Diesen Satz schrieb Heinrich Himmler am 20. Juli 1941 an seine Frau Margarete, die einige Tage später ihre Fahrt nach Dachau in die von ihr als „Zaubergarten“ bezeichnete Plantage ankündigte.
Heinrich Himmler (* 7.10.1900 in München, † Suizid 23.5.1945 in einem britischen Gefangenenlager in Lüneburg) – bereits in den 1920er Jahren im Dunstkreis von Adolf Hitler – Reichsführer der SS als Unterabteilung der SA 6.1.1929 – Aufbau u. Leitung des KZ Dachau 1933 – Adolf Hitler unmittelbar unterstellt als Reichsführer-SS Juli 1934 – Ernennung zum „Chef der Deutschen Polizei“ u. somit Herr über den gesamten nationalsozialistischen Unterdrückungs- und Terrorapparat 17.6.1936 – mit Reinhard Heydrich Errichtung des Systems der Konzentrations- und Vernichtungslager u. entscheidender Organisator der millionenfachen Massenmorde an den Juden – Reichsinnenminister 1943 – nach Kapitulationsangebot an die Westalliierten Enthebung aller Ämter durch Adolf Hitler 29.4.1945 – unter falschem Namen in britischer Gefangenschaft
Die F.A.Z. vom 13. Januar 2014 weist auf die Veröffentlichung von Heinrich Himmlers Taschenkalender von 1940 unter dem Titel „Püppi, Mami, Mutti und der Führer“ hin:
Markus Moors / Moritz Pfeiffer (Hg.): Heinrich Himmlers Taschenkalender 1940. Kommentierte Edition, Paderborn 2013
Die F.A.Z. vom 3. Februar 2014 weist unter dem Titel „Zwei Führer privat – Himmlers Brief und Rosenbergs Tagebücher“ auf zwei neue Veröffentlichungen hin.
Zu Alfred Rosenberg siehe übermorgen Aktuelles vom 3. April 2014.
Die Welt vom 27. Januar 2014 brachte einen Artikel mit dem Titel „Himmlers Briefe – ‚Es wird sich alles doch noch zum Guten wenden’ – Von keinem anderen Mitglied der NS-Spitze sind bisher so viele private Dokumente aufgetaucht wie jetzt von Heinrich Himmler – spektakulär ist sein Abschiedsbrief an die Familie im April 1945“ und am 30. Januar 2014 eine Fortsetzung unter dem Titel „Alltag des Schreibtischtäters“.
Heinrich Himmler beeinflußte Karl Leisner angefangen mit der Behinderung in der Jugendarbeit bis hin zum Sterben nach jahrelanger KZ-Haft.
Bernd Börger:
Polizeiverordnung des stellvertretenden Chefs der Preußischen Geheimen Staatspolizei [Heinrich Himmler] über die Betätigung der konfessionellen Jugendverbände, durch Mitteilung an sämtliche Generalstaats- und Oberstaatsanwälte auf das ganze Reich ausgedehnt.[1]
[1] Börger, Bernd: Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutschlands, Düsseldorf 1990: 274
Polizeiverordnung gegen die konfessionellen Jugendverbände:
Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I, S. 83) in Verbindung mit § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931 (Preußische Gesetzessammlung Seite 77) wird für Preußen folgende Verordnung erlassen:
§ 1 Allen konfessionellen Jugendverbänden, auch für den Einzelfall gebildeten, ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiöser Art ist, insbesondere eine solche politischer, sportlicher und volkssportlicher Art untersagt.
§ 2 Für die konfessionellen Jugendverbände und ihre männlichen und weiblichen Angehörigen, einschließlich der sogenannten Pfarrjugend, gelten folgende Bestimmungen. Es ist verboten:
1. Das Tragen von Uniformen (Bundestracht, Kluft usw.), uniformähnlicher Kleidung und Uniformstücken, die auf die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband schließen lassen. Hierunter fällt auch das Tragen von Uniformen oder zur Uniform gehöriger Teilstücke unter Verdeckung durch Zivilkleidungsstücke (z. B. Mäntel) sowie jede sonstige einheitliche Kleidung, die als Ersatz für die bisherige Uniform anzusehen ist.
