Hätte Karl Leisner die Frage nach der Echtheit von „Manneken Pis“ beschäftigt?

MannekenPis_!MannekenPis_2Die 1619 vom Brüsseler Bildhauer Hieronimus Duquesnoy geschaffene Brunnenfigur eines urinierenden Knaben gehört zu den Wahrzeichen der belgischen Hauptstadt Brüssel. Sie steht in Kopie an der Ecke rue de l’Etuve/Stoofstraat, rue du Chêne/Eikstraat. Das vermutete Original befindet sich im Brüsseler Stadtmuseum, der sogenannten Maison du roi/dem Broodhuis an der Grand-Place/dem Grote Markt.

Fotos Wikimedia Commons

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1935 machte Karl Leisner mit mehreren Jungen eine Fahrt nach Flandern. Dabei kamen sie auch nach Brüssel. Er hat viele Notizen zu der Fahrt gemacht, aber keine Reinschrift. Sein späterer Schwager Wilhelm Haas beschreibt in seinem ausführlichen Fahrtenbuch auch die Begegnung mit dem „Manneken Pis“:

Wilhelm Haas:

Pis_Teil

Pensionschüler führten uns dann durch Brüssel. Vorbei an „Mannecken Piss“ ein derber Scherz, der sich durch Jahrhunderte hindurch erhalten hat und ein Liebling der Menge geworden ist, übrigens eine der besten Kinderstatuen neuerer Zeit – – weiter über den kunstvollen Marktplatz.

Wie mögen die Jungen das „Manneken Pis“ betrachtet haben? Vermutlich eher schmunzelnd oder kichernd als kopfschüttelnd.

Vom Besuch des Marktplatzes notierte Karl Leisner:

Brüssel, Donnerstag, 8. August 1935, 6. Tag
Verpennt! – 8.30 Uhr Kaffee – 9.15 Uhr in die Stadt: Marktplatz[1] (Einzig­arti­ges Bild eines Platzes: Gotik im Stadthuis [Rathaus[2]], Gildehäuser[3] (zum Teil später, aber prächtig) Brothuis[4] (Er­innerungen an Egmont[5]).

[1] Die Grand-Place, der Grote Markt, wurde 1695 durch Granaten der französischen Artillerie, mit Ausnahme des Rathauses, völlig zerstört. Man begann sofort mit dem Wiederauf­bau des Plat­zes. Seit 1998 gehört er mit seinen geschlossenen barocken Häuserfronten zum Weltkulturerbe.
[2] Das Gebäude zählt zu den schönsten der Stadt im spät­gotischen Stil (1402–1455). Den fast 100 m hohen Turm krönt eine Statue des mit dem Drachen kämpfenden hl. Michael, dem Schutzpatron der Stadt.
[3] Häuser der Zünfte mit reich geschmückten vergoldeten Fassaden
[4] Der niederländische Name „Broodhuis – Brothaus“ geht zurück auf das 13. Jh., als die Bäcker dort in einem Holzgebäude ihr Brot verkauften. Während der Habsburgerherrschaft befand sich dort im 16. Jh. in einem Haus aus Stein das königliche Gericht, daher der franz. Name „Maison du Roi – Haus des Königs“. Vor dem Haus befand sich die Richtstätte. Heute befindet sich in dem Gebäude das Stadtmuseum.
[5] s. von Goethe, Johann Wolfgang: Egmont, Münster 1902
Vermutlich kannte Karl Leisner Johann Wolfgang von Goethes Trauerspiel „Egmont“ aus der Schule. Graf Egmont von Gaure (1522–1568) hatte sich mit Wil­helm von Oranien (1533–1584) an die Spitze der adligen Op­position gegen die spanische Ver­wal­tung der Niederlande gesetzt. Gemeinsam mit dem nieder­ländi­schen Freiheits­helden Philippe II. de Montmorency-Nivelle Graf von Hoorn (1526–1568) wurde er am 5.6.1568 auf dem Marktplatz von Brüssel enthauptet.

Johann Peters aus Brüssel am 8. August 1935 an seine Familie in Kleve-Materborn:
Liebe Eltern und Geschwister!
Wir sind nun schon den dritten Tag in Brüssel. Die Ein­drücke, die wir hier bekom­men haben, sind zu groß, um sie hier niederzuschreiben. Gestern waren wir den ganzen Tag zur Weltausstellung. Ungeheuer viel zu sehen, fast zu viel! Heute ha­ben wir die Stadt besehen. Wir haben hier in ei­nem Kon­vikt geschlafen. Jetzt auf! Richtung See.
Grüße auch an Präses und Führer,
Johann
Frohen Fahrtengruß! Karl L., Hermann [Mies]