Karl Leisner und seine Sehnsucht (1)

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / gemeinfrei (abgerufen 20.06.2018)

Hans-Karl Seeger
Das Echo auf mein „Sehnsuchtsbuch“ inspirierte mich erneut, bei Karl Leisner zu schauen, wie oft in seinen erhaltenen Schriften der Begriff Sehnsucht vorkommt; denn ich hatte bereits für das Register der Lebens-Chronik die Seiten des Vorkommens notiert.
Karl Leisners Sehnsucht richtet sich entsprechend seiner facettenreichen Persönlichkeit naturgemäß auf verschiedenartige Dinge. Seine diesbezüglichen Zitate werden nach Themen geordnet mit jeweils einem Aspekt pro Artikel, wie in den Serien über seine Lieder und über seine Spiele, in der kommenden Zeit vorgestellt.

 

Karl Leisner schreibt nicht nur von seinen eigenen Sehnsüchten, sondern erwähnt auch solche von anderen Menschen. Diese Stellen werden hier nicht zitiert, ebensowenig wie Einträge, die inhaltlich seine eigene Sehnsucht ausdrücken, ohne daß er sie expressis verbis vermerkt.
Eine Ausnahme bildet diesbezüglich aber seine Beziehung zu Elisabeth Ruby[1], in die er sich in Freiburg verliebt hat. Diese Sehnsucht formuliert er nicht in deutscher Sprache, sondern verschlüsselt sie zum Beispiel in Abkürzungen wie gr. Des. {von grande desiderium (lat.), grande desiderio (ital.), grand désir (frz.) = große Sehn­sucht}. Gelegentlich schreibt er auch statt gr. Des“. „Ogrdes! = Oh, große Sehnsucht. Dante Alighieri verwendet in der „Divina Comme­dia“ sehr häufig die Formulierung „gran desio“.
Insgesamt zeigen Karl Leisners Einträge, wie vielgestaltig die Sehnsucht des Menschen sein kann, von der Sehnsucht nach Essen und Trinken bis hin zur Sehnsucht nach Gott.

[1] Elisabeth Maria Ruby (* 24.3.1914 in Berlin, getauft 25.3.1914, † 25.12.1993) – Vor der Geburt hatte man in der Charité in Berlin zur Ab­treibung des Kindes geraten, weil man mit einer lebensbedrohenden Geburt für Mutter und Kind ge­rechnet hatte. Karl Leisner wohnte 1937 während seines Studiums in Freiburg/Br. bei Familie Joseph Ruby. Als er an einer Mittelohrentzündung erkrankt war, pflegte Elisa­beth ihn, und beide verlieb­ten sich ineinander, entschieden sich aber nach inneren Kämpfen bewußt für einen anderen Lebensweg. Elisabeth wurde Seel­sorgehelfe­rin und Haushälterin bei ihrem Bruder Karl in Radolfzell, war vor­wiegend in der Ju­gendar­beit tätig und gab Religi­onsunter­richt. Nach Aus­bruch des Zweiten Weltkrieges mietete Dr. Joseph Ruby in Radolf­zell eine Wohnung, in die Elisabeth und ihre vier jüng­sten Geschwister Heribert, Peter, Rudolf und Maria, für die sie sorgte, einzogen. Die Kin­der gingen dort bzw. in Konstanz zur Schule. Ein Jahr später kehrten drei Kinder nach Freiburg/Br. zurück.
Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat sie 1981 als Zeugin ausgesagt.