2. Das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband kenntlich machen (PX[XP]-DJK-Abzeichen pp.).
3. Das geschlossene Aufmarschieren, Wandern und Zelten in der Öffentlichkeit, ferner die Unterhaltung eigener Musik- und Spielmannszüge.
4. Das öffentliche Mitführen oder Zeigen von Bannern, Fahnen und Wimpeln, ausgenommen bei Teilnahme an althergebrachten Prozessionen, Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern sowie Begräbnissen.
5. Jegliche Ausübung und Anleitung zu Sport und Wehrsport aller Art.
§ 3 Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, oder wer zu einer solchen Zuwiderhandlung auffordert oder anreizt, wird gemäß §§ 33, 55, 56 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juli 1931 (Gesetzessammlung S. 77) mit Zwangsgeld oder Zwangshaft bestraft. Unerlaubt getragene Uniformstücke oder Abzeichen, unerlaubt mitgeführte Banner, Fahnen oder Wimpel sind einzuziehen.
Berlin, den 23. Juli 1935. Der Preußische Ministerpräsident – Chef der Geheimen Staatspolizei [Hermann Göring] – Für den stellvertretenden Chef und Inspektor [Reinhard] Heydrich.[1]
[1] Müller, Hans: Katholische Kirche und Nationalsozialismus, München 1965: 336f., s. auch: Neuhäusler, Johannes: Wie war das in Dachau? Ein Versuch, der Wahrheit näher zu kommen, München 71968: 183f.
Bernd Börger:
Mai [1937]
Reichsführer[-SS Heinrich Himmler] erläßt Anordnungen über Urlaubsgewährung für kirchliche Veranstaltungen.
Erneuerung des Verbots der Doppelmitgliedschaft in HJ und konfessionellen Verbänden.[1]
[1] Börger 1990: 276
Bernd Börger:
Ab Mai [1937]
Einrichtung Bischöflicher Jugendämter.[1]
[1] ebd.
Bernd Börger:
26. Januar [1939]
Auflösungsanordnung: Der KJMVD wird aufgelöst, das Jugendhaus Düsseldorf geschlossen; der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei [Heinrich Himmler] beruft sich dabei auf § 1 der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 – wie zuvor auch bei der Auflösung der Diözesanverbände.[1]
[1] Börger 1990: 277
Christian Frieling:
Am 2. April [1933] unterstellte Heinrich Himmler das Konzentrationslager Dachau seinem persönlichen Kommando. Die bisher von der Polizei gestellten Wachmannschaften wurden von der politischen Hilfspolizei abgelöst, damit übernahm de facto die SS das Lager. Zwar blieb die offizielle Führung des Lagers in Händen der Polizei, die auch für die Schulung der SS-Mannschaften zuständig war, doch die tatsächlichen Umstrukturierungen hatten für die Häftlinge beträchtliche Folgen:
Das Kommando über das Häftlingslager lag in den Händen der SS. Lagerkommandant wurde der SS-Sturmhauptführer Hilmar Wäckerle. Der ehemalige Diplom-Landwirt begann mit der Errichtung des Dachauer Terrorregimes.[1]
[1] Frieling, Christian: Priester aus dem Bistum Münster im KZ, 38 Biographien, Münster,21993: 12f.
Aus Sicht der Gestapo war klar, daß das Gefängnis in Mannheim für Karl Leisner nur eine Durchgangsstation war, denn es handelte sich nicht um eine Freiheitsstrafe, sondern um Schutzhaft.
Die Gestapo in Karlsruhe teilte am 17. Oktober 1940 der Gestapo in Düsseldorf, wo seit 1936 eine Akte über Karl Leisner geführt wurde, mit:
Mit Erlass vom 15. Februar 1940 – IV C 2 – Haft. Nr. L 3472 teilte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin mit, dass der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern [Heinrich Himmler] gegen Leisner Schutzhaft auf längere Zeit und seine Unterbringung im Konzentrationslager Sachsenhausen angeordnet hat.
