Hans-Karl Seeger, Karl Leisner. Visionär eines geeinten Europas, Kevelaer: Butzon & Bercker 2006, 22012
In Klöstern ist es üblich, bei den Mahlzeiten Tischlesung zu halten. Zur Zeit lesen die Mönche die Biographie über Karl Leisner.
Karl Leisner machte 1931 im Kloster Gerleve Exerzitien.
Foto Abtei Gerleve
Abt Laurentius Schlieker OSB am 19. November 2014 an Hans-Karl Seeger:
Da wir z. Zt. im Refektorium Ihr Buch über Karl Leisner als Visionär eines geeinten Europas lesen, habe ich für mein Gebetsgedenken eine täglich Gedächtnisstütze…
Foto Abtei Gerleve
Refektorium
Wahrscheinlich hat Karl Leisner seine Exerzitien in Gerleve bei P. Laurentius Rensing OSB gemacht. Als Gastpater scheute dieser keine Mühe, insbesondere junge Leute aus der Jugendbewegung zu betreuen. Sein Lieblingsautor war Romano Guardini, was bei den zahlreichen Exerzitien, die er mit Jugendlichen hielt, immer wieder deutlich wurde. Auch Karl Leisners Aufzeichnungen anläßlich seiner dortigen Exerzitien sind angefüllt vom Gedankengut Romano Guardinis.[1] Vermutlich wurde er durch seine Religionslehrer Walter Vinnenberg oder Bernhard Peters auf diese Exerzitien aufmerksam.
Also ich habe alle möglichen Nachforschungen gehalten. Doch den Namen des damaligen Exerzitienmeisters kann man nicht mehr mit Sicherheit feststellen. P. Plazidus [Schornstein OSB] meinte, es sei mit einiger Sicherheit wohl P. Laurentius Rensing gewesen, der damals öfter Pennäler zu Exerzitien im damaligen Jugendheim hatte. Dazu paßt, daß er als Quickborner allerbestens mit den Werken Guardinis bekannt war und auch mit ihm auf Burg Rothenfels zusammen war.
P. Laurentius Rensing OSB verwendete, wie Karl Leisners Notizen zeigen, in den Exerzitien nicht nur die Bibel und die Liturgie, sondern auch Literatur und Musik, zum Beispiel Friedrich Wilhelm Webers „Dreizehnlinden“, Friedrich von Schillers „Das Lied von der Glocke“ und die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven.
Die Exerzitien fanden in der Jugendherberge des Klosters statt.
Foto Archiv Abtei Gerleve, Signatur FG 1762
P. Bartholomaeus Denz OSB aus Gerleve am 20. März 2010 an Hans-Karl Seeger:
Nach der Chronik und einer separaten Bauchronik wurde 1929 mit einem Saalbau in dem Klosterhof (Haus Ludgerirast) begonnen. Der Unterbau mit Terrasse war als Jugendherberge mit 32 Betten geplant. Der Oberbau bestand aus einem Saal (28 m lang, 8 m breit). Dieser Bau wurde 1982 abgerissen, um für das Forum und die neue Gaststätte Platz zu machen.
Die Jugendherberge, die später auch „Jugendheim“ genannt wurde, hatte keine eigene Kapelle. Die Gruppen benutzten die ein Jahr zuvor gebaute Kapelle des Exerzitienhauses, die Abt Raphael [Molitor OSB] am Sonntag Gaudete 1928 benedizierte [einsegnete]. Der langgestreckte rechteckige Bau lag an der Stelle der heutigen Kapelle von 1986/87.
Ein kaum bekanntes Archiv-Bild (um 1930): links der Aufgang zum Saal über der Jugendherberge, rechts ist gerade noch das Exerzitienhaus erkennbar. In der Mitte die Kapelle mit Spitzbogenfenstern. Im Hintergrund die Abteikirche vor der Neugestaltung der Kirchtürme 1938 durch Prof. Dominikus Böhm.
Aus Karl Leisners Tagebuch:
Zeitplan der Exerzitien:
Tagesordnung:
Samstag, 5. September 1931
17.00 Uhr Besprechung der Tagesordnung
18.00 Uhr Einleitungsvortrag
19.00 Uhr Abendessen
20.10 Uhr Komplet in der Kirche
Sonntag – Dienstag
6.30 Uhr Aufstehen
6.50 Uhr hl. Messe (Kapelle)
7.50 Uhr Frühstück
8.20 Uhr 1. Vortrag
9.15 Uhr Hochamt (Sonntag 10.00)
10.30 Uhr 2. Vortrag (Sonntag 11.15)
12.00 Uhr Mittagessen
private Lesung der heiligen Schrift usw.
14.30 Uhr Non, Vesper (Kirche)
(Sonntag 14.30 Vortrag)
15.30 Uhr Kaffee (Sonntag 15.30 Non, Vesper)
16.00 Uhr 3. Vortrag (Sonntag 16.30 Kaffee)
17-18.00 Uhr Gelegenheit zur Beichte
18.00 Uhr 4. Vortrag
19.00 Uhr Abendessen
20.10 Uhr Komplet (Kirche)
20.40 Uhr Abendvortrag
Nachtruhe
Mittwoch, 9. September 1931
6.00 Uhr Aufstehen
6.30 Uhr Heilige Messe mit Ansprache in der Kapelle,
Gemeinschaftliche heilige Kommunion,
Päpstlicher, dann sakramentaler Segen[1],
Frühstück
[1] Zum Abschluß besonderer religiöser Zeiteinheiten wie Exerzitien wurde früher der Päpstliche Segen erteilt, mit dem besondere Ablässe verbunden waren.