Der erste Band [von Adolf Hitlers „Mein Kampf“] erschien erstmals am 18.7.1925, der zweite wurde mit Publikationsdatum 1927 am 11.12.1926 nachgereicht – beide Bände wurden bis 1930 einzeln zum Preis von 12 RM das Stück verkauft. Man wird die überteuerte Ausgabe am ehesten als verdeckte Wahlkampffinanzierung über die Parteimitglieder der NSDAP einstufen, die in jenen Jahren nicht umhin kamen, sich das Buch zuzulegen. Die Partei finanzierte sich ganz wesentlich als Schrifttumsvertrieb über den eigenen Parteiverlag, an dem Adolf Hitler persönlich beteiligt war.
36.000 Exemplare der beiden Bände zu je 12 RM wurden abgesetzt. Hitlers Honoraranteil lag bei 10%, was ihm in den Jahren von 1925–1930 eine private Einkunft von 43.000 RM einbrachte. Ab 1930 wurden die beiden Bände in einem einzigen Band zum reduzierten Preis von immer noch 8 RM vertrieben – gleichzeitig schoß bis 1933 die Zahl der Parteimitglieder empor. Hitlers Mein Kampf wurde bis zur „Machtergreifung“ 287.000 Mal abgesetzt, der persönliche Verdienst des Autors betrug in dieser Absatzphase 229.600 Reichsmark (man kann Reichsmarkpreise mit 5 multiplizieren, um Äquivalente gegenwärtiger Europreise zu erhalten).
Zur Gelddruckmaschine wurde Mein Kampf mit dem Machtantritt, der es Adolf Hitler erlaubte, das Buch fortan auf Staatskosten zu verschenken. Die Standesämter erwiesen sich als das optimale Instrument der Buchausgabe. Der Preis blieb bei 8 RM – zu zahlen hatte diesen Betrag (und damit der Steuerzahler) an den Zentralverlag der NSDAP. An den insgesamt abgesetzten 9,84 Millionen Exemplaren (mit den Ausgaben in anderen Sprachen kletterte die Gesamtauflage auf 10,24 Millionen) verdiente Hitler in den Jahren von 1933–1945 exorbitante 7.613.600,00 Reichsmark (URL http://www.polunbi.de/bibliothek/ 1925-hitler-kampf.html – 1.10.2013).
Am 26. Juni 2014 brachte die F.A.Z. unter dem Titel „,Mein Kampf‘ soll verboten bleiben“ eine Notiz zum Beschluß der Justizminister.
Unter der Überschrift „Publikation von „Mein Kampf“ – Keine Lex Hitler“ und den einleitenden Zeilen „Auch wenn Ende des kommenden Jahres der Urheberschutz abläuft, wollen die Justizminister weiterhin gegen Neupublikationen von „Mein Kampf“ vorgehen. Ohne ein neues Gesetz, dass nach dem Anlass für diese Entscheidung benannt worden wäre“ veröffentlichte die F.A.Z. vom 27. Juni 2014 einen Kommentar von Andreas Platthaus.
Siehe auch „Streit um Verbot von Hitler-Buch“
und
„Historiker: Verbot von „Mein Kampf“-Ausgabe ist falsche Symbolpolitik“.
Bereits 1933 beschäftigte sich Karl Leisner mit dem „Kampfbuch“. Er schrieb am 18. Oktober 1933 an Walter Vinnenberg:
Lieber Walter!
[…]
In der Schule lesen wir Hitlers „Mein Kampf“[1], das mir – abgesehen von einigen komischen Sachen – gut gefällt. Aber, was läßt sich davon durchführen? Und nachher kann man gut über die Fehler anderer als „geistig überlegener“ schimpfen. Wenn heute alles nach dem Buch ging, dann wär’s wenigstens erträglich. (Den zweiten Teil hab’ ich allerdings noch nicht gelesen.) – Was hältst Du übrigens von der ganzen außenpolitischen Sachlage? Wie meinst Du, soll man den Stimmzettel [zur Reichstagswahl am 12.11.1933 ignorieren] oder muß man ihn ankreiden? – Ich will doch mal Jacques [Gilbert], von dem ich gerade einen feinen Brief und – meinen verbessert zurück – bekam, fragen, was das Ausland und er davon hält.[2] Der Jacques ist ein Prachtkerl; das tut mir verflixt nicht leid, daß wir den mitgenommen oder besser – daß er mit uns gekommen ist.
[1] Hitler, Adolf: Mein Kampf. München Bd. I. 1925, Bd. II. 1927. 1933 war die 45. Auflage erschienen. Der Jungführer 1934: 225 brachte Lesehilfen: Hitlers Mein Kampf und das Christentum.
Hermann Ringsdorff an Hans-Karl Seeger:
Wir haben „Mein Kampf“ nicht in der Schule gelesen. Karl Leisner hat das für sich getan, um in der Schule gerüstet zu sein. Das paßt zu seiner Art.
Auf einem undatierten Zettel hat Karl Leisner notiert:
Zu lesen: Geschichte!
Adolf Hitler, Mein Kampf.