Karl Leisner „profitiert“ vom Besuch Heinrich Himmlers im KZ Dachau.
Heinrich Himmler im KZ Dachau
Im Januar 1941 änderte sich die Situation der Priesterhäftlinge durch die Einrichtung einer Lagerkapelle auf Block 26. Vermutlich sollte sie wie im KZ Sachsenhausen bereits im August 1940 geschaffen werden, wurde aber erst auf Grund des angekündigten Besuches von Heinrich Himmler realisiert. Sie wurde zum Schaustück der Lagerleitung für Besucher des KZ.
P. Johann Lenz:
Ein ähnlicher Befehl [wie im KZ Sachsenhausen] muß wohl seit Anfang August 1940 schon dagewesen sein. Am 5. August 1940 wurde nämlich in Sachsenhausen schon die erste heilige Messe gefeiert. Wir [Priester] aber in Dachau kamen noch bis zum Dezember [1940] in die Strafkompanie.[1]
[1] Lenz, Johann: Christus in Dachau oder Christus der Sieger. Ein religiöses Volksbuch und ein kirchengeschichtliches Zeugnis (mit 100 Bildern). Für Priester und Volk, Wien 61957: 79
P. Hugo Montwe OFMCap:
Schon lange sollte eine Kapelle kommen und sie war auch von Berlin befohlen. Aber [die Lagerführer Franz] Hofmann und [Egon] Zill wehrten sich dagegen, solange es ging. Als dann im Januar 1941 Himmler gemeldet wurde, war die Kapelle in einigen Stunden fertig.[1]
[1] Montwe, Hugo: Erinnerungen an Dachau [1945 aufgeschrieben]. In: Assisi Glöcklein. Familiennachrichten der Rhein.-Westfäl. Kapuzinerprovinz Nr. 29–40 (1952–54) 1945 VIII: 28
Besuch Heinrich Himmlers im KZ Dachau am 21. Januar 1941
v. r.: Lagerführer Egon Zill, Lagerkommandant Alex Piorkowsky, Heinrich Himmler
Hans Carls:
Auf Block 26 gab es seit 1941 einen Gottesdienstraum. Dieser mußte damals auf Befehl Himmlers plötzlich in ein paar Tagen eingerichtet werden.[1]
[1] Hans Carls in: Stimmen von Dachau, 15. Dezember 1947 – Nr. 12: 43
Joseph Buchkremer:
Zentrum und Symbol dieses christlichen Europa war die „Kapelle“ in unserer Priesterbaracke Block 26, ein Raum, der [gegen Ende der Lagerzeit] tagsüber als Arbeitsraum benutzt wurde – eine wohl einmalige Stätte inmitten einer „Hölle“. Papst Pius XII. hatte diese Möglichkeit erwirkt, und man hatte sie gewährt, auch um ein Alibi zu haben: Internationale Kommissionen, die das Lager besichtigen wollten, wurden immer auch in diesen Raum geführt als Beweis der „Humanität“.[1]
[1] Buchkremer, Joseph: Dachauer Geistliche und christliches Europa. In: Internationale katholische Zeitschrift, März/April 1977: 187
Die „Kapelle“ war durch Stacheldraht vom übrigen Lager eigens abgezäunt und wurde durch die SS und einflußreiche Personen aus den Kreisen der Häftlinge überwacht. Die SS suchte nach Vorwänden, die Kapelle rechtmäßig zu schließen und aus dem Lager zu entfernen. Dabei ging ihnen ein großer Teil der Häftlinge bereitwillig zur Hand.
