Karl Leisner hat „Briefe an Lucilius“ von Seneca gelesen

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Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere, (* um 1 n. Chr. G. in Cordoba/E, † 65 n. Chr. G.) – römischer Philosoph, Dramatiker u. Staats­mann – An seinen jüngeren Freund Lucilius schrieb er 124 Briefe, Epistulae morales ad Lucilium, Mitteilungen über philosophische und literarische Gegenstände. Ab 48 war er Erzieher von Kaiser Nero.
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In der F.A.Z. vom 16. Dezember 2014 besprach Uwe Walter unter dem Titel „Listige Sophismen auf dem Weg zum Glück. Von wegen Toreador der Tugend! Eine neue Ausgabe versammelt Lucius Annaeus Senecas Briefe an Lucilius“ folgendes Buch:

SenecaBuch

Lucius Annaeus Seneca: „Briefe an Lucilius“.
Aus dem Lateinischen übersetzt von Heinz Gunermann, Franz Loretto und Rainer Rauthe. Hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort von Marion Giebel. Reclam Verlag, Stuttgart 2014. 779 S., geb. 39,95 €

 

 

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Am Rosenmontag, dem 12. Februar 1934, las Karl Leisner in den 124 erhaltenen Briefen an Lucilius und notierte in seinem Tagebuch:
Accipe et quidem utilem ac salutarem, quam te affigere animo volo: „Aliquis vir bonus nobis diligendus est ac semper ante oculos habendus, ut sic tamquam illo spectante vivamus et omnia tamquam illo vidente facia­mus.“
Hoc, mi Lucili, Epicurus prae­cepit; custodem nobis et paedagogum dedit, nec inme­rito; magna pars peccatorum tollitur, si peccaturis testis adsistit. Ali­quem habeat ani­mus, quem vereatur, cuius auc­toritate etiam secretum suum sanc­tius faciat. O feli­cem illum, qui non praesens tantum, sed etiam cogitatus emendat! O felicem, qui sic aliquem vereri potest, ut ad memoriam quoque eius se componat atque ordinet! Qui sic aliquem vereri potest, cito erit verendus.

[Vernimm einen nützlichen und heilsamen Rat, den du deinem Herzen einprägen sollst: „Einen Mann von Wert müssen wir hochachten und uns stets vor Augen halten, damit wir so, als schaue er uns zu, leben und alles, als sähe er es, tun.“
Das, mein Lucilius, hat Epikur gelehrt; einen Wächter und Erzieher hat er uns gegeben, und nicht zu Unrecht: ein großer Teil der Verfehlungen wird gegen­stands­los, wenn denen, die eine Verfeh­lung begehen wollen, ein Zeuge zur Seite tritt. Jemanden habe die Seele, den sie scheue, aufgrund dessen moralischen Gewichtes sie auch ihr Innerstes unschuldiger mache. Glücklich jener, der nicht durch seine Gegenwart nur, sondern auch wenn man an ihn denkt, besser macht. Glück­lich, wer in der Weise jemanden verehren kann, daß er auch im Gedanken an ihn sich formt und gestaltet! Wer so jemanden verehren kann, wird rasch verehrungs­würdig.[1]]

[1] Seneca, Lucius Annaeus: Ad Lucilium Epistulae morales [Briefe über Ethik an Lucilius] I-LXIX. In: Philoso­phi­sche Schriften, 3. Bd., Darmstadt 1985, 1. Buch, Abschnitt 11,8f.: 72f.

Die „Alten“ waren doch schlauer und tiefer, als man oft denkt!