Volksempfänger Typ VE301W von 1933
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Der Volksempfänger wurde im Auftrag des Reichpropagandaleiters Joseph Goebbels entwickelt und wenige Monate nach der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 vorgestellt. Er gilt als eines der wichtigsten Propagandainstrumente der nationalsozialistischen Machthaber.
Paul Gerhard und Ralph Schock (Hgg.): Sound des Jahrhunderts. Geräusche, Töne, Stimmen – 1889 bis heute. Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn 2013
In der F.A.Z. vom 30. April 2014 berichtete Thomas Thiel unter dem Titel „Als der Lärm den Laut verschluckte“ über dieses Buch. In dem Artikel finden sich zwei Bildunterschriften und eine Frage von Thomas Thiel, die an Notizen in Karl Leisners Tagebuch denken lassen.
Bildunterschrift 1:
Zwei akustische Zäsuren der ersten Jahrhunderthälfte: Walther Ruttmanns „Sinfonie der Großstadt“ filterte die Klänge Berlins 1927 zu einer faszinierenden Klangcollage.[1]
[1] Karl Leisner schrieb am 20.5.1933 in sein Tagebuch:
Beim Film nicht soviel durch sinnlichen Reiz locken lassen! ( „Melodie der Welt“!
Es handelt sich um den Weltreise-Tonfilmbericht von Walther Ruttmann (1887–1941). Der Film lief ab März 1929 als erster abendfüllender deutscher Tonfilm und wurde wie folgt besprochen:
Der Film wurde im Auftrag einer Schiffahrts-Gesellschaft gedreht und sollte verschiedene Länder, Völker und Sitten zeigen. Es läuft bei Ruttmann auf ein Einfangen vieler paralleler Vorgänge auf den verschiedensten Kontinenten hinaus, unter bestimmte Stichwörter gestellt: Verkehr, Industrie, Tänze, Musik. Besonders deutlich wird seine Absicht in „Frauen am Morgen“, worin deren Erwachen im internationalen Maßstab durch lose verbundene Bildkompositionen nachgespürt wird. Jedes Detail erhält gleiches Gewicht, nur äußerliche Zusammenhänge werden angestrebt, um formal zu experimentieren. Das führt zu der Aussage, die Georges Sadoul (1904–1967) wie folgt formuliert: „Zur selben Stunde vollführen alle Menschen, ebenso wie die Tiere, analoge Gebärden, um sich zu nähren, zu schwimmen, zu gehen, zu lieben, zu säugen … als Inhalt statt des sozialen den animalischen Menschen.“
(Auskunft von Dr. Günter Graf)
Bildunterschrift 2:
Hitlers Rundfunkdebüt am 1. Februar 1933 war akustisch ein Reinfall. Seine Stimme habe „kasernenhofartig, unsympathisch und gar nicht deutsch geklungen“.
Thomas Thiel fragt:
Hätte Hitler ohne Lautsprecher den NS-Staat schaffen können?
Es ist nicht belegbar, wann und ob Karl Leisner Adolf Hitler persönlich gesehen hat. Aber seine Stimme hat er schon früh über den Rundfunk gehört. Er schrieb in sein Tagebuch:
Dienstag, 2. Mai 1933
Tag des Schulbeginns![1] 8.00 Uhr Hitlergeburtstagsnachfeier.[2] Loyale, gute Rede von „Zeus“ [Dr. Karl Hofacker]. Beispiel an Hitlers Willenskraft, Arbeitswillen etc. Nur ärgerte mich, daß dieser alte Bierphilister [Spießbürger] so hitlerranerisch sprach. Beim Horst-Wessel-Lied [Die Fahne hoch] alles die „Flossen“ hoch [zum Hitlergruß]. Vom Chor nur Jupp [Gerlings], Hermann [Mies] und ich nicht! „Die Hände hoch!“ beim Deutschlandlied finde ich direkt geschmacklos. Als ob denn D. [Deutscher] gleich Nazi wäre! Nein!
[1] Es ist nicht klar, was mit „Schulbeginn“ gemeint ist. Die Osterferien waren bereits am 21.4. zu Ende.
[2] Adolf Hitlers Geburtstag am 20.4. fiel 1933 in die Osterferien.
Mittwoch, 17. Mai 1933
Um 15.00 Uhr die großartige, staatsmännische außenpolitische Rede Hitlers im Reichstag im Rundfunk gehört. Glänzender Verlauf der Sitzung. Alle anwesenden Abgeordneten, einschließlich SPD zugestimmt. (siehe Zeitung![1])
[1] im Nachlaß nicht vorhanden
Montag, den 25.[26.]6.1933
An Dr. [Heinrich] Brüning glaubte ich und glaube ich noch und für immer. An Hitler aber glaube ich nicht, weil er mir eben nicht glaubhaft erscheint. Ich vertraue nicht auf seine Worte. Er macht ihrer eben zuviel. Brüning hat nie so viel geredet, daran aber glaubte ich, weil ich wußte, daß er ein grundsatztreuer, echter Christ und Katholik war. (Von Hitler glaube ich – letzteres wenigstens – nicht fest.)
siehe Link zum Artikel in der F.A.Z.