Lagerkapelle im Advent 1944[1]
[1] Farbzeichnung vermutlich von Br. Raphael Tijhuis OCarm im KZ Dachau für eine Gratulationskarte zu Karl Leisners Priesterweihe
Gottesdienst auf Block 26 zu Ostern am 1. April 1945[1]
links vorn im Bild (mit dickem weißen Kreuz) P. Gregor Schwake OSB am Harmonium
[1] Dieses Datum bestätigte Heinz Dresbach in seinem Brief vom 23.11.1977 an Heinrich Kleinen.
Samstag, 14. März 1942
Vater Wilhelm Leisner aus Kleve an Heinrich Himmler in Berlin:
Bitte des Justizoberinspektors W. Leisner um Entlassung seines Sohnes Karl aus dem KZ Dachau 3K Gef. No. 22356 Block 26/3 (Erlaß des Reichssicherheits[haupt]amtes vom 15.2.1940)
Kleve, (N’Rhein [Niederrhein]) Flandrische Straße 11, den 14. März 1942
An den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Herrn Reichsminister Himmler in Berlin
Am 22.9.1940 richteten meine Frau, am 9.4.1941 ich Entlassungsgesuche an die Geheime Staatspolizei, die ich in Abschrift beifüge. Nachdem nun mein Sohn fast drei Jahre von uns getrennt ist, davon vier Monate in Schutzhaft und in diesem Monat zwei Jahre im KZ, richte ich meine Bitte an Sie, sehr geehrter Herr Reichsminister. Helfen Sie mir doch bitte. Als Reserveoffizier des bayr. Infanterie-Leib-Regiments fällt es mir sicher schwer, mich in einer derartigen Angelegenheit an Sie zu wenden. Aber der dauernde Schmerz einer leidenden Mutter macht auch den Stärksten mürbe.
So hoffe ich, daß Sie, hochverehrter Herr Reichsminister, die Schuld meines Sohnes als gesühnt ansehen und ihn uns zurückgeben. Und ich verspreche Ihnen, daß meinen Sohn der Teufel holt, wenn er sich irgendwie mucksen sollte. Dafür stehe ich persönlich ein.
Ich selbst bin seit 1928 Schriftführer und Kassenwart der Gardekameradschaft [des Gardevereins in Kleve]; ich schreibe das sicher nicht, um mich zu rühmen, will damit aber sagen, daß ich als Offizier meine Pflicht tue gerade an solchen Stellen, zu denen sich keiner drängt.
Machen Sie, hochverehrter Herr Reichsminister, eine Mutter von fünf Kindern und machen Sie auch mich wieder glücklich; darum bitte ich herzlichst.
Heil Hitler! W. Leisner
Willi Leisner im Taschenkalender:
6. August 1942[1]
Vormittags zur Wrangelstraße 6/7, um Inspektor [Theodor] Krumrey aufzusuchen: Nach Anmeldung, Aufenthalt im Warteraum, Vorraum des Aktenarchivs und Vorzimmer gelangte ich zu Inspektor Krumrey. Er hatte die Akte Karls bereits auf dem Schreibtisch. Erste Frage: „Woher wissen Sie meinen Namen?“ Nach kurzer Überlegung: „Bin von der Prinz-Albrecht-Straße hierher geschickt.“ Zweite Frage: „Was wollen Sie?“ Da Karl im KZ Dachau krank sei, wolle die Familie ein Gesuch zu einer Heilbehandlung stellen, um seine Wehrfähigkeit zu erreichen. (Dies war bei unserer Einstellung nur ein vorgeschobenes Argument.) Wir wüßten ferner nicht, warum unser Bruder im KZ sei. Inspektor Krumrey: „Diese Pfaffen, schwarze Brut …“ (Schimpfkanonade). Ein Gesuch sei zwecklos. Den Fall habe sich Reichsführer-SS Himmler vorbehalten. Ein Gesuch an Himmler sei möglich.
Vater in Kleve stellte nach meinem Bericht ein Gesuch an Himmler.[2] Mündlich teilte die Gestapo-Leitstelle Kleve die Ablehnung des Gesuches mit.
[1] Gedächtnisprotokoll vom 25.5.1990 von Willi Leisner nach Taschenkalenderaufzeichnungen
[2] Das Gesuch existiert nicht mehr.
