Karl Leisner hätte die Grenzziehungen nicht verstanden

Die Grenze zwischen Kleve/D und Nijmegen/NL war bereits eine „Grüne Grenze“, als es diesen Begriff noch gar nicht gab.
Was zwischen 1949 und 1963 mit dieser Grenze geschah, hätte Karl Leisner zugleich amüsiert und sehr traurig gemacht.

Hotel Café Restaurant KURHAUS ELTENBERG
Quelle des Fotos: Karl Leisner-Archiv

Unter der Überschrift „Als die Bergstraße Bergstraat hieß – 19 Tage nach der Gründung der Nato und genau einen Monat vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland begann am 23. April 1949 eines der skurrilsten Kapitel der westdeutschen Nachkriegsgeschichte: Die Niederlande annektierten mehrere deutsche Grenzorte. Erst im August 1963 endete die ‚Auftragsverwaltung’ – mit einer kleinen Wiedervereinigung im Westen und der legendären ‚Butternacht’ in Elten.“ beschrieb Reiner Burger in der F.A.Z. vom 23. April 2013 auf einer ganzen Seite die politische Situation von 1949 bis 1963 in und um Elten.

Online-Version des Artikels unter FAZ.NET vom 23. April 2019

Die Bedeutung von Elten und Umgebung für Karl Leisner und seinen Bruder Willi zeigt sich in beider Tagebuchnotizen und Briefen.

Kleve, Donnerstag, 30. August 1928
Karl Leisner:

Willi und ich blieben freiwillig zu Hause und vertrieben uns die Zeit durch Spielen, während die andern mit Ferdinand [Falkenstein] aus Neuß, der vor­gestern ge­kommen war, nach Elten fuhren.

Sonntag, 25. November 1934
Willi Leisner:
Um 6.00 Uhr gings raus! Frühsport, Waschen. Um 7.00 Uhr war Gemein­schaftsmesse in der Pfarrkirche [St. Martinus in Elten]. Dann gab’s Kaf­fee. Um 9.00 Uhr war Stunde der Jungführer. Die Scharführer gaben kurze Berichte. Dann sprach Franz [Steber] über unsere Aufgabe, be­son­ders in der Jungschar. Um 13.00 Uhr gabs Mittagessen (Ein­topf). Inzwi­schen traf die Jungen­schaft ein. Wir machten in dem großen Park der Patres[1] ein Kriegsspiel und sonstige Sachen. Um 15.30 Uhr trat alles an, 180 an der Zahl zum Appell vor unserem Reichssturmscharführer Franz Steber. Er kritisierte das Schlechte des Tages und gab uns allen Richtung. Das Treffen schloß um 17.00 Uhr mit einer Andacht. Dann fuhr alles heimwärts per Rad, per Lastauto, per Bahn und per pedes. Wir Klever lande­ten um 19.00 Uhr zu Hause an.[2]
[1] Hochelten – ursprünglich Abtei mit Damenstift auf dem Eltenberg – Gründung durch Graf Wichmann (* ?, † um 973/983) 967 – Be­schlag­nahme des Stiftes durch Preußen bei Weiter­be­stehen der geistlichen Korporation des Kapitels 1802 – end­gül­tige Auf­hebung 1811 – Erwerb der ehemaligen Äbtis­­sinnen­wohnung durch die Niederdeutsche Jesuiten­provinz 1921 – Das Haus diente zuerst als Jugendbegegnungshaus und als Unterkunft für die Novizen von ’s-Heeren­berg, außerdem als „Villa“, d. h. als Erholungshaus. 1936 wurde es Noviziat, da ’s-Heeren­berg aufgrund der Devi­senbe­stimmungen von Deutschland aus nicht mehr unterstützt wer­den konnte. Nach dem Krieg baute P. Hans Sträter SJ das stark zerstörte Haus wieder als Jugend-Begegnungsort auf. Im Laufe der Jahre entwickelte es sich immer mehr zum Exer­zitienhaus. Heute hält die Deut­sche Provinz der Jesuiten das Haus als ihr letz­tes Werk in der Diözese Münster mit der kla­ren Zweckbestimmung eines Exerzitien- und Tagungshauses.
[2] Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 5: 75f.

Samstag, 24. November 1934
Willi Leisner:

Gautreffen der Sturmschar
Um 17.30 Uhr trafen wir Klever uns an der Emmericher Straße und dann gings los über Emmerich nach Hochelten, wo wir um 19.00 Uhr als erste landeten. Das war im Exerzitienhaus [Jugendbegegnungshaus] der Jesui­ten. Um 20.00 Uhr setzten wir uns zusammen zu ei­nem Niederrhein­abend. In Ge­dichten, Erzählungen und Liedern wurden die Eigenheiten des Nieder­rheins wiedergegeben. Um 22.30 Uhr verkrochen wir uns in die Betten.[1]
[1] Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 5: 75

Kleve, Donnerstag, 16. März 1939
Karl Leisner:

Bei [Gerhard] Alsters![1] Nachmittags 14.00 Uhr mit Elektrische [Straßen­bahn] bis Offenberg-Kellen und Griethausen – Spyck – übergesetzt [mit der Fähre über den Rhein] – Elten­berg – im Kurhaus [Hotel Café Restaurant KURHAUS ELTENBERG] Kaffee – (Kaplan St. [Fer­dinand Stegemann], Schm. [Leo Schmitz], Huyg. [Heinrich Huyeng], Jupp R.[2], Delbeck[3], Rehm[4], Dornbusch[5]) – Blick auf Montfer­land – Emmerich – 20.00 Uhr Kleve. Bis 23.00 Uhr bei Ebbens.
[1] Gerhard Alsters war vom 8.2.1935 bis 1939 Kaplan in Materborn.
[2] vermutlich Joseph Ranneberg, ab 13.6.1938 Kaplan in Kellen
[3] vermutlich Wilhelm Delbeck, gebürtig aus Kleve-Hau
[4] vermutlich Wilhelm Rehm, Studienrat in Kleve
[5] vermutlich Sonderschulrektor Michael Dornbusch aus Kleve

Sammelbrief von Willi und Franziska Leisner aus Berlin-Lichterfelde am Montag, 16. Oktober 1944, an Karl Leisner im KZ Dachau:
Man kann jetzt oben von der Linde[nallee 40] bei [Werner] Pannier den Eltenberg sehen.[1]
[1] Vor dem Angriff auf Kleve war dies nur vom Kupfernen Knopf aus möglich, s. Aktuelles vom 28. Juni 2014 – „Neuer Tiergarten“ ist ein Gartendenkmal.

Obwohl auf der anderen Rheinseite gelegen – „gönne Kant“, wie der Niederrheiner sagt – war Elten auch für Familie Leisner durchaus ein Anziehungspunkt. Der Eltenberg mit seiner Vituskirche ist von Kleve aus zu sehen.

 

 

 

 

Quelle der Fotos: Manfred Zentgraf

 

Siehe auch Aktuelles vom 19. Januar 2019 – „Eltener Kreuz im Stiftsmuseum zu sehen“
und
Aktuelles vom 12. Januar 2014 – Eine Ausstellung, die Karl Leisner sicherlich besucht hätte.