gründung 1901 – Einweihung des Heimes, Kostheimer Str. 11/15, 4.5.1914 – Von 1910–1972 führten die Schwestern vom Heiligen Geist das Haus.
Heute heißt es „Familienzentrum Monikahaus“ und hat seinen Eingang in der Kriegsstr. 36, einer Parallelstraße zur Kostheimer Str. Es wird unterhalten vom Sozialdienst katholischer Frauen e. V.
[2] Schwester Melitina (Maria Thekla) Engel (* 5.8.1897, † 18.2.1970 in Saarbrücken) – Eintritt bei den Schwestern vom Heiligen Geist 18.8.1920 – Küchenschwester mit dem Aufgabengebiet „Praxisanleitung für junge Frauen in Küche und Haushalt“ u. Vertreterin der Oberin im Monikaheim in Frankfurt 1927–1965
[3] Eheleute Josef Sauer, Onkel von Willi Leisners Frau Franziska, (* 2.5.1880, † 21.10.1962) (Inspektor am Stiftsamt in Aschaffenburg) u. Thekla Sauer, geb. Knecht (* 14.10.1891 in Wenigumstadt, † 12.1.1955 in Würzburg) – Aschaffenburg, Stiftsgasse 7, neben dem Stiftspfarrhaus
[4] Leisner, Wilhelm: Bericht vom 24.6.1945ff., (Manuskript): 1f.
Mutter Amalia Leisner:
Reisenotizen von Mutter Amalia Leisner zeigen, was sie auf sich nahm, um ihr Enkelkind Ursula Leisner[1] zu besuchen. Dabei gab es auch Aufenthalte in Frankfurt und einen Besuch im Monikaheim.
[1] Ursula Libetta, geb. Leisner (* 2.6.1945 in Oberbessenbach) – erstes Kind von Fränzl u. Willi Leisner – Karl Leisners Patenkind – Er hat seine Nichte jedoch nie gesehen.
Donnerstag, 18. April 1946, Gründonnerstag
8.00 Uhr Johanniskloster [in Niederlahnstein] – 13.05 Uhr ab Niederlahnstein, 18.30 Uhr in Frankfurt/M. Pech mit den Zulassungskarten [? Lebensmittelmarken]. 22.30 Uhr im Monikaheim, Otto[1] beim Pfarrer [Albert Perabo[2]] in der Gallus-Apotheke[3].[4]
[1] Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ (* 26.4.1901 in Arenberg bei Koblenz, † 1.7.1960 in Mainz) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu am 14.4.1920 – Priesterweihe am 27.8.1930 – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klosteraufhebung von der Gestapo verhaftet. Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Gefängnis in Dresden ins KZ Dachau und am 27.3.1945 wurde er ohne Angabe des Grundes und ohne Bedingung entlassen. Bereits im KZ und auch nach seiner Entlassung setzte er sich unermüdlich für Karl Leisner ein. Ohne ihn wäre es vermutlich nicht zur Priesterweihe im KZ gekommen.
[2] Geistlicher Rat Albert Perabo (* 23.4.1885 in Nastätten, † verunglückt 11.12.1957 in Frankfurt/M.) – Priesterweihe 25.2.1908 in Limburg – Pfarrer in Frankfurt/M. St. Gallus 16.1.1927 bis 1957 – Er betätigte sich seelsorglich u. a. im Monikaheim.
[3] Im Frankfurter Stadtteil Gallus, Mainzer Landstr. 270, befindet sich die Gallus-Apotheke. Ihr damaliger Besitzer war sehr aktiv in der Gemeinde St. Gallus.
Über Veränderungen im Frankfurter Stadtteil Gallus berichtet Julian Staib in der F.A.Z. vom 7. Januar 2017 unter der Überschrift „Die neue Stadt – Großstädte wachsen und wachsen. Immer mehr wollen hier wohnen und müssen deshalb immer mehr bezahlen. Das können sich nicht alle leisten. Wie das ist, sieht man in Frankfurt, im Gallus.“ Eine Bildunterschrift lautet: „Vorne Gallus, links Europaviertel, hinten die Skyline: Wo einmal Güterwaggons fuhren, kann sich Frankfurt ausbreiten. Das reicht aber nicht. Auch alte Wohnviertel müssen Platz machen.“
Am Ende des Artikels erfährt der Leser von einem Bewohner des Gallus-Viertels, es sei bereits seit langer Zeit im Wandel begriffen. Dort gebe es überall andere Menschen. Einerseits gehöre dort nichts zusammen, andererseits aber doch wieder alles. Als Fazit zeigt sich „das Gallus“ in gewisser Weise als ein Schmelztiegel zahlreicher Nationalitäten.
Link zum Artikel
Siehe auch Link zum Stadtteil Gallus bei Wikipedia
[4] Leisner, Amalia: Notizen im Taschenkalender 1946 (Manuskript) (zit. Leisner, A. 1946): 1
Freitag, 19. April 1946, Karfreitag
7.00 Uhr aufgestanden, 10.00 Uhr Gottesdienst, 12.00 Uhr Mittagessen im Moni [Monikaheim] mit Otto. 18.00 Uhr zum Bahnhof, 21.15 ab Frankfurt/M., an Gemünden nachts 00.45 Uhr.[1]
[1] Leisner, A. 1946: 2
Karl Leisner
Karl Leisner hatte zwar vor, auf der Rückfahrt von der Schweizfahrt Frankfurt zu besuchen, aber dazu kam es nicht.
Karl Leisner aus Stetten am 22. August 1932 an seine Familie in Kleve:
Über München werden wir nicht zurückfahren, weil es zu weit ab liegt, sondern über Stuttgart – Heidelberg – Frankfurt.