Willi Leisner aus Berlin am 2.4.1999 an Hans-Karl Seeger:
Nach meinen Besuchen bei der Gestapo hatte Vater ein Gesuch an Himmler geschickt, sicherlich ohne Durchschrift.
Hans Schwarz:
Ende 1942 erließ Heinrich Himmler durch seinen ihm direkt unterstellten Brigadeführer [Richard] Glücks, dem Generalinspekteur sämtlicher deutscher Konzentrationslager, den Befehl: „In sämtlichen deutschen Konzentrationslagern ist die Prügelstrafe durch Häftlinge anstelle der SS durchzuführen.“[1]
[1] Schwarz, Hans: Wir haben es nicht gewußt; über das KZ Dachau (Typoskript): o. S.
Offensichtlich hat Kommandant SS-Obersturmbannführer Martin Gottfried Weiß den Befehl im KZ Dachau nicht ausgeführt.
Mittwoch, 2. Dezember 1942
Vater Wilhelm Leisner an Heinrich Himmler:
Bitte des W. Leisner um Entlassung seines Sohnes Karl aus dem KZ Dachau 3K Gef. No 22356, Block 26/3. (Erlaß des Reichssicherungs- [haupt]amtes v. 15.2.1940[1])
Kleve, (N’rhein) Flandrische Straße 11, den 2. Dezember 1942
An den Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei Herrn Reichsminister Himmler in Berlin
Unter Bezugnahme auf meine bisherigen Gesuche[2] bitte ich, nachdem mein Sohn am 9. November nunmehr drei Jahre gebüßt hat, und das Weihnachtsfest vor der Türe steht, ihn uns wiederzuschenken.
Heil Hitler!
[2] s. z. B. Brief vom 14.3.1942
Sonntag, 16. April 1944
Vater Wilhelm Leisner an Heinrich Himmler:
Bitte des W. Leisner um Entlassung seines Sohnes Karl aus dem K.Z. Dachau 3K – Gef. No 22356 Block 26/3. (Erlaß des Reichssicherungshauptamtes v. 15.2.1940)
Kleve, N’Rhein, Flandrischestraße 11, den 16.4.1944
An den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Herrn Reichsminister Himmler in Berlin
Am 30.12.1943 sandte ich das folgende Gesuch ab; da ich darauf keinen Bescheid erhielt, nehme ich an, daß es bei Fliegerangriffen verlorenging.
Ich bitte, meinen Sohn Karl aus dem K. Z. zu entlassen. Ich verbürge mich dafür, daß er unter Zurücksetzung seines Berufes auf Kriegsdauer im Wirtschaftsprozeß eingespannt wird.
Mein Sohn ist über vier Jahre in Haft; er ist lungenkrank. Ev. bitte ich, ihn zur Wiederherstellung seiner Gesundheit auf meine Kosten in ein Sanatorium beurlauben zu wollen.
Heil Hitler! W. Leisner
Vermutlich ist die folgende Postkarte ohne Briefmarke und ohne Poststempel aus Berlin an Vater Wilhelm Leisner in Kleve die Antwort:
Der Staatsminister und Chef der Präsidialkanzlei Le 39/44 Gn
Berlin W8, Datum des Poststempels, Voßstraße 4
Ihre Eingabe ist hier eingegangen. Auf Anordnung des Führers ist sie dem Chef der Sicherheitspolizei und des S.D. [Heinrich Himmler], Berlin SW 11, Prinz- Albrecht-Str. 8,[1] zur Prüfung zugeleitet worden. Etwaige weitere Zuschriften in der Sache sind unmittelbar an diese Stelle zu richten.
Heil Hitler!
[1] Der eingerückte Passus ist in Maschinenschrift in den Vordruck eingefügt.
Entlassungen aus dem KZ Dachau
Heinrich Himmler ahnte den Niedergang Deutschlands. Mit den ersten Entlassungen von KZlern im März 1945 zeigten sich starke Veränderungen: Die Götterdämmerung des Dritten Reiches brach herein und die Morgenröte der Befreiung stieg auf.
P. Engelbert Monnerjahn ISch:
Um sich verhandlungswürdiger und zugleich den Vatikan für seine Absichten geneigter zu machen, entschloß er [Heinrich Himmler] sich im Januar 1945, als Zeichen seines guten Willens, eine Entlassungsaktion unter den Geistlichen in Dachau zu beginnen.[1]
[1] Monnerjahn, Engelbert: Häftling Nr. 29392. Der Gründer des Schönstattwerkes als Gefangener der Gestapo 1941–1945, Schönstatt-Vallendar 41984: 333
P. Johann Lenz:
Am 15. Februar [1945] mußte plötzlich eine Liste aller deutschen und österreichischen Geistlichen „samt Dienstgrad“ für Berlin zusammengestellt werden. Die Hoffnungen, die sich daran knüpften, sollten nach so vielen Enttäuschungen tatsächlich eine unerhörte Erfüllung bringen: die große Entlassung. Der Vatikan sollte durch diese Geste bewogen werden, der gefangenen SS in den Feindesländern Besserung ihrer Lage zu erwirken.
Zum erstenmal war eine Liste mit Dienstgrad verlangt worden. [Georg] Schelling, unser Blockschreiber, hatte sie nicht. Nun sollte er von 1500 Mann – und viele davon in Arbeit – innerhalb zweier Stunden alles feststellen. In diesem kritischen Augenblick konnte unser Kamerad Emil Thoma helfen[1]; er hatte sich längst schon heimlich eine solche Liste zusammengetragen.[2]
[1] Emil Thoma hatte im KZ heimlich eine solche Liste angefertigt, s. Weiler 1971: 10.
[2] Lenz 1957: 339
Insgesamt entstanden vier solcher Listen. Eine davon, auf der Karl Leisner stand, hatte Bischof Heinrich Wienken zusammengestellt.
Ferdinand Maurath:
Im Februar 1945 wurde der Blockschreiber [Georg Schelling von Block 26] plötzlich gerufen: Es mußte sofort eine Liste angelegt werden über uns mit genauester Berufsbezeichnung; ein Kurier war da. Die alten Lagerhasen waren skeptisch; denn wie oft waren wir schon aufgeschrieben worden; die „mittleren“ Jahrgänge zweifelten, was die Neuzugänge fest wußten: Wir werden entlassen. Der Vatikan hat’s erreicht! Wie lang schon haben wir das paroliert![1]
[1] Maurath, Ferdinand: Bericht von Ferdinand Maurath, Pfarrvikar. In: Freiburger Diözesan-Archiv 1970: 125–153: 152
Martin Höllen:
Ein „Osterei“ von „Gestapo-Müller“ [Heinrich Müller]
[Bischof Heinrich] Wienkens Bittgänge zur Gestapo, die so oft vergeblich und nicht selten demütigend waren, sollten just am Ende der Gestapo-Herrschaft noch einen größeren Erfolg verbuchen können. Ende März 1945, als die sowjetischen Truppen an der Oder standen und ihren Sturm auf Berlin vorbereiteten, führte Wienken noch längere Verhandlungen im RSHA [Reichssicherheitshauptamt], um vor allem im KZ Dachau internierte Geistliche freizubekommen. Es war kurz vor Ostern, das 1945 auf den 1. April fiel, und in einem der Gespräche Wienkens mit „Gestapo-Müller“, dem Amtschef IV im RSHA, erbat sich Wienken von dem Gestapo-Gewaltigen ein „Osterei“ – Diktion und Mentalität konnten in dieser Situation niemand anderen als Wienken kennzeichnen. In der Woche nach Ostern war es soweit: 163 katholische Priester (unter ihnen auch der schlesische Zentrums-Prälat [Karl] Ulitzka [Ulicka]) verließen das KZ Dachau635, zwar nur ein gutes Zehntel der damals Internierten, für die Betroffenen aber vielfach eine Rettung, lagen doch noch gefährliche Wochen zwischen Entlassung und Befreiung des KZ Dachau durch die Amerikaner am 29. April.
Die in der Karwoche begonnene und am 11. April beendete Freilassungsaktion hatte mehrere Gründe. Einer war zweifelsohne, daß sich „Gestapo-Müller“ bei herannahendem Ende durch solch ein „Osterei“ für Wienken bei der Kirche in guter Erinnerung für spätere Zeiten halten wollte, ein Motiv, das für die letzte Phase des NS-Regimes nicht untypisch war: Die Gegengeschäfte um die noch nicht ermordeten Juden, die beim nahenden Ende ausgestreckten Friedensfühler markieren den großen Rahmen, in den die von Wienken ausgehandelten Freilassungen aus Dachau einzuordnen sind.
Es war wohl eine der letzten Verhandlungen, die Wienken bei der Gestapo führte. Die Rote Armee rückte täglich und stündlich näher. Das Leben reduzierte sich auf das Überleben.[1]
635. Mit unterschiedlichen Zahlenangaben ist die Freilassungsaktion erwähnt bei: W. ADOLPH, Sie sind nicht vergessen, S. 166f. und bei R. SCHNABEL, S. 178. – Wienken selbst hat in einem Schreiben an Galen vom 23. Mai 1945 (Druck: H. SCHLÖMER, S. 5) die präzise Zahl von 163 genannt. – Die Rekonstruktion der Freilassungsaktion war nicht möglich ohne die hilfreichen Auskünfte, die mir J. JOST und G. SCHELLING mit ihren ausführlichen Schreiben vom 13. August 1979 und vom 19. Mai 1978 gaben. Beide haben, als in Dachau internierte Priester, selbst die Vorgeschichte der Freilassungen miterlebt: Sie begann am 14. Februar 1945, als sie schnellstmöglich eine Liste der noch im Lager lebenden Geistlichen zusammenstellen mußten. Nachdem in Berlin „Gestapo-Müller“ Wienken die Zusage der Freilassungen gegeben hatte, erstellte Wienken (wie sich K. DE GILINSKY – Gespräch am 23. September 1977 – noch lebhaft erinnert) unverzüglich ebenfalls eine Liste, wobei man im Commissariat die bereits früher gefertigte Aufstellung nutzen konnte. Durch Verfügung des RSHA vom 23. März 1945 kamen die Freilassungen dann in Gang.
[1] Höllen, Martin: Heinrich Wienken, der „unpolitische“ Kirchenpolitiker. Eine Biographie aus drei Epochen des deutschen Katholizismus, Mainz 1981: 114f.
Die 33seitige Liste mit 374 Namen von KZ-Häftlingen, darunter 12 Ordensschwestern, läßt erkennen, daß Bischof Heinrich Wienken alle Personen nach vorhandenen Vorlagen aufgelistet hat, selbst solche, die gar nicht ins KZ Dachau gekommen oder bereits gestorben waren.
Beispielseiten:
Diözesanarchiv Berlin V 158-3-9: 14
a. a. O.: 19
Hermann Scheipers am 2. Februar 2012 aus Ochtrup an Hans-Karl Seeger:
Weil ich schon nicht mehr lesen und schreiben kann, diktiere ich diesen Brief meiner Schreibhilfe.
Lieber Mitbruder, das war für mich etwas ganz Neues, daß ich 1945 zusammen mit Karl Leisner entlassen werden sollte. Ich erkläre es mir folgendermaßen, warum dies nicht geschah:
Karl Leisner war noch im Krankenrevier und konnte als Kranker nicht entlassen werden. (Das finden Sie illustriert bei „Jean Bernard, Pfarrerblock 25487“ Seite 199.) Kein Häftling durfte als Kranker entlassen werden.
Daß ich auch nicht entlassen wurde, hängt wahrscheinlich damit zusammen, weil ich aus den Flecktyphusbaracken entlassen war. Oder man wollte für Karl Leisner einen möglichen Betreuer zurücklassen.
Bischof Wienken habe ich zweimal in Berlin besucht, um etwas über diese Dinge zu erfahren. Er hat geschwiegen wie ein Grab, denn als Diplomat der Kirche bei den Nazis wurde er auch von den Polen wegen des Beichtverbotes angegriffen. Nur die Tapferkeit meiner Schwester [Anna] hat er rühmend anerkannt. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Recherchen.
a. a. O.: 24
siehe Aktuelles vom 12. Mai 2012
Auf ein Schreiben von Erzbischof Conrad Gröber vom 8. März 1945 antwortete Bischof Heinrich Wienken wie folgt:
Soeben geht das Schreiben Ew. Exzellenz vom 8. März hier ein. Ich beeile mich, es sofort zu beantworten.
Die Priester in Dachau habe ich nicht vergessen. Gerade in der letzten Zeit habe ich beim Reichssicherheitshauptamt wiederholt darauf gedrängt, daß die seit längerer Zeit praktisch bestehende Entlassungssperre aufgehoben werde. Nach meiner letzten Besprechung am Freitag voriger Woche im Reichssicherheitshauptamt war ich dann am Tage darauf, zusammen mit dem Dienststellenleiter der kirchlichen Abteilung, beim Chef der Abteilung IV, Herrn Gruppenführer [Heinrich] Müller. Dieser hat entgegenkommenderweise eine Auflockerung in Aussicht gestellt. In meiner Gegenwart hat er den Dienststellenleiter beauftragt, alsbald die ganz leichten Fälle zu überprüfen und zur Entlassung zu bringen. Weiterhin wurde ich gebeten, eine Liste der Geistlichen, die nach meiner Kenntnis, zur Entlassung kommen könnten, vorzulegen. Ich habe die Liste bereits gestern abgegeben. In wieweit nun tatsächlich Entlassungen erfolgen werden, bleibt abzuwarten. Erfreulich ist jedenfalls, daß grundsätzlich eine Auflockerung in Aussicht gestellt worden ist. Ich selbst werde in dieser Sache, davon können Ew. Exzellenz überzeugt sein, nicht locker lassen.
Ew. Exzellenz schreiben, daß Geistliche vielfach wegen „Bagatellsachen“ nach Dachau gekommen sind. Es trifft das zu, wenn man bei den vorliegenden Beanstandungen den moralischen Maßstab anlegt. Die Staatspolizei aber beurteilt Verfehlungen nach politischen Gesichtspunkten.
Es ist schmerzlich, daß Pfarrer Schneider inzwischen in Dachau verstorben ist.[1] Im allgemeinen war sonst in den letzten zwei Jahren die Sterblichkeitsziffer der Geistlichen in Dachau sehr gering. Einige Sorge habe ich freilich in dieser Hinsicht für die Zukunft, nachdem wegen der durch die Post verhängten Paketsperre, keine Lebensmittel mehr nach Dachau geschickt werden können. Beim RSHA [Reichssicherheitshauptamt]habe ich dies auch bereits zur Sprache gebracht.[2]
[1] Richard Schneider starb am 6.9.1987 in Buchen.
Christoph Schmider vom Erzb. Archiv Freiburg/Br. am 8.12.2011 an Hans-Karl Seeger:
Einen weiteren Freiburger Diözesanpriester namens Schneider, der in Dachau gewesen wäre, gibt es in der Tat nicht. […] Denkbar wäre natürlich auch, dass Bischof Wienken sich mit dem Namen vertan hat. Allerdings wüsste ich auch dann keinen Freiburger Diözesanpriester, der gemeint sein könnte: In Dachau umgekommen sind meines Wissens Adolf Bernhard († 11.7.1942), Heinrich Feurstein († 2.8.1942), Anton Fränznick († 27.1.1944), Max Graf († 25.4. 1945) und Anton Spies († 9.4.1945).
[2] Erzbischöfliches Archiv Freiburg/Br. Nr. 2442