Alfred Rosenberg (* 12.1.1893 in Reval/EST, † hingerichtet 16.10.1946 in Nürnberg) – früher Förderer Adolf Hitlers – verschiedene einflußreiche Ämter nach 1933 – Rassenfanatiker – entschiedener Gegner der jüdischen u. christlichen Lehre –Propagandist eines Glaubens auf der Basis der nordischen Rasse u. der germanischen Götter – Verbreitung seines Hauptwerkes „Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts“ in einer Höhe von über einer Million – „Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ 1934 – als Kriegsverbrecher Verurteilung zum Tod im Nürnberger Prozeß 1946
Verschollen geglaubte Tagebücher Alfred Rosenbergs sind aufgetaucht.
Die F.A.Z. vom 3. Februar 2014 weist unter dem Titel „Zwei Führer privat – Himmlers Brief und Rosenbergs Tagebücher“ auf zwei neue Veröffentlichungen hin. Darin heißt es u. a.:
Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Rassenlehre. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltungskämpfe unserer Zeit, München 1930
Bereits im „Gemeinschaftslager“ in Reinshagen im Januar 1934 setzten sich Karl Leisner mit seiner Klasse und weitere angehende Abiturienten mit dem Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg auseinander.
Zum „Gemeinschaftslager“ in Reinshagen siehe Aktuelles vom 15. Januar 2014 und vom 8. September 2013
Johannes Thönißen aus Simmerath‑Einruhr am 19. September 1978 an Heinrich Kleinen in Uedem:
Am Sonntag, dem 14. Januar, gemeinsamer Kirchgang. Die Indizierung von Rosenbergs „Mythus“ wurde bekanntgegeben. Eine verhaltene Begeisterung ist bei Karl [Leisner] zu bemerken, hinter der unausgesprochen das Wort „endlich“ stand. Es ist wohl bekannt, daß die Jugend der Kirche das anfängliche Zögern der Bischöfe nicht verstand.
Aus der Zeitung Junge Front:
„Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg wurde durch Dekret des Heiligen Offiziums auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Die Begründung lautet gemäß „Osservatore Romano“: „Das Buch verachtet das gesamte Dogma der katholischen Kirche, damit zugleich die Fundamente der christlichen Religion und lehnt sie völlig ab; es kämpft für die Notwendigkeit einer neuen Religion und einer einzurichtenden deutschen Kirche und stellt das Prinzip auf, man müsse heute einen neuen mythischen Glauben fordern, einen mythischen Glauben des Blutes; einen Glauben, in dem geglaubt wird, daß auch die göttliche Natur des Menschen durch Blut verteidigt wird; einen Glauben, der durch die hohe Wissenschaft bestätigt sei, durch welche festgestellt sei, daß das nordische Blut jenes Mysterium darstelle, wonach die alten Sakramente überwunden und besiegt worden wären.“[1]
Karl Leisners Haltung schlägt sich auch in seinen Tagebüchern nieder:
Samstag, 17. Februar 1934
Rosenbergs „Mythus“ ist auf den Index gekommen. Das wurde Zeit! Ebenso das bodenlose Werk „Professor“ [Ernst] Bergmanns „Nationalkirche“.[1]
[1] Bergmann, Ernst: Die deutsche Nationalkirche, Breslau 1933
Rektor Heuser:
Er [Ernst Bergmann] lehnt ein „dogmatisches Christentum“ mit Glaubens- und Gewissensverpflichtungen ab. Er verkündet das „Evangelium der deutsch-nordischen Seele“ (Jungführer 1934: 39).
Die Zeitung Junge Front erwähnt, daß gleichzeitig [mit Alfred Rosenbergs „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“] das Buch von Ernst Bergmann: „Die deutsche Nationalkirche“ auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt wurde (Junge Front 1934 – Nr. 8 vom 25.2.1934: 6).
Aus dem Katholischen Kirchenblatt für das Bistum Hildesheim:
Der Leipziger Professor Ernst Bergmann ist eine der treibendsten Kräfte der nordischen anti-christlichen Glaubensbewegung. Sein Buch „Die deutsche Nationalkirche“ wurde vor wenigen Monaten vom Papst [Pius XI.] auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt (Kirchlicher Anzeiger für das Bistum Hildesheim, Nr. 25 vom 24.6.1934).
Karl Ernst Theodor Bergmann (* 7.8.1881 in Colditz/Sachsen, † 16.4.1945 in Naumburg) – Philosoph
Die deutsche Nationalkirche, Breslau 1933
Karl Leisners Freund aus dem Katholischen Wandervogel, Willi Janssen, im April 1934 in seinem Tagebuch:
Rosenberg mit seinem Mythus muß ich ablehnen! – Wissenschaftlich nicht hochstehend und besonders religiös eine Irrlehre. Das Blut kann nicht höher stehen als der, der es schuf.
Der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, ließ in seiner Diözese Ende 1934 die anonyme Schrift „Studien zum Mythus des 20. Jahrhunderts“ als amtliche Beilage zum kirchlichen Amtsblatt seiner Diözese veröffentlichen. In dieser wandte sich unter anderem der Bonner Kirchenhistoriker Wilhelm Neuß (1880–1965) gegen die im Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ niedergelegte Rassenideologie Alfred Rosenbergs. In seinem Hirtenbrief zu Ostern 1935 setzte sich der Bischof in verschärftem Ton mit den Thesen Rosenbergs auseinander. Er nennt dort „Götzendienst, … Abgötterei, … Rückfall in die Nacht des Heidentums“, wenn die Nation als Ursprung und Endziel angesehen werde.
Karl Leisner zum Hirtenwort des Bischofs vom 19. März 1935, der mit den Worten beginnt „Was toben die Heiden und erfinden Truggebilde die Völker?“
Donnerstag, 11. April 1935
P. Bernardin G. [Goebel OFMCap] hielt feine Betrachtung [Puncta]: „Wachet und betet“ [Mt 26,41; Mk 14,38] als Priesteraufruf an die schlafenden Apostel (Priester)! Fein. Das Ringen Christi am Ölberg [Mt 26,36–46; Mk 14,32–42; Lk 22,40–46; Joh 18,1b] – Symbol des Ringens der Kirche heute – kraftvoll – betend – stark! Unter Donner und Blitz zog der Bischof [Clemens August Graf von Galen] zum Altar – uns alle segnete der Heiland mit seiner Hand. Clemens August – ja, das ist unser Bischof! Hei, sein letztes Hirtenschreiben – eine Wonne, eine Kraft![1] „Was toben die Heiden.“ [vgl. Ps 2,1]
[1] Hirtenbrief des Bischofs Clemens August Graf von Galen vom 19.3.1935, s. Löffler, Peter: Bischof Clemens August Graf von Galen. Akten, Briefe und Predigten 1933–1946. 2 Bde., Paderborn 1996 Bd. I: 168–184.
Der Abdruck des Hirtenbriefes erfolgte in: Katholisches Kirchenblatt für die Stadt Münster, Nr. 15, vom 14.4.1945.
Peter Löffler:
Der vorliegende Hirtenbrief greift das politisch-ideologisch gefärbte Thema [Deutsche Glaubensbewegung] konsequenter und wesentlich schärfer [als im Hirtenbrief vom 26.3.1934] auf und setzt sich vornehmlich mit den Pseudomystizismen und Pseudophilosophien A. Rosenbergs auseinander (Löffler 1996 Bd. I: 169, Fußnote 1).
Samstag, 27. April 1935, Weißer Samstag
19.30 bis 19.55 Uhr im Unilesesaal. NS-Monatsheft Nr. 61 „Alfred Rosenberg verteidigt sich“ – morgen weiter!
Herausgabe der „Nationalsozialistischen Monatshefte – Zentrale politische und kulturelle Zeitschrift der NSDAP“ durch Alfred Rosenberg ab 1930
Montag, 29. April 1935
„Rosenberg antwortet“ auf die „Studien“, die unser Bischof erscheinen ließ[1] [mit seinem Buch] „An die Dunkelmänner unserer Zeit.“ [Eine Antwort auf die Angriffe gegen den „Mythus des 20. Jahrhunderts“]“ NS-Weltanschauung – Deutschgläubigkeit – organische (?) Wissenschaft (mit nur einigen kleinen Fehlern – aber was tun die in einem solch „säkularen“ Buch!) – Das war’s, wohin der Artikel lief.
[1] Galen, Clemens August Graf von: KA, Oktober 1934. Amtliche Beilage: Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts
An die Dunkelmänner unserer Zeit. Eine Antwort auf die Angriffe gegen den „Mythus des 20. Jahrhunderts“, München 1935
Samstag, 4. Mai 1935
Heute hörte ich zufällig schöne Antworten von Jungschärlern: 1.) Aus Münster: „Der Lehrer schimpft wie üblich und versteigt sich dazu, die JS [Jungschar] als Kommunisten zu bezeichnen.“ – „Bitte Beweis!“ – „Ihr folgt doch Christus, und Er war doch auch so eine Art Kommunist.“ – „Aber Herr Lehrer, die Kommunisten sind doch Gottlose und bekämpfen jede Religion, da hätte Christus sich selbst ja unmöglich gemacht. Das kann doch schlecht.“ – Im „Luftleeren Raum“ herrscht Stille. Der Lehrer singt Lobeshymnen auf Rosenberg. Das sei für die deutsche Jugend das richtige. – „Solange der Weg der deutschen Jugend der Weg R’. [Rosenbergs] ist, gehen wir nicht in die HJ. Zudem ist die Mitgliedschaft ja freiwillig. Wir hören auf unseren Bischof.“ – So geschehen vorige Woche in Münster, Überwasserschule.
Samstag, 6. bis Sonntag, 7. Juli 1935
Gauparteitag der NSDAP in Münster mit den Rednern Alfred Rosenberg, Wilhelm Frick und Robert Ley.[1]
[1] Kösters, Christoph: Katholische Verbände und moderne Gesellschaft. Organisationsgeschichte und Vereinskultur im Bistum Münster 1918 bis 1945, Paderborn 1995: 375
Es ist nicht klar, ob Karl Leisner an dieser Veranstaltung teilgenommen hat.