Über die Fahrt ins Allgäu vom 1. bis zum 28. August 1936 sind im Nachlaß von Karl Leisner keine Aufzeichnungen vorhanden. Im folgenden sind die Berichte zur Rückfahrt über Frankfurt aus dem Fahrtenbuch von Wilhelm Elshoff[1] wiedergegeben.
[1] Wilhelm (Willi) Elshoff (* 16.10.1921, † 9.8.2011) – Teilnahme am Jugendlager in Groesbeek/NL 1934 u. an der Allgäufahrt 1936 – Heirat mit Maria Elshoff geb. Müskes – Er hat mit großem Einsatz das Archiv des IKLK verwaltet.
Würzburg, Sonntag, 23. August 1936, 23. Tag
Jetzt hatten wir die Mainebene vor uns. Gott sei Dank, daß wir die Berg- und Talfahrten hinter uns hatten. Guten Mutes suchten wir uns den Weg nach Frankfurt/M. Unter frischen Liedern verging die Zeit sehr schnell, und auch die Kilometerzahl bis Frankfurt sank ziemlich rasch. Etwa 15 km vor Frankfurt bogen wir rechts von der Straße ab. In dem zwei km entfernten Ort Bischofsheim war bald ein gastfreundlicher Bauer gefunden. Da wir ein Abendessen bestimmt verdient hatten, kochten wir uns in der Küche Reisflocken, gemischt mit Grieß und Kakao. Schnell wurde noch das Stroh zusammengelegt, dann ließen wir uns müde ins Stroh sinken.
Bischofsheim, Montag, 24. August 1936, 24. Tag
Früh ging es weiter. In Frankfurt/M. besahen wir uns den Dom. Durch alte Gassen mit schmucken Giebelhäusern gelangten wir zum Römerberg, wo die Festspiele aufgeführt wurden.[1] Um 11.30 Uhr kamen wir auf dem 13 km entfernten Weltflughafen an. Fortuna war uns wieder einmal hold: Das Luftschiff [LZ 129] „Hindenburg“[2] befand sich für einige Tage in Frankfurt. So konnten wir auch das größte und schönste Luftschiff der Welt, das rund 245 m lang ist, aus der Nähe bestaunen. Wir mußten nach Frankfurt wieder zurück.
[1] Wilhelm Elshoff schrieb von dieser Fahrt eine Fotokarte „Einödbach“ aus Frankfurt/M. an Gert Brock, Schneiderlehrling in Kleve:
Viele Grüße aus dem Süden!
Die Karte ist in Frankfurt abgestempelt. Der Stempel trägt die Aufschrift:
Römerberg-Festspiele in der Goethestadt, Frankfurt am Main, 1. Juli – 31. August 1936.
[2] Zeppelin LZ 129 – Namensgebung nach Paul von Hindenburg – zusammen mit dem Schwesterschiff LZ 130 größtes jemals gebautes Luftschiff – Zerstörung durch Feuer im Heck bei der Landung in Lakehurst/New Jersey/USA 6.5.1937
Karl Leisner aus Kleve am 2. November 1936 an Familie Magnus Weber[1] in Alpseewies:
Werte Familie Weber!
Sicher haben Sie schon gedacht, daß die Jungen – Sie sagen Buben – vom Niederrhein Sie ganz vergessen hätten. Aber es ist doch nicht an dem. Diese herrlichen Tage und Stunden in Alpseewies vergessen wir unser Leben lang nicht.
[…]
Durch Franken, den Südspessart und durchs Maintal sind wir dann zurückgefahren. Die drei alten Städtchen Nördlingen, Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber sind so rechte mittelalterliche Schatzkästlein. Aschaffenburg – Frankfurt – Mainz – Koblenz – Köln und dann waren wir wieder daheim genau nach vier Wochen.
[1] Eheleute Magnus Weber (* 5.9.1869 in Trieblings, † 13.3.1948 in Alpseewies) u. Anna Weber, geb. Häußler (* 30.4.1869 in Oberstaufen, † 28.8.1960 in Alpseewies) – Sie besaßen einen großen Hof in Alpseewies. Karl Leisner hat mit seinen Kameraden auf der Allgäufahrt 1936 den Alpsee angesteuert, weil seine Mutter dort 1917/1918, als seine Eltern in Immenstadt wohnten, fast ertrunken wäre. Familie Weber schickte Pakete für Karl Leisner ins KZ Dachau.
Karl Leisner aus Münster am Sonntag, 7. Mai 1939, an Willi Leisner in Bingen:
Für die Herbstferien schwebt mir folgendes vor: 1. bis 14. August Fußfahrt durch den Schwarzwald.[1] – 15. August bis 14. September Große Exerzitien bei P. Kronseder SJ[2] in St. Georgen zu Frankfurt/Main.[3] Dann daheim.
[1] Diese Fahrt fand nicht statt.
[2] Pater Friedrich Kronseder SJ (* 4.7.1879 in München, † 16.8.1957 im Priesterhospiz in Neuburg a. d. Donau) – Priesterweihe 29.6.1904 – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 19.4.1909 – Letzte Gelübde 2.2.1925
[3 Mit seinem Studienkurs hatte er den Pater bereits vom 30. Oktober bis zum 2. November 1935 bei Kurs-Exerzitien im Collegium Borromaeum in Münster erlebt.
Wegen dessen Erkrankung fanden die Exerzitien in St. Georgen jedoch nicht statt.
