Unter diesem Titel verfaßte Pfarrer em. Ernst Geerkens einen Artikel für die Rheinische Post, die ihn unter der Rubrik „Zum Sonntag“ am 8. Juli 2016 veröffentlichte.
Dem IKLK stellte Ernst Geerkens seinen Text zwecks Veröffentlichung auf der Homepage zur Verfügung.
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Glaubensstarke Zeugen für Christus
Die Einen nennen es Zufall, Andere sprechen von Fügung, wieder Andere sagen: Göttliche Vorsehung, gemeint ist die wunderbare Begegnung zweier bemerkenswerter Glaubenszeugen in stürmischen Zeiten. Ihr mutiger Einsatz für Recht und Gerechtigkeit, Zivilcourage und Menschlichkeit, Freiheit und Versöhnung war beispielhaft und zukunftsweisend für unser Land und Europa. Wir denken an Karl Leisner, der vor 20 Jahren – am 23. Juli 1996 – im Olympiastadion in Berlin von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen und damit vor allem der Jugend als Vorbild und Zeuge für ein christliches Europa vor Augen gestellt wurde. Und dazu hat sich gesellt der „Letzte Zeuge“, letzte Überlebende der Priestergefangenen im KZ Dachau, Prälat Hermann Scheipers, der am 2. Juni 2016 im biblischen Alter von 102 Jahren ins „Ewige Reich“ heimgerufen wurde. Sein Leben und Leiden, sein Engagement und wagemutiges Eintreten für Wahrheit und Klarheit, für Treue und Solidarität, gegen Tyrannei und Diktaturen hinterließ tiefe Spuren. Die erste Begegnung der Beiden fand bereits im Mai 1937 statt, als Karl Leisner in Sachsen seine Zeit beim Reichsarbeitsdienst leistete, Hermann Scheipers machte dort seine ersten Gehversuche in der Seelsorge und der Diaspora.[1] So kreuzten sich ihre Wege und Karl erlebte erstmals, wie Christusnachfolge sich zu bewähren hat in einem Umfeld, wo Glaube und Kirche auf den Prüfstand müssen. Noch konnten sie nicht ahnen, welche wechselvolle Zukunft vor ihnen lag. Als Gefangene im KZ Dachau sehen sie sich wieder und erfahren die bedrohliche Situation von Todesnähe und Glaubensnot. Andererseits wissen sich beide getragen von der Zuversicht des Glaubens, auch in dieser „Hölle“ von Dachau ein Stück „Himmel“ zu spüren. Karl spendet im Brot des Lebens Mut und Hoffnung. „Sein Zeugnis: Denk an die Jünglinge im Feuerofen“. Schließlich darf Hermann Scheipers Zeuge sein bei der Priesterweihe am 17. Juni [Dezember] 1944, das in der Kirchengeschichte einmalige Ereignis, bei dem die Mitfeiernden erlebten: Auch in Dachau triumphiert der Osterglaube über die Mächte teuflischer Gewalten. Bei der Seligprechung in Berlin 1996 gab es eine beachtenswerte Feststellung, die uns in einem bemerkenswerten Dokument überliefert ist. Der emeritierte Erzbischof von Hamburg Dr. Werner Thissen, der in diesen Tagen sein goldenes Priesterjubiläum feiert, schreibt dort: „Am frühen Morgen des Tages der Seligsprechung von Karl Leisner in Berlin saß ich mit Pfarrer Scheipers und anderen aus dem Bistum Münster beim Frühstück zusammen. Mir kam dabei ein Gedanke, den ich dann auch ausgesprochen habe: Wenn Gottes Fügung es anders gewollt hätte, dann wäre durchaus denkbar, daß jetzt hier beim Frühstück an Stelle von Pfarrer Scheipers der Pfarrer Karl Leisner säße und wir zur Seligsprechung von Hermann Scheipers gingen.“[2] Gewiß kann das heißen: wir dürfen daran glauben, daß beide in Treue Christi Boten geworden sind.
[1] Hermann Scheipers in einem undatierten Augenzeugenbericht aus Schirgiswalde:
Schon 1937 hatte ich von ihm [Karl Leisner] gehört, denn das Arbeitsdienstlager Dahlen, in dem Karl seinen Arbeitsdienst ableistete, lag innerhalb der Pfarrei Hubertusburg/Sa. [Sachsen], in der ich am 4.10.1940 verhaftet wurde. Im August 1937 hatte ich dort als Kaplan meine erste priesterliche Tätigkeit begonnen. Mein damaliger Pfarrer Max Gewinner war begeistert von diesem „prächtigen Theologiestudenten“, der sooft er konnte, die 9 km von Dahlen nach Hubertusburg zum Gottesdienst gefahren kam.
[2] Aus dem Brief vom 26. August 1996 des ehemaligen Erzbischofs von Hamburg Dr. Werner Thissen, 1996 Bischöflicher Generalvikar in Münster, an den St. Benno-Verlag bezüglich der Veröffentlichung des Buches „Gratwanderungen, Priester unter zwei Diktaturen“ von Hermann Scheipers.