Aktennotiz vom 25.2.1959 von Heinrich Tenhumberg in Münster für Josef Brink in Münster:
Lieber Josef!
Soeben schreibt mir Heinrich Enneking: „[…] Gestern haben wir unsern guten Pastor [Joseph Grote] von Rüschendorf [bei Damme] zu Grabe getragen. Ich mußte noch an seine Marienpredigt denken, die er vor vielen Jahren aus Hitler: Mein Kampf gehalten, wobei Karl Leisner noch herzlich gelacht hat. Die können oben jetzt ihre Gespräche fortsetzen.“
Elisabeth Haas aus Kleve am 7.1.2010 an Hans-Karl Seeger:
Als Hitler in Deutschland an die Macht gekommen war, führten Vater, Tante Maria – seine Schwester – und Karl viele intensive Gespräche miteinander, wie sie sich zum Nationalsozialismus verhalten sollten.
Da Karl Hitlers Buch „Mein Kampf“ gelesen und sich mit [Karl] Marx und [Wladimir Iljitsch] Lenin auseinandergesetzt hatte, konnte er Vater und dessen Schwester ganz eindeutig Richtung weisen.
[2] Jacques Gilbert war ein belgischer Freund von Karl Leisner. Auf Einladung von Walter Vinnenberg nahm er an der Baltrumfahrt 1933 teil. Drei Tage verbrachte er während der Flandernfahrt 1935 mit der Gruppe und führte sie durch Brüssel.
Tagebuch:
Münster, Samstag, 23. Juni 1934, Vigil des heiligen Johannes
Vormittags: Vigilmesse: Buße und Vorfreude. Sine C. [ohne Kommunion] – Von 8.00 bis 10.00 Uhr Exerzieren mit Reibereien übler Art (Nationalsozialismus – Katholizismus). Einige von uns hatten sich auch wirklich dämlich benommen.
Um 11.00 Uhr erste Fachschaftssitzung. Stürmisch! Professor [Anton] Baumstark wird scharrend empfangen. – Der „Führer“ ein oberschlesischer Theologe: Schmollertz verteidigt ihn. Professor [Joseph] Schmidlin meint, er sei damit gemeint und ruft: Ich melde mich zur Geschäftsordnung. Klatschen, Trampeln, Bravorufe – Auflösung der Versammlung! – Mißverständnis! – Erneute Eröffnung! – Dann beginnt Professor [Franz] Täschner, der Gauführer der AKD (Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher). Er geißelt die Verbindung Zentrum – SPD[1] und lobpreist das Dritte Reich und seine grundsätzlich gute Einstellung zum Katholizismus. Etwas Wahres ist ja dran, was er mit dem Satze „gratia supponit naturam“ [die Gnade setzt die Natur voraus] ausdeutet. Auch das heikle Thema Weltanschauung und Glaube tut er mit professoralen Theorien ab, die wohl wahr sein könnten, es aber praktisch heute nicht sind! – Wer das Gedankengut des NS kennenlernen wolle, solle Hitlers Werk [Mein Kampf] und Reden studieren. Er allein sei maßgebend – (Schmidlin ruft dazwischen: und [Alfred] Rosenberg! – Beifall!)[2]. – Zum Schluß spricht dann Professor [Egon] Schneider und meistert als Jurist ganz glänzend die Lage. – Schmollertz’ Einladungen bemäkelt er vortrefflich und stellt das anfängliche Mißverständnis klar und – als Schm. [Schmollertz oder Schmidlin] aufsteht, um das Schlußwort zu sprechen, sagt er: Im Auftrag des Herrn Schm. darf ich also hiermit die Versammlung schließen. Prächtig! Beifall!
[1] Inge Bornhöft aus Drensteinfurt am 9.1.2010 an Hans-Karl Seeger:
Bereits in der Weimarer Zeit gab es eine Zusammenarbeit in der sog. Weimarer Koalition aus SPD, Zentrum und Demokraten. Im Widerstand gab es erst recht Gemeinsamkeiten, besonders auffällig beim Kreisauer Kreis. Die von Leisner erwähnten Aktionen könnten ein Zusammengehen auf regionaler Ebene und zwar im Untergrund bedeuten.
[2] Joseph Schmidlin spielt vermutlich auf das Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg an.
Eduard Hegel:
Schmidlins Unbeherrschtheit und sein Jähzorn mögen aus seinem Temperament zu erklären sein. Die Kunst des Schweigenkönnens war ihm völlig fremd. […] für seine verletzenden, oft giftigen Bemerkungen gegenüber anderen, […] gibt es letzten Endes wohl nur psychologische Wurzeln. Die Kollegen seiner Fakultät mieden trotz aller Unterstützung seiner berechtigten sachlichen Anliegen mehr und mehr den Umgang mit dem schwierigen Mann (Hegel 1966: 479f.).
Antonius Wissing am 12.9.1934 in seinem Tagebuch:
Einen interessanten Zwischenfall gab es auch in der Fachschaftsstunde, in der der Fachschaftsleiter eine Auseinandersetzung mit Professor Schmidlin bekam; vor der Stunde hatte Professor Schmidlin mit Professor Baumstark disputiert.