Willi Leisner
Willi Leisner schrieb kein Tagebuch mehr, nachdem die Gestapo seine und die Tagebücher seines Bruders 1937 beschlagnahmt hatte. Aus den Notizen in seinen Jungmannskalendern und Taschenkalendern geht hervor, wie oft er Kontakt mit Frankfurt hatte.
Willi Leisner am 31. Juli 1938 im Jungmannskalender:
10.55 Uhr [von Bingen] nach Berlin, Mainz, Frankfurt, Hanau, Offenbach, Fulda, Hersfeld, Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar, Naumburg, Merseburg, Halle, Wittenberg, Berlin 20.00 Uhr an.
Willi Leisner am 25. Juni 1939 im Jungmannskalender:
8.11 Uhr ab Bingen über [Mainz an 8.40 Uhr, Mainz ab 9.03 Uhr] Frankfurt [an 9.42 Uhr, Frankfurt ab D-Zug 9.43 Uhr], Fulda, Eisenach (Wartburg), Weimar, Leipzig (Völkerschlachtdenkmal) nach Berlin [an] 17.18 Uhr Anhalter Bahnhof.
Willi Leisner am 28. Juni 1939 im Jungmannskalender:
16.45 Uhr [D-Zug] ab Anhalter Bahnhof[, Frankfurt/M. an 23.07 Uhr, Frankfurt ab 23.49 Uhr, Mainz an 0.23 Uhr, Mainz ab 0.38 Uhr] – 1.23 Uhr nachts in Bingen.
Willi Leisner am 15. / 16. Mai 1942 im Taschenkalender:
20.00 Uhr zum Anh. Bhf. [Anhalter Bahnhof] – 21.11 Uhr nach Frft. [Frankfurt/M.] kein Sitzplatz – 5.10 Uhr in Frft. – Paula u. Herr Koberstein an der Bahn. Zum Dammgraben [80] – Kaffee trinken – 6.45 Uhr St. Gallus – lesen – plaudern – singen – 12.30 Uhr Essen – 13.00 bis 14.30 Uhr Schlafen – 14.30 Kaffee mit Margret Sch. [Schönzeler[1]] – 15.30 Uhr zur Stadt – Kaisersaal – Römer – Dom – Schirn (Weck, Wurst)[2] – Buchhandlung, Kaufhof – 19.40 Uhr Kinotag „Der scheinheilige Florian“[3] – 22.00 Uhr heim – 22.30 Uhr Falle
[1] Margret Schönzeler, genannt Maus, (* 18.2.1920, † ?) – Klassenkameradin u. Studienkollegin von Paula Leisner u. Gisela Schmitz – 1943 bestanden die drei Studentinnen ihr Staatsexamen als Gewerbelehrerinnen am Berufspädagogischen Institut (BPI) in Frankfurt/ M.
[2] Der Begriff „Schirn“ bezeichnet ursprünglich einen „offenen Verkaufsstand“. An der Stelle im Zentrum Frankfurts, an der sich seit 1986 die SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT befindet, lag bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein Straßenzug gleichen Namens. Bis weit in das 19. Jahrhundert befanden sich „an der Schern“ die Verkaufsstände der Frankfurter Metzgerzunft (URL http://www. culturall.de/?http://www.culturall.de/kultur/frankfurt/museen/schirn.kunsthalle/ schirn.kunsthalle.html – 15.10.2012).
[3] Link zum Spielfilm (1941) von Josef Stöckel (1884–1959)
Willi Leisner am 17. Mai 1942 im Taschenkalender:
6.00 Uhr raus. 7.00 Uhr Maria Hilf[-Kirche in Frankfurt-Gallusviertel[1]] – 10.06 Uhr ab Frft.-[Frankfurt/M.-]West nach Kronberg über Falkenstein – [Waldgasthaus] Fuchstanz (Regen, Nebel) zum [Kleinen] Feldberg (keine Sicht) 12.45 Uhr – 15.00 Uhr Rast im Hotel – Sicht und Sonnenschein – nach Hohe Mark [Restaurant] Hadertsmühle – [Bad] Homburg – Schloß – mit Straßenbahn nach Frft. – 20.30 Uhr Essen – zu Margret – 22.30 Uhr Falle
[1] Maria-Hilf-Kirche in Frankfurt-Gallus
Weihe der Pfarrkirche zur „Mutter von der immerwährenden Hilfe“ 17.12.1933 – Zerstörung durch Bombenabwurf in der Nacht zum 13.9.1944 – Weihe einer Notkirche nach Wiederaufbau 15.5.1947 – Grundsteinlegung für die heutige Kirche 20.8.1950 – Weihe durch Bischof Wilhelm Kempf (1906–1982) von Limburg 3.5.1951
Willi Leisner am 18. Mai 1942 im Taschenkalender:
6.00 Uhr raus. 6.40 Uhr St. Gallus[-Kirche] – Kaffee – 9.30 Uhr zum Hafen – 10.17 Uhr über Mainz nach Bingen
Hanna Wieland[1] aus Niederlahnstein am Dienstag, 26. Mai 1942, an P. Otto Pies SJ (Briefentwurf):
Wir hatten vergangene Woche lieben Besuch. Der Bruder [Willi] von Spezi [Karl Leisner] kam Mittwochnachmittag [20.5.] von Frankfurt/M. bezw. St. Goarshausen hier an und fuhr Donnerstagvormittag weiter zu den Eltern [nach Kleve]. Wir haben es ihm recht gemütlich gemacht und hatten eine herzliche Aussprache miteinander. Er läßt Dich herzlich grüßen, ebenso bestellte er liebe Grüße von seinem [an seinen] treuen Bruder.[2]
[1] Johanna Anna (Hanna) Wieland, geb. Pies, Schwester von Otto Pies, (* 1.3.1898 in Arenberg bei Koblenz, † 1.9.1958 in Koblenz) – Niederlahnstein
[2] Seeger, Hans-Karl / Latzel, Gabriele / Bockholt, Christa (Hgg.): Otto Pies und Karl Leisner. Freundschaft in der Hölle des KZ Dachau, Sprockhövel/ Dommershausen 2007: 213 (zit. Seeger/Latzel/Bockholt 2007)
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 13. Juni 1942, an seine Familie in Kleve:
Willi, wie mich Dein Bericht über den herrlichen Urlaub [in Frankfurt/M., St. Goarshausen und Niederlahnstein] freute. Paula, Elisabeth und Tante Hanna [Wieland] werden sich über Deinen Besuch herzlich erfreut haben.
Willi Leisner am 13. Februar 1943 im Taschenkalender:
Reise Darmstadt vorbereitet. 13.30 Uhr Telegramm an Paula u. Elisabeth – Reisevorbereitung – 18.45 Uhr zum Anhalter Bhf. 20.20 Uhr nach Frankfurt/M., planmäßig an 4.34 Uhr
Willi Leisner am 14. Februar 1943 im Taschenkalender:
5.00 Uhr in Fft. Paula an der Bahn, Frühstück, schlafen. […] Elisabeth abgeholt […] 21.45 Uhr Elisabeth zur Tram gebracht
Willi Leisner am 20. Februar 1943 im Taschenkalender:
9.10 Uhr nach Fft. an 10.30 Uhr – zu Paula – 13.30 Uhr Essen mit Elisabeth – 14.30 Uhr Stadtbummel mit Elisabeth […] 18.00 Uhr fährt Elisabeth nach Höchst – zum Friseur – 19.00 Uhr mit Margret und Paula Abendessen – Lehrproben für Paula fertigmachen – 22.00 Uhr Falle
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 26. März 1943, an seine Familie in Kleve:
[Dank für] Willis und des ganzen Frankfurter Things Bericht[1] […] Grüße.
[1] Mutter Amalia Leisner aus Rheurdt am 26.2.1943 an Hanna Wieland in Niederlahnstein:
Vorige Woche hatte unser Willi dienstlich in Darmstadt und Wiesbaden zu tun, und trafen Willi, Paula und Elisabeth sich zu einigen gemütlichen Stunden in Frankfurt/M. Das war für die Kinder schön und wir freuten uns mit ihnen (Seeger/Latzel/Bockholt 2007: 422).
Maria Leisner
Maria Leisner aus Kleve am 4. November 1941 an Familie Magnus Weber in Alpseewies:
Im August waren meine jüngste Schwester [Elisabeth] und ich auf Fahrt. Mit dem Zug bis Frankfurt/M., wo wir unsere Schwester [Paula] besuchten.
Maria Leisner aus Kleve am 15. November 1942 an Familie Magnus Weber in Alpseewies:
Weiter ging es nach St. Goarshausen. Eine halbe Stunde zu Fuß, so kam ich zu dem Dörfchen Nochern, wo meine Schwester [Elisabeth] ihren Arbeitsdienst machen mußte. Ihre Freude war groß. Außer meiner Schwester [Paula], welche in Frankfurt/M. studiert, haben wir sie dort alle besucht. Meine Schwester bekam nämlich am gleichen Tag Urlaub, so konnten sie zusammen nach Hause kommen.
[…]
Sie sehen, daß ich mal wieder ein schönes Stück von der Welt gesehen habe.
Paula Leisner
Paula Leisners Kontakt zu Frankfurt manifestiert sich nur in den Briefen von Familie Leisner.
Karl Leisner aus Dachau Samstag, 25. Januar 1941, an seine Familie in Kleve:
Paula könnte bitte im nahen hessischen Kelsterbach Familie Wwe. Rektor Metzger besuchen und herzlichst von mir grüßen. Auf das Grab von Rektor Philipp Metzger[1], der die ganze Zeit mit mir in St. Blasien zusammen in Kur war und dann daheim an einer Operation starb, bitte ein kleines Sträußchen legen. K. [Kelsterbach] liegt nur fünf Kilometer von Frankfurt/M. weg, und könnte Paula mal einen feinen Nachmittag so verbringen.
[1] Rektor Philipp Metzger (* ?, † an einer Operation vor 1941 in Kelsterbach/Hessen) – Mitpatient von Karl Leisner in St. Blasien
Karl Leisner aus Dachau am Montag, 10. Februar 1941, an seine Familie in Kleve:
Paula wird ja vom Besuch bei Familie Metzger schreiben, und wie heißt ihre Adresse in Frankfurt/M.?[1]
[1] Paula Leisner wohnte in Frankfurt/M., Am Dammgraben 80, bei Familie Cyprian Koberstein.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 19. April 1941, an seine Familie in Kleve:
An Paula in Frankfurt/M. und Margret guten Gruß. Hoffentlich kann ich bald dort absteigen.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 12. Juli 1941, an seine Familie in Kleve:
Wenn Ihr beiden [Maria und Elisabeth] nach Freiburg/Br. „jöckt“ [fahrt], an Paula und Maus [Margret] in Frankfurt/M. und an sell [die] Rubys[1] und alle Bekannten herzliche Grüße. Schreibt mal alles von da!
[1] Eheleute Dr. rer. pol. Joseph Ruby (* 1885) (Versicherungskaufmann) u. Elisabeth Ruby, geb. Poensgen (* 25.12.1884) – Heirat 2.2.1912 in Berlin – 12 Kinder: 8 Jungen u. 4 Mädchen – 6 der Jungen studierten Theologie. Familie Ruby war Karl Leisners zweite Gastfamilie während seiner Außensemester in Freiburg/Br. Er verliebte sich in deren Tochter Elisabeth.
Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am 10. Mai 1942 an Hanna Wieland in Niederlahnstein:
Heute in acht Tagen wird unser zweiter Sohn [Willi] von Berlin nach Frankfurt/M. fahren, wo er unsere Tochter Paula besuchen wird. Von dort fährt er zu unserer Jüngsten [Elisabeth], die seit drei Wochen im RAD in Nochern, Kreis St. Goarshausen weilt.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 31. Juli 1943 an seine Familie in Kleve:
Auch die feinen Pakete aus Goch, Frankfurt/M. und von Euch daheim habe ich mit Dank empfangen.
[…]
Und der feine Frankfurter Kuchen von Elisabeth. Einfach herrlich. Der war mit Herz gebacken. Dank Dir, Du liebe Schwester.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 18. September 1943 an seine Familie in Kleve:
Am Vorabend vom 12. kam Dein köstliches süßes Päckchen, Paula. Aber prima! Das Bildchen im Vorfrühlingsgarten hat mir gefallen. Du hast Dir eine nette Wirtin ausgesucht. Ihr beide lacht so sonnig, ich hab’ mitlachen müssen. Ich danke Dir sehr für Deinen zuckersüßen Junggesellinnengruß, mein liebes Päuleken. Aber daß Du mir ja nicht Kohldampf schiebst. Ich freu’ mich, wenn ich bei Dir [auf der Rückfahrt von Dachau nach Kleve] Halbzeit machen kann. Hoffentlich bald.
Willi Leisner aus Berlin am Montag, 15. November 1943, Fotokarte „Kleve – die Lohengrinstadt – Luftkurort“, an Franziska Sauer[1] in Würzburg, Dietrich Eckartstr. 29:
Meinen besten Dank möchte ich Ihnen für Ihren lieben Brief vom 9.11. sagen. Vielleicht können wir in der nächsten Woche einmal persönlich weiter plaudern. Denn ich muß in die Gegend von Wiesbaden und wenn es mir möglich ist, will ich einen Abstecher am 20/21 oder 27/28 [November] nach Würzburg machen. Wie sind die Übernachtungsmöglichkeiten in den dortigen Hotels? Klappt das ohne Vorbestellung? […] Berichten Sie mir doch bitte hierüber bis zum 20.11. an die Anschrift meiner Schwester: Paula Leisner, Frankfurt/M., Am Dammgraben 80. Telegrafisch würde ich Sie vom genauen Eintreffen in Würzburg unterrichten. Recht frohen Gruß
Willi Leisner
[1] Franziska (Fränzl) Leisner, geb. Sauer (* 25.9.1918 in Hafenlohr am Main, † 20.8.2011 in Berlin) – Heirat in der Stiftskirche in Kleve mit Willi Leisner 19.7.1944
Willi Leisner am 16./17. November 1943 im Taschenkalender:
20.50 Uhr [von Berlin] über Kassel – Gießen nach Fft. 6.36 Uhr – 6.50 Uhr Ankunft – 7.30 Uhr bei Paula – Frühstück – 10.00 bis 12.00 Uhr Stadtbummel
Franziska Sauer aus Würzburg am Donnerstag, 18. November 1943, „Korn-Künstlerkarte“, an Willi Leisner z. Zt. b. Frl. Paula Leisner, Frankfurt/M., Dammgraben 80:
Grüß Gott, Herr Leisner!
Herzlichen Dank für Ihren Kartengruß. Leider sind die Hotels belegt. Sie können aber doch ohne Sorge nach hier fahren, da Sie bei einer guten Bekannten von mir ein Privatquartier erhalten.
[…]
Ihnen und Ihrer Schwester sendet frohe Grüße
Franziska Sauer
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 27. November 1943 an seine Familie in Kleve:
Morgen beginnt der Advent. Ich wünsche Euch daheim und unsern lieben beiden Filialen[, Willi in Berlin und Paula in Frankfurt/M.,] recht viel stille, gnadenreiche Stunden.
Willi Leisner aus Kleve am Mittwoch, 22. Dezember 1943 an Franziska Sauer in Rothenbuch:
Hoffentlich erreichen Dich bis zum Weihnachtsfest das Päckchen, das Dir meine Schwester Paula aus Frankfurt/M. zusandte[1] und mein Päckchen aus Berlin. Dann begehe recht festlich nach den Tagen der adventlichen Vorfreude diese hohen Tage.
[1] In dem Päckchen befand sich ein Liederbuch mit dem Eintrag „Weihnachten 1943 durch Paula von Willi“.
Walcha, Helmut
Deutsche Weihnachtslieder. Zweistimmig gesetzt, Leipzig: Inselverlag 1937
Maria Leisner aus Kleve am 25. Dezember 1943 an Familie Magnus Weber in Alpseewies:
Daß die anderen (Willi aus Berlin, meine Schwester [Paula] aus Frankfurt/M.) gesund heimgekommen sind nach all den [Bomben-]Angriffen, darob sind wir besonders froh und dem Herrgott recht dankbar.
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Mittwoch, 12. Januar 1944, an seine Verwandten:
Paula hat sich bei dem Direktor der Gocher Berufsschule [Emil Brökelschen[1]] vorgestellt und wird wahrscheinlich ab Mai nach Goch übersiedeln.[2] So ungern sie von Frankfurt/M. scheidet, so gern will sie doch in dieser kritischen Zeit in unserer Nähe sein.
[1] Emil Brökelschen (* 18.4.1880, † 2.9.1962) – Goch, Cleverstr. 14 – Lehrer – zuletzt Direktor an der Berufs- und Handelsschule in Goch
[2] Von Mai 1944 bis Juni 1945 war Paula Leisner als Gewerbelehrerin an der Berufs- und Handelsschule in Goch tätig.
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Mittwoch, 19. Januar 1944, an seine Kinder:
Am vergangenen Sonntag [16.1.] bekam sie [Tante Julchen[1]] Bohnenkaffee, den Du, liebe Paula, direkt nach Deiner Ankunft in Frankfurt/M. abgesandt hattest und der schon Samstag in Goch eintraf. Tante Julchen schmeckte sofort den guten Kaffee und sagte mit schwacher Stimme: „Bohnen“[2]. […] Du und Willi habt mit Eurem Bohnenkaffee den Vogel abgeschossen, denn Karl schrieb ja auch, daß er sich über Willis Päckchen am meisten gefreut habe. Das „Kostgeld“ ist auch schon angekommen und da es so reichlich bemessen wurde, habe ich keine Bedenken mehr, daß Du, liebe Paula, Dich nach Goch meldest. Komme nur möglichst bald, bevor die bösen Tommys[3] ihre Invasion versuchen, damit wenigstens eine mehr in unserer Nähe ist.
[1] Juliane (Julchen) Leisner (* 25.5.1876 in Mülheim an der Ruhr, † 22.1.1944 in Goch) – Goch, Klever Str. 182/167 – Sie führte ihrer Schwester Maria, Lehrerin, den Haushalt. Zeitweise lebte der Bruder Friedrich (Fritz) bei seinen Schwestern, während des Krieges auch der Bruder Johannes (Hans).
[2] Im Gegensatz zum Malzkaffee: auch Muckefuck genannt – Ersatzkaffee aus gebrannter Gerste, Roggen od. Weizen
[3] damals weit verbreitete Bezeichnung für britische Soldaten
Willi Leisner aus Berlin am Montag, 31. Januar 1944, an Franziska Sauer im Spessart:
Meine Schwester Paula versucht zur Zeit ab Ostern in Goch als Gewerbelehrerin anzukommen. Vielleicht kann sie so die alte Tradition [ihrer Tante Maria Leisner[1]] fortsetzen. Hoffentlich hat sie [gestern] den Frankfurter Tagesangriff gut überstanden.[2]
[1] Maria Leisner (* 23.5.1884 in Oppum, † 25.1.1944 in Goch) – Goch, Klever Str. 182/167 – Lehrerin an der Steintorschule in Goch
[2] In Frankfurt/M. war das Kriegsgeschehen laut Berichten des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) besonders heftig.
OKW-Bericht vom 30.1.1944:
Nordamerikanische Bomberverbände führten am 29. Januar einen Terrorangriff gegen die Stadt Frankfurt/Main. Durch Abwurf zahlreicher Minen, Spreng- und Brandbomben wurden schwere Schäden und Brände in mehreren Stadtteilen, insbesondere in der Innenstadt, verursacht und unersetzliche Kulturdenkmäler vernichtet. Die Bevölkerung hatte Verluste (Die Berichte des Oberkommandos der Wehrmacht 1939–1945. 5 Bde., München 2004 Bd. V: 34 [zit. OKW 2004 Bd.]).
Willi Leisner aus Berlin am 3.2.1944 an Franziska Sauer im Spessart:
Paula hat bei dem Angriff am Tage auf Frankfurt/M. großes Glück gehabt. Sie war nämlich an dem Samstag [29.1.1944] garnicht da, sondern zur Beerdigung meiner lieben Patentante in Goch.
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 4. Februar 1944, an seine Familie in Kleve:
Es freut mich, daß es allen Lieben in Berlin [Willi], Frankfurt/M. [Paula], Neuß[1] bei den Angriffen so gnädig geht. Ich halte fest mit Däumchen.
[1] Wohnort vieler Mitglieder der mit Familie Wilhelm Leisner verwandten Familie Falkenstein
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Donnerstag, 10. Februar 1944, an seine Kinder und Verwandten:
Liebe Kinder, liebe Dortmunder!
Vorerst freuen wir uns, daß Euch der Herrgott bisher glücklich aus den großen [Bomben-]Angriffen heil herausgebracht hat; heute bekamen wir Deine liebe Karte, Paula, auf der Du kurz vermerktest, daß Du eben [in Frankfurt/M.] aus dem Keller gekrochen seiest und die Bomben gegenüber auf dem Bahngeleise gelegen hätten.[1] Danken und weiter beten und immer bereit sein, dann komme, was kommen mag.
[…]
Und mit Dir, liebe Paula, gingen wir in Frankfurt/M. zur Bahn und begleiteten die alte Kollegin in den Zug, die Euch beide [Paula und Margret] als Dank für Eure treue Hilfe bei dem Bombardement mit dem Vornamen titulierte. Wir sahen im Geiste die alte Schraube und haben herzlich mitgelacht.
[…]
und zum Schluß herzliche Grüße für Euch alle einschließlich Fränzl, Kobersteins, Monikaheim etc. von Eurem Euchliebenden Vater
[1] OKW-Bericht vom 5.2.1944:
Durch wahllosen Bombenabwurf entstanden besonders in Wohngebieten der Stadt Frankfurt/Main Schäden (OKW 2004 Bd. V: 44).
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Mittwoch, 16. Februar 1944, an seine Kinder:
Und Du, liebes Päuleken, hast im tiefen Keller nicht einmal gemerkt, daß am 12. ein Großangriff auf Fr. war, während wir uns hier um Dich sorgten.[1] Laß Dich nur bald beurlauben und trete Deinen Dienst in Goch an; hast Du überhaupt schon was von Brökelschen gehört? Wir wären ja doch froh, wenn wir wenigstens eine mehr um uns und aus der größeren Gefahr hätten.
[1] OKW-Bericht vom 12.2.1944:
Durch planlosen Bombenabwurf entstanden besonders in Wohngebieten der Städte Frankfurt/Main und Ludwigshafen Schäden und Verluste unter der Bevölkerung (OKW 2004 Bd. V: 51).
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 19. Februar 1944, an seine Familie in Kleve:
An Willi und Paula [in Berlin und Frankfurt/M.] heißt mich der OKW-Bericht häufig denken.[1]
[1] OKW-Bericht vom 6.2.1944:
Feindliche Störflugzeuge warfen in der vergangenen Nacht Bomben im Ruhrgebiet und im Raum von Berlin (OKW 2004 Bd. V: 45).
OKW-Bericht vom 9.2.1944:
[…] insbesondere wurden Wohngebiete der Stadt Frankfurt/Main schwer getroffen. Die Bevölkerung hatte Verluste (OKW 2004 Bd. V: 48).
OKW-Bericht vom 16.2.1944:
Britische Flugzeuge führten in der vergangenen Nacht erneut einen Terrorangriff auf die Reichshauptstadt. Sie warfen bei bedecktem Himmel auf verschiedene Stadtteile eine große Anzahl von Spreng- und Brandbomben, die Schäden in Wohnvierteln, an Kulturbauten, Kirchen und Krankenhäusern verursachten. Die Bevölkerung hatte Verluste (OKW 2004 Bd. V: 55).
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Montag, 6. März 1944, an seine Kinder:
Nun ja, wir haben ihr [Margret Schönzeler] sagen können, daß unser Willi und seine Franziska sich sehr lieb gewonnen haben, und daß unsere Paula wohl Fischblut in ihren Adern habe, da sie trotz allem Zuschauen keinen Geschmack an die Liebelei bekäme. Da wurde natürlich das Nachtlager von Granada in Frankfurt/M. erwähnt, wo Du, arme Paula, nicht schlafen durftest, damit die anderen brav blieben.[1]
[1] Anspielung auf die Übernachtung von Fränzl und Willi während eines Besuches bei Paula in Frankfurt.
„Das Nachtlager in Granada“ ist eine romantische Oper in zwei Akten von Conradin Kreutzer (1780–1849). Das Libretto stammt von Karl Johann Braun Ritter von Braunthal (1802–1866), nach dem Schauspiel „Das Nachtlager von Granada“ (1818) von Johann Friedrich Kind (1768–1843).
Karl Leisner aus Dachau am Donnerstag, 16. März 1944, an seine Familie in Kleve:
Gestern kam Paulas Frankfurter Kuchenpaket an. Danke, Du liebe Schwester!
[…]
Behüt’ Dich Gott, daß Du[, Willi,] Deine liebe Fränzl bald freien und danach an den Altar führen kannst. Ich freue mich mit Dir, daß Ihr Euch mit Paula in Würzburg treffen konntet.
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Montag, 17. April 1944, an seine Kinder und Verwandten:
Die schöne Fahrt in den Spessart – Ostern 1944 – [anläßlich Willis und Fränzls Verlobung] wird für uns unvergeßlich bleiben und würde ich es tief bereut haben, wenn ich zu Hause geblieben wäre.
[…]
Etwas Unruhe hatten wir um Euch, lieber Willi, Fränzl und Paula, die Ihr ja morgens früh zu Fuß um 4.00 Uhr nach Heigenbrücken gegangen wart. So fuhren wir denn mit einem Personenzug nach Gemünden und von dort ging es über Jossa, Elm, Bad Orb, Gelnhausen, Hanau nach Frankfurt/M. In Hanau gab es Vollalarm und als wir im Frankfurter Bahnhof standen, sahen wir am Himmel viele Kondensstreifen und hörten die Flak. Froh waren wir, als der Zug nach zehn Minuten den Hauptbahnhof verließ und wir in Richtung Wiesbaden weiterfuhren.
Während eines Besuches bei seiner Tochter Paula in Frankfurt erwarb Vater Wilhelm Leisner dort zwei vor März 1944 gemalte Aquarelle. Sie fanden ihren Platz im Wohnzimmer von Familie Wilhelm Leisner in Kleve, Flandrische Straße 11.
v.l. Willi, Paula und Maria Leisner – im Hintergrund die Aquarelle
Heute hängen die Bilder in Frankfurt bei Familie Niestroj[1].
[1] Klaus u. Hildegard Maria Niestroj, geb. Leisner, (* 30.4.1947 in Berlin-Schmargendorf) – Tochter von Franziska u. Willi Leisner
Paula Leisner kam am Samstag, dem 6. Mai 1944, nach bestandenem Examen aus Frankfurt/M. zurück nach Kleve.[1]
[1] Paula Leisner aus Kleve am 12.5.1944 an Franziska Sauer im Spessart:
Seit Samstag bin ich wieder daheim und kultiviere mich bzw. werde ich kultiviert. Mit einem dick bepackten Rucksack und einer Kiste kam ich in Kleve an, so daß meine jüngste Schwester [Elisabeth] sich schämte, mit mir über die Straße zu gehen. Wir sind dann durch die stillsten Gäßchen gelaufen.
Maria Leisner aus Kleve am 13.5.1944 an Franziska Sauer im Spessart:
Paula brachte ja erst schrecklich viel Dreck und Unordnung von Frankfurt/M. mit, das hat sich jetzt aber „gelegt“.
Sammelbrief von Familie Wilhelm Leisner am Donnerstag, 12. Oktober 1944 und Freitag, 13. Oktober 1944, an Karl Leisner:
Mein lieber Bruder Karl!
Dein letzter Brief machte uns recht froh. Wir beten alle jetzt besonders füreinander, gelt! Viele Angriffe erlebte ich in Frankfurt/M. mit, aber so etwas Dolles [wie in Kleve am 7. Oktober[1]] noch nicht.
[…]
Deine Paula
[1] Dieser Tag war ein Tag des Schreckens für die Stadt Kleve. Gegen 13.40 Uhr zerstörten 335 englische Bomber innerhalb von 30 Minuten 80% der Bebauung. 1728 Tonnen Spreng- und 90 Zentner Brandbomben gingen auf den Kern der Stadt nieder. Dabei fanden 649 Menschen unter den Trümmern den Tod.
Elisabeth Leisner
Amalia Leisner aus Kleve am Sonntag, 18. Oktober 1942, an Heinrich Tenhumberg[1] als Soldat:
Unsere jüngste Tochter Elisabeth war in Nochern Kreis St. Goarshausen im RAD und mein Mann besucht sie gerade. Zum 27.10. kommt sie in den Kriegshilfsdienst nach Höchst bei Frankfurt/M. zu den IG-Farben. Die Mädels fliegen heute in der Weltgeschichte herum. Aber auch da sind sie in Gottes Hand. Schön ist, daß unsere Paula, die ihr letztes Semester für Gewerbelehrerin in Frankfurt/M. macht, dann in ihrer Nähe ist und sie sich gegenseitig treffen können und Halt aneinander haben.
[1] Bischof Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Bischofsweihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bischof von Münster 7.7.1969 bis 16.9.1979
Maria Leisner aus Kleve am Sonntag, 15. November 1942, an Familie Magnus Weber in Alpseewies:
Jetzt ist die Jüngste (welche im RAD war) in Frankfurt/Höchst, dort muß sie bei den IG Farben ihren Kriegshilfsdienst machen. Sie wohnt in Bad Soden. Sie wird sich demnächst mit der anderen Schwester in Frankfurt/M. treffen können.
Maria Leisner am 20. Januar 1943 an Familie Magnus Weber:
Wir haben das Christfest in echter christlicher Freude feiern können. In Abständen von je zwei Tagen kamen meine Geschwister heim. Das war schon eine große Vorfreude. Mein Bruder Willi kam aus Berlin als erster [am 20.12.], es folgten dann meine Schwester Paula [am 22.12.], die in Frankfurt/M. ist, und Elisabeth, die Jüngste [am 24.12.], welche im Kriegshilfsdienst bei Frankfurt ist.
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 18. Juni 1943, an seine Familie in Kleve:
Ihr beiden feschen Frankfurterinnen[1], ich danke für Euer köstliches Schwesternpaket. Der Kuchen, Lisken, war primissima. Auch den Wirtinnen und Kolleginnen [von Paula] meinen Dank.
[1] Elisabeth Leisner hatte am 3.5.1943 ihr Praktikum in der Küche des Monikaheimes in Frankfurt/M. begonnen.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 17. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
Wenn Paula und Elisabeth mal von Frankfurt/M. einen Sonntagsausflug ins schöne Rheintal machen und über Vallendar [Schönstatt] kommen, mögen sie Klein-Arkenau[1] und P. Ferdinand Kastner[2] dort recht herzlich und dankbar grüßen.
[1] Schönstattpriester Rektor Rudolf Klein-Arkenau (* 12.6.1895 in Brokstreek bei Essen i. O., † 7.6.1963 in Koblenz) – Priesterweihe 26.5.1923 in Münster – Er hat bei Familie Wilhelm Leisner 1944 und 1945 Besuche gemacht.
[2] Pater Dr. theol. Ferdinand Kastner SAC (* 21.6.1896, † 14.12.1962) – Eintritt bei den Pallottinern – Priesterweihe 14.6.1924
Willi Leisner am Donnerstag, 29. Juli 1943 im Taschenkalender:
19.33 Uhr Anhalter Bhf. Elisabeth aus Fft. kommend abgeholt[1]
[1] Elisabeth Leisner besuchte nach Beendigung ihres Praktikums im Monikaheim vom 29.7.1943 bis zum 27.8.1943 ihren Bruder Willi in Berlin. Anschließend fuhren beide gemeinsam nach Kleve, wo Willi Leisner bis zum 13.9.1943 blieb.
Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 5. September 1943, an seine Familie in Kleve:
In Berlin und Frankfurt/M. war also wieder herrliches Filialleben für einige Zeit. Davon mußt Du, Elisabeth, mir noch etwas mehr erzählen.
Elisabeth Haas:
Paula und ich „trampten“ an diesem Morgen schon früh [von Planegg] in Richtung Frankfurt/M. […] Wir beide erreichten am Abend des 15. [August 1945] Frankfurt am Main und übernachteten bei Schwestern im Monikaheim, die wir von Praktika unserer Ausbildung her kannten. Am 16.8. stellten wir uns wieder an die Straße und erreichten am späten Abend Vater in Kleve, dem wir Karls Tod und die Überführung seines Leichnams mitteilen konnten.[1]
[1] Haas, Elisabeth: Dokumentation vom 30. Januar 1991, (Manuskript